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Blick über eine benachbarte Baustelle auf das betroffene Studentenwohnheim.
© Tagesspiegel

Rattenplage in Berliner Studentenwohnheim: Von Nagern verjagt

In einem Wohnheim des Berliner Studentenwerks sind die Ratten eingezogen, seit zwei Jahren rumoren sie in Zwischendecken und Rohren. Doch erst jetzt wurden die Bewohner offiziell informiert.

Ein Zimmer mit Dusche, Pantry und Terrasse, 30 Quadratmeter möbliert für 270 Euro im Monat. Von so einer Bleibe träumen tausende Studierende in Berlin, rund 2100 stehen allein auf der Warteliste des Studentenwerks. Chemie-Studentin Annika Müller hatte Glück, ergatterte 2013 ein Apartment im Wohnheim an der Fraunhoferstraße in Charlottenburg. Ein beliebtes Haus, das nach dem Willen seiner einstigen Stifterin, der preußischen Frauenrechtlerin Ottilie von Hansemann, Studentinnen vorbehalten ist und zentral und zugleich ruhig nahe dem Ernst-Reuter-Platz liegt.

Anfangs erfreute sich Annika Müller der netten Gesellschaft, zu der auch Kinder und Lebenspartner der Studentinnen sowie die Kita „Maikäfer“ gehören. Bis die Ratten sie vertrieben. Noch immer graust es die 24-Jährige: „Wenn ich unter der Dusche stand, hat es über mir gequiekt und gekratzt.“ Entnervt zog Müller im Spätherbst aus, wohnt nun in einer wesentlich teureren Zweier-WG – und streitet sich mit dem Studentenwerk über eine nachträgliche Mietminderung.

Zuerst kamen die Ratten über einen Kriechkeller ins Gebäude

Jürgen Morgenstern, Sprecher des Studentenwerks, bestätigt die Rattenplage. Seit zwei Jahren machten sich Ratten im Rohrnetz und in den Zwischendecken breit. Einfallstor war zunächst ein Kriechkeller unter dem Hinterhaus: Die Ratten legten im unversiegelten Sandboden Gänge an, bauten Nester und drangen auf Nahrungssuche über Schächte ins Haus vor. Bei einem Ortstermin am Dienstagmorgen leuchtet der Hausmeister stolz in das niedrige Gemäuer: Mittlerweile alles tipptopp betoniert, keine Spur mehr von den Ratten. Doch kaum waren Schädlingsbekämpfer den ungeliebten Gästen auch im Inneren des Hauses mit Gift und Fallen auf den Pelz gerückt, kam eine neue Welle, diesmal durch Abwasserrohre.

Studentenwerk: Immer unmittelbar auf Beschwerden reagiert

Ratten in Wohnhäusern sind in Berlin wie in anderen Großstädten keine Seltenheit, Schätzungen gehen von ein bis zwei Tieren pro Einwohner aus. Offiziell registriert werden jährlich um die 5000 Einsätze professioneller Kammerjäger. Dass die Ratten ausgerechnet das gepflegt wirkende Charlottenburger Wohnheim besiedelten, führt das Studentenwerk auf Baustellen auf früheren Brachflächen in der Nachbarschaft zurück. Lärm und Erschütterungen hätten die Tiere auf die ruhige Insel des Wohnheimkomplexes getrieben.

Geht es nach dem Studentenwerk, wird in allen Fällen, in denen Mieterinnen von Kratzgeräuschen und Rattenkot in der Toilette berichten, stets unmittelbar reagiert: Experten installieren „Rattstop“-Klappen in Toilettenstutzen und Rattentrichter in Abwasserleitungen des Hinterhauses, durch die die Nager nur noch in eine Richtung vorwärtskommen – nach draußen. Das Gesundheitsamt und die Wasserbetriebe würden bei der intensiven Suche nach Lösungen helfen, sagt Morgenstern.

Bislang verschonte Mieterinnen sollten nicht verschreckt werden

Annika Müller erlebte die Situation im Wohnheim gleichwohl als desolat. In Zwischendecken und Rohren hätten ständig die Krallen der Ratten gescharrt, ihre Jungen gefiept, berichtet sie. An Lernen sei kaum noch zu denken gewesen. Ihre Großmutter habe ihr geraten, selber ordentlich Krach zu schlagen, das würde die Tiere vertreiben. Im Haus redete man über die komischen Geräusche und plötzliche Baumaßnahmen. Doch auf den schwarzen Brettern war nur von notwendigen Arbeiten an den Leitungen die Rede, nicht von der bedrohlichen Ursache. Beim Hausmeister beschwerte sich die Studentin erst im Sommer, als sie schon zum Auszug entschlossen war. Deshalb will das Studentenwerk auch nicht akzeptieren, dass Müller die letzte Monatsmiete als Entschädigung einbehielt.

Fest steht: Die Wohnheimleitung informierte lange nicht offiziell über die Rattenplage. Bislang verschonte Mieterinnen sollten nicht verschreckt werden, heißt es. Erst seit gestern werden sie per Aushang vor dem „Rattenbefall“ gewarnt und gebeten, „Geräusche in den Zwischendecken oder Schächten“ dem Hausmeister zu melden.

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