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Hans Cürlis beim Dreh des Kulturfilms "Welfenschatz".
© Stiftung Deutsche Kinemathek

Museumsfilme der NS-Zeit: Von Faustkeilen und Handgranaten

Die Berliner Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy hat die Filmpropaganda der NS-Zeit für die Museumsinsel wiederentdeckt. Geworben wurde für den Museumsbesuch - und für das Nazi-Regime.

Auf den Stufen des Pergamon-Altars stehen gesetzte Damen und Herren und inspizieren die Reliefs. Beleuchtet wird die Szenerie von einer Reihe großkalibriger Scheinwerfer; das Foto zeigt Filmaufnahmen um 1937. Hochmodern waren die Filme, die damals über die Schätze der Berliner Museen gedreht wurden. Zumeist entstanden sie als „Kulturfilme“ in der NS-Zeit, aber auch ausländische Produktionen gab es, die die Berliner Museen ins helle Licht rückten. Es war die Boomzeit der Kulturfilme, musste doch qua Gesetz vor jedem Spielfilm ein dokumentarischer Streifen gezeigt werden.

Die Filme waren weniger verloren als vergessen. Ihre Wiederentdeckung verdankt sich Bénédicte Savoy, Professorin für Kunstgeschichte an der TU Berlin. Bei Recherchen zum Vortragsthema „Berliner Museen im Spiegel des Auslands 1933–1945“ stieß sie auf eine Notiz im „Film-Kurier“ vom 9. August 1939 über die deutschen Beiträge zu den Filmfestspielen von Venedig, ganz überwiegend „Kulturfilme“, darunter „Schatzkammer Deutschland“ von dem in Berlin ansässigen „Kulturfilm-Institut Dr. Cürlis“.

Der Film soll der deutschen Kunst "neue Bewunderer" erschließen

Damit war eine Spur gefunden, besser gesagt eine Goldader. Denn Hans Cürlis (1889–1982) ist berühmt als Pionier des Künstlerfilms: Mit seiner 1923 begonnenen Reihe „Schaffende Hände“ porträtierte er bis ins hohe Alter hinein in 87 Folgen die Arbeit einzelner Künstler. Zugleich ist er ein Wegbereiter des Museumsfilms, der filmischen Darstellung von Objekten im Museum. Die „Schatzkammer Deutschland“ bietet einen Rundumblick auf die Staatlichen Museen, die damals auf der Museumsinsel konzentriert waren. Neben dem unvermeidlichen Pergamon-Altar waren laut „Film-Kurier“ Werke von Raffael, Donatello, Rubens und Rembrandt, Dürer und Holbein zu sehen. Der Film, heißt es, „wirbt für deutsche Kunst und erschließt ihr neue Freunde und Bewunderer“.

Werbung – das ist das Stichwort für den Museumsfilm der NS-Zeit. Dass nur einen Monat nachdem sich Propagandaminister Goebbels stolz im Kreise von Ufa-Stars auf dem Lido von Venedig hatte fotografieren lassen, das „Dritte Reich“ den Weltkrieg entfesselte, ist die bittere Pointe gerade dieses Films. Er steht zeitlich am Ende der vielfältigen Produktionen. 33 Filme konnte Bénédicte Savoy bislang auffinden und identifizieren, in den verschiedensten Archiven, unter denen naturgemäß der Nachlass von Hans Cürlis, verwahrt in der Deutschen Kinemathek Berlin, den reichsten Stoff bot.

Propaganda mit den Mitteln der filmischen Avantgarde

Aber es galt, zum Teil völlig disparate Einzelfunde miteinander zu verknüpfen, um zur Darstellung der Museumsfilme dieser Zeit zu gelangen, wie sie Savoy nun in ihrem Buch „,Vom Faustkeil zur Handgranate‘. Filmpropaganda für die Berliner Museen 1934–1939“ unternommen hat. Der Titel, einem Film eines weiteren bedeutenden Kulturfilmers, Herbert Körösi, entlehnt, unterstreicht das Ziel der Filme in den Berliner Staatlichen Museen: Propaganda im Sinne des Regimes, die im Gewande kunst- und kulturgeschichtlicher Aufklärung daherkommt.

Ausgerechnet dieser Film von 1936, der programmgemäß bei der Wehrmacht dieser Zeit endet, macht sich Techniken zunutze, die die Avantgarde der Kunst und namentlich der Pariser Surrealismus entwickelt hatten. Gegenüberstellungen nicht zusammengehöriger Objekte, überraschende Schnitte, dazu eine Musikuntermalung, die sich hörbar den Experimenten der Musikavantgarde verdankt. Aufnahmetechnisch absolut auf dem Höhepunkt ist ein Film von Hans Cürlis über den Welfenschatz, der Stück für Stück sorgfältig inszeniert wird, wovon Dokumentarfotos zeugen. Für den Film wurde Cürlis 1937 auf der Pariser Weltausstellung mit einem „Ehrendiplom“ bedacht.

Nicht nur als historische Dokumente sind diese Filme interessant. Denn sie nehmen heutige Objektpräsentationen vorweg. „Inszenierung“ lautete das Zauberwort: Was seinerzeit Pioniere wie Cürlis mit den von ihnen verfilmten Kunstwerken machten, ist heute gängiger Standard für die Museen selbst. Werbung muss für den Besuch nicht mehr gemacht werden. Die Fülle an Statisten, die eine italienische Filmproduktion des Jahres 1932 vor den Pergamon-Altar beordern musste, um den Eindruck lebhaften Interesses zu erzeugen, schaffen Touristengruppen heute tagtäglich.

Jetzt forscht Savoy zu "Paris als Hauptstadt der deutschen Romantik"

„Für mich war es total aufregend, andere als die üblichen Archive zu besuchen“, sagt Bénédicte Savoy. Getrieben ist sie von Neugier und der Bereitschaft, auch und gerade dort genauer hinzuschauen, wo der Aktendeckel im Archiv alles andere verspricht als eine kunst- und kulturhistorische Trouvaille. Solche aber sind es, die sie jedes Mal zutage fördert, wie schon bei ihrem ersten, gleich zweibändigen Werk, der hochgelobten 2003 veröffentlichten Dissertation über Napoleons Kunstraub in Deutschland.

Dem Thema blieb und bleibt sie treu. Fördermittel der Volkswagen-Stiftung unter dem Titel „Opus magnum“ ermöglichen ihr derzeit vier Forschungssemester, die sie dem Projekt „Paris als Hauptstadt der deutschen Romantik“ widmet. Die Berliner Museen geraten ihr dennoch nicht aus dem Blick.

Buchvorstellung und Filmabend im Zeughauskino

Der Film als Medium des 20. Jahrhunderts und zugleich als zeitgemäßes Werbemittel für den Museumsbesuch hat sie als Thema gepackt. Hans Cürlis, der dem seinerzeit als mangelhaft empfundenen Besucherzuspruch auf der Museumsinsel mit seinen Kulturfilmen abhelfen wollte, ist, wie Savoy herausstellt, der Pionier der Kamera im Museum. Als promovierter Kunsthistoriker öffneten sich ihm die Türen, bereits 1919 drehte er eine Vielzahl kürzester Filme, etwa zur „Kleinplastik“. Dabei wählte er Beispiele aus allen Kulturen, in einer von der Avantgarde der Vorkriegszeit geprägten, egalitären Auswahl.

Zumindest Standbilder aus diesen Kurzfilmen haben sich erhalten, die Filme selbst müssen als verschollen gelten. Es sei denn, Bénédicte Savoy tut sie in irgendeinem Archiv auf, in dem alles Mögliche zu erwarten ist, nur nicht Material zu den Berliner Museen.

Bénédicte Savoy: „Vom Faustkeil zur Handgranate“. Filmpropaganda für die Berliner Museen 1934–1939. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2014. 178 S., 24,90 €. Im Zeughauskino stellt Savoy am 26. Februar um 20 Uhr ihr Buch vor, begleitet von der Vorführung einiger erhaltener Filme.

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