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Quelle des Lebens. Das Sonnenlicht kurbelt die Bildung von Vitamin D in der Haut an. Foto: ddp
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Gesundheit: Vitamin D, das Sonnenhormon

Vitamin D schützt nicht nur vor morschen Knochen, sondern vielleicht auch vor Krebs, Diabetes und Infarkt. Braucht der Mensch mehr von dem Vitamin?

Eigentlich ist Vitamin D gar kein Vitamin. Die Substanz ähnelt eher einem Hormon, das vom Körper selbst hergestellt wird – mithilfe des Sonnenlichts. Dennoch ist Vitamin D für gesunde Knochen unerlässlich. Aber womöglich kann es noch viel mehr. Viele Studien haben sich in den letzten Jahren mit der Frage beschäftigt, ob die Substanz das Risiko von chronischen Krankheiten wie Krebs, Herz- und Gefäßleiden, Diabetes und Multiple Sklerose verringern kann. Wissenschaftler streiten sich nun darüber, wie viel Vitamin D wir brauchen.

Die bekannteste Vitamin-D-Mangelkrankheit ist Rachitis, erkennbar an verformten Knochen. Heute ist sie in unseren Breiten selten geworden. In den Zeiten der Industrialisierung grassierte sie bei Kindern, die in den sonnenarmen Hinterhöfen der Großstädte aufwuchsen. Vitamin D ist unabdingbar, damit sich die Knochen normal entwickeln und gesund bleiben. Im Mangelfall drohen bei Kindern Rachitis und bei Erwachsenen Knochenerweichung, Osteomalazie, und die im Alter gefürchtete Osteoporose, poröse und brüchige Knochen.

Doch Vitamin D ist vermutlich weit mehr als ein Knochenhärter. Menschen in südlichen Breiten, die das ganze Jahr über ausreichend Sonne und damit viel Vitamin D bekommen, sterben seltener an Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und an manchen Krebsformen, etwa bösartigen Darm- oder Brusttumoren. Auch das Nervenleiden Multiple Sklerose tritt seltener auf. Vielleicht liegt’s am Sonnenvitamin, vermuten Forscher.

Hinzu kommt, dass fast alle Organe mit molekularen Andockplätzen für Vitamin D ausgestattet sind. In den Zellen wirkt die Substanz als Schalter, über den an die 1000 Gene gesteuert werden. Vielleicht kann eine reichliche Versorgung mit dem Sonnenhormon über diesen Weg den Körper vor Krankheiten bewahren – so lautet zumindest die Hoffnung.

Beispiel Muskel. Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung stärkt die Muskeln und stimuliert ihr Wachstum. Dadurch wird das Risiko von Stürzen bei Älteren verringert.

Beispiel Krebs. Untersuchungen deuten darauf hin, dass bei einem niedrigen Vitamin-D-Gehalt des Blutes (weniger als 20 Nanogramm an „D25“ pro Milliliter Serum) das Risiko für Brust-, Prostata- und Darmkrebs um 30 bis 50 Prozent steigt. Und wie eine Studie im amerikanischen Nebraska ergab, sank das Krebsrisiko bei Frauen jenseits der 55 im ersten Jahr um satte 77 Prozent, wenn sie täglich 1100 Internationale Einheiten (IE) Vitamin D3 einnahmen.

Doch nicht alle Studien ergaben positive Resultate. Viele Experten sind noch längst nicht überzeugt. So stellte das Nationale Krebsinstitut der USA im Juni 2010 fest, dass es zwar Untersuchungen gebe, in denen die Vitamin-D-Zufuhr mit einem geringeren Krebsrisiko verknüpft war. Aber die Ergebnisse seien beim Darmkrebs widersprüchlich und bei Tumoren im Bereich von Brustdrüse, Prostata und Bauchspeicheldrüse „unklar“.

Beispiel Herz-Kreislauf. Mangel an Sonnenlicht oder Vitamin D wird mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Pumpschwäche des Herzens und arterieller Verschlusskrankheit („Schaufensterkrankheit“) in Verbindung gebracht. Studien zeigten, dass bei einer durchschnittlichen Vitamin-D-Gabe von 530 IE pro Tag Herz-Kreislauferkrankungen rückläufig waren. Trotzdem bewerten manche Experten die Ergebnisse noch als unsicher.

Beispiel Immunsystem. Vitamin D stärkt möglicherweise die Körperabwehr – und dämpft zugleich übertriebene, selbstzerstörerische Reaktionen des Immunsystems. So ergab eine amerikanische Studie, dass Menschen mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel häufiger einen Schnupfen oder eine Grippe bekommen. Ein gesunder Erwachsener, der üblicherweise zwei Mal im Jahr eine Erkältung hat, erleidet bei Vitamin-D-Mangel so eine dritte. Auch die Zunahme von Infekten der Atemwege im Winter hat vielleicht eine ihrer Ursachen im saisonalen Sonnen- und Vitamin-D-Mangel. Wie dänische Forscher herausfanden, bringt das Vitamin T-Zellen auf Trab – einen wichtigen Arm der Körperabwehr.

Auf der anderen Seite werden Botenstoffe des Immunsystems, die Entzündungen hervorrufen, gehemmt. Das Nervenleiden Multiple Sklerose, bei dem eine Attacke körpereigener Zellen die Hüllen der Nervenzellen zerstört, tritt bei Menschen mit guter Vitamin-D-Versorgung seltener auf. Auch das Risiko, an der Zuckerkrankheit Diabetes zu erkranken, verringert sich möglicherweise bei ausreichender Vitamin-D-Aufnahme.

Skeptiker bemängeln jedoch, dass es nach wie vor an wirklich soliden und wissenschaftlich überzeugenden Studien mangelt. Es ist eine Kritik, die das gesamte Feld der Vitamin-D-Forschung im Zusammenhang mit chronischen Krankheiten betrifft, mit Ausnahme des eindeutig belegten Nutzens für die Knochengesundheit. Ein wesentliches Problem ist, dass hinreichend große und mehrjährige Studien sehr teuer sind, Vitamin D aber spottbillig zu haben ist. Pharmafirmen dürften also kaum profitieren.

Immerhin hat die Harvard-Universität in Boston im Januar 2010 die auf fünf Jahre angelegte „Vital“-Studie mit 20000 Teilnehmern gestartet (Männer ab 60, Frauen ab 65). Geprüft wird, ob sich die tägliche Einnahme von 2000 Einheiten Vitamin D und Fischöl positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Den Ergebnissen von „Vital“ wird größtes Gewicht zukommen. Bis dahin jedoch dürfte der Streit um den täglichen Vitamin-D-Bedarf munter weitergehen. Grundlagenforscher und Experten für Knochenkrankheiten fordern, die Empfehlungen für die Aufnahme deutlich nach oben zu korrigieren – vor allem, wenn es um ältere Menschen geht. Forscher der Harvard-Universität kamen zu dem Schluss, dass die Hälfte aller erwachsenen Amerikaner mindestens 1000 Einheiten Vitamin D am Tag einnehmen müsste, um auf das erstrebenswerte Mindestniveau von 30 Nanogramm pro Milliliter Blutserum zu kommen.

Anderen genügt das noch nicht. „1000 bis 2000 Einheiten am Tag sollten es schon sein“, empfiehlt die Medizinerin Silvana Lewis von der Universität von Miami. Zwar reichten 800 Einheiten aus, um das Risiko von Stürzen und Knochenbrüchen zu mindern, aber für die günstigen Effekte bei chronischen Krankheiten benötige man mehr.

Dieter Felsenberg, Experte für Muskel- und Knochenkrankheiten an der Berliner Charité, sieht das ebenso. Er verweist auf die Richtlinie des Dachverbands Osteologie, eines Zusammenschlusses von Knochenexperten, die je nach Sonnenlicht bis zu 2000 Einheiten Vitamin D empfehlen, um Osteoporose vorzubeugen.

In die gleiche Richtung gehen Empfehlungen der Internationalen Osteoporose-Stiftung, die Erwachsenen ab 60 Jahren pauschal 800 bis 1000 Einheiten Vitamin D etwa in Tablettenform empfehlen. In manchen Fällen (starkes Übergewicht, bereits vorhandene Osteoporose, wenig Sonnenlicht, gestörte Vitamin-D-Aufnahme) sollten bis zu 2000 Einheiten eingenommen werden. Die meisten Multivitamin-Produkte enthalten allenfalls 200 Einheiten, die offiziell empfohlene Tagesdosis (entspricht fünf Mikrogramm).

Die Gefahr der Überdosierung ist eher gering. Nach Angaben des Medizininstituts der US-Akademie der Wissenschaften ist erst jenseits einer regelmäßigen täglichen Aufnahme von 4000 Einheiten von einem Risiko auszugehen.

Aus seiner täglichen Arbeit kennt Felsenberg die Folgen der Unterversorgung nur zu gut. Nicht selten sind Frauen aus islamischen Ländern betroffen, deren Körper oft völlig verhüllt ist und die daher so gut wie kein Sonnenlicht mehr abbekommen. Der Vitaminmangel kann sie derart schwächen, dass sie einen Rollstuhl benötigen. Die Therapie ist ebenso einfach wie erfolgreich: Hoch dosiertes Vitamin D. Behauptungen, Vitamin D sei eine Art „Anti-aging-Hormon“, hält Felsenberg allerdings für weit überzogen.

Wesentlich zurückhaltender fallen die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen des Medizininstituts der US-Akademie aus, die im Auftrag der amerikanischen und kanadischen Regierung erarbeitet wurden. Sie gerieten zu einer kalten Dusche für alle Vitamin-D-Anhänger unter den Forschern. Statt der scheinbar überzeugenden Maxime „1000 bis 2000 Einheiten am Tag“ zu folgen, setzen die Fachleute den täglichen Bedarf mit 400 Einheiten an (zehn Mikrogramm) und empfehlen eine Aufnahme von 600 Einheiten. Lediglich über 70-Jährige sollten 800 Einheiten zu sich nehmen.

Nach Ansicht der US-Experten lassen die bisherigen Studien den Schluss zu, dass Vitamin D und Kalzium gut für die Knochengesundheit sind. Eine Rolle bei anderen Gesundheitsproblemen sei nicht belegt, außerdem gebe es Hinweise darauf, dass „mehr“ nicht unbedingt „besser“ sei und ein Zuviel Gefahren berge.

Noch deutlich vorsichtiger ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Sie rät zu täglich 200 Einheiten (entspricht fünf Mikrogramm). Lediglich Säuglinge und Menschen jenseits des 65. Lebensjahres sollten 400 Einheiten zu sich nehmen.

In einem Punkt sind sich allerdings Vitamin-D-Anhänger wie Skeptiker einig: die Versorgung der Bevölkerung könnte besser sein. Laut Nationaler Verzehrstudie erreichen 82 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen nicht die empfohlene Vitamin-D-Zufuhr. Am meisten gefährdet sind Ältere, die nur noch selten an die frische Luft gehen und bei denen die Vitaminbildung in der Haut nicht mehr so gut funktioniert.

Umstritten ist dann schon wieder die Frage, wie hoch der Spiegel an Vitamin D im Blut sein sollte. Knochenexperten fordern, er sollte bei Menschen jenseits des 60. Lebensjahres bei mindestens 30 Nanogramm pro Milliliter liegen (entspricht 75 Nanomol pro Liter). Das Medizininstitut der US–Akademie hält dagegen 20 Nanogramm (50 Nanomol) für ausreichend, um 97,5 Prozent der Bevölkerung gegen Skelettschäden durch Vitamin-D-Mangel zu schützen. Als Faustregel gilt, dass die Einnahme von 100 Einheiten den Blutspiegel von Vitamin D um jeweils ein Nanogramm pro Milliliter (2,5 Nanomol/Liter) erhöht. Empfehlenswert ist Vitamin D3, das ergiebiger ist als Vitamin D2.

Man sollte nicht auf eigene Faust versuchen, einen potenziellen Vitaminmangel zu kurieren, rät der Charité-Experte Felsenberg. In der Praxis kann man gegen Gebühr seinen Vitamin-D-Spiegel bestimmen und sich beraten lassen. Am besten von einem Arzt, der etwas von Knochengesundheit versteht, sagt Felsenberg.

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