Arsen im Grundwasser: Versteckte Gefahr
Arsen im Grundwasser ist gefährlich. Ein Computermodell kann helfen, Risikogebiete schneller zu erkennen. Ein solches Modell haben Wissenschaftler jetzt für China erarbeitet. Demnach sind dort rund 19 Millionen Menschen in Gefahr.
Die Vergiftung geschieht schleichend, viele der Betroffenen wissen noch nicht einmal, was genau ihre Gesundheit ruiniert. Verfärbte Haut, verhornte Blasen an Füßen und Händen, Hautkrebs sowie eine Reihe von weiteren Tumoren, die gehäuft auftreten – das sind die Anzeichen eines erhöhten Arsengehalts im Trinkwasser. Am stärksten betroffen ist Bangladesch, wo nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund ein Viertel der Brunnen einen Arsengehalt von mehr als 50 Mikrogramm pro Liter hat. Das ist das Fünffache des von der WHO empfohlenen Grenzwerts. Mittlerweile ist das Grundwasser des Landes flächendeckend einigermaßen gut untersucht, was bei anderen Staaten aber noch immer nicht der Fall ist. Die Ungewissheit der Toxikologen und damit die Gefahr für die Menschen sind groß.
So ist es auch in China, wo Experten ebenfalls ein gravierendes Arsenproblem vermuten. Aufgrund der schieren Größe des Landes sind die allermeisten Brunnen noch immer nicht getestet worden. Welche Gebiete besonders betroffen – sprich wo Kontrollen am sinnvollsten – sind, zeigen Modellierungen eines Forscherteams um Luis Rodríguez-Lado, die jetzt im Fachblatt „Science“ veröffentlicht wurden. Ihren Berechnungen zufolge sind 19,6 Millionen Chinesen gefährdet, vor allem in den Provinzen Xinjiang, Innere Mongolei und Henan.
„Arsen kommt überall im Untergrund vor, meist ist es an Eisenminerale gebunden und stellt keine Gefahr dar“, sagt Michael Berg vom Schweizerischen Wasserforschungsinstitut Eawag in Dübendorf, einer der beteiligten Wissenschaftler. „Kritisch wird es, wenn das Arsen freigesetzt wird und ins Grundwasser gelangt.“ In Südostasien geschieht das vorrangig in wenige tausend Jahre jungen Sedimentbecken, wo abgestorbene Pflanzen im Untergrund noch nicht völlig zersetzt sind. Beim weiteren Abbau wird Sauerstoff verbraucht, es stellen sich „reduzierende“ Bedingungen ein, wie Geochemiker sagen. Infolgedessen werden die Eisenverbindungen zerstört und Arsen wird frei.
Es gibt zu viele Brunnen, um jeden einzelnen überprüfen zu können
Das Modell, das Berg und Kollegen entwickelt haben, zielt darauf ab, Gebiete zu finden, in denen die Bedingungen für die Arsenfreisetzung besonders günstig sind. „Wir suchen also Gegenden mit jungen Böden, in denen noch viel organisches Material enthalten ist“, erläutert der Forscher. „Sie sollten aber auch flach sein, damit der Grundwasserstand hoch ist, zudem sollte es nicht zu schnell fließen.“ Insgesamt acht verschiedene Kenngrößen flossen in das Modell ein. Solche Daten werden zwar von den chinesischen Behörden erhoben, doch es sei schwer, an diese heranzukommen, berichtet Berg. Das Team verwendete deshalb Informationen, die im Internet verfügbar sind, und speiste sie in das Computermodell ein. Um es zu kalibrieren, nutzten die Forscher Analysen eines nationalen Messprogramms, bei dem 445 000 Brunnen untersucht wurden (die dennoch nur zwölf Prozent der chinesischen Bezirke repräsentieren).
So entstand eine Gefährdungskarte mit einer Auflösung von einem Quadratkilometer. Nach Angaben des Eawag-Forschers wird diese bereits von den chinesischen Behörden genutzt, um Schwerpunkte für weitere Tests zu finden. „In zwei Risikogebieten, die unser Modell hervorgebracht hat, wurden inzwischen Messungen vorgenommen. Sie haben den Verdacht bestätigt“, berichtet er.
Prinzipiell sei das Modell auch auf andere Regionen übertragbar, sofern die entsprechenden Daten vorliegen, sagen die Forscher. Der Bedarf ist da. Von den USA über Argentinien bis nach Vietnam sind Gegenden mit hoher Arsenbelastungen des Grundwassers bekannt. Und es werden immer neue gefährdete Gebiete entdeckt. Ein Computermodell, wie es für China erstellt wurde, könnte helfen, weitere Risikogebiete zu finden, ohne ein umfassendes und damit teures und langwieriges Messprogramm an Tausenden von Brunnen zu starten. Diesen Vorteil hebt Holly Michael von der Universität von Delaware in Newark in einem begleitenden Kommentar in „Science“ heraus.
„Dennoch kann das nur der erste Schritt sein“, schreibt sie weiter. Aufgrund des Zusammenspiels der verschiedenen Bedingungen im Untergrund schwanke die Arsenbelastung selbst über kleine Distanzen teilweise beträchtlich. Diese Genauigkeit könne ein Computermodell, das vor allem Merkmale der Oberfläche heranzieht, gar nicht erreichen. Daher müssen in den identifizierten Gebieten unbedingt Wasseranalysen folgen, um die reale Belastung festzustellen. „Neben den geologischen Zusammenhängen müssen auch die sozialen und wirtschaftlichen erfasst werden“, mahnt Michael. So tränken in Bangladesch nach wie vor mehrere Millionen Menschen belastetes Wasser, obwohl die Gefahr vielfach lange bekannt sei.
Arsen lässt sich recht einfach aus dem Wasser entfernen
Die Gründe dafür sind vielfältig. Arsen im Wasser fällt weder durch eine besondere Färbung noch durch Geruch auf, was es schwieriger macht, es als „gefährlich“ wahrzunehmen. Die Investition von 20 bis 30 Dollar in einen Filter erscheint dann nicht so wichtig, zumal die Summe für viele Menschen immer noch beträchtlich ist. Und auch dort, wo Reinigungsanlagen installiert wurden, ist nicht gesichert, dass sie regelmäßig gewartet werden, wie die Erfahrung aus vielen Entwicklungshilfeprojekten zeigen.
Die Abtrennung des schädlichen Elements aus dem Wasser hingegen ist relativ einfach. Dazu macht man sich die Neigung des Arsens zu Eisen zunutze. Die einfachen Filter bestehen aus porösen Eisenverbindungen, an die sich das unerwünschte Element bindet. So kommt es gar nicht erst aus dem Hahn.
Auch in Deutschland gibt es lokal erhöhte Arsengehalte im Grundwasser. „Das sind vor allem Gebiete, in denen Gesteine aus der Zeit des Buntsandsteins und des Keuper zu finden sind, also in Thüringen, Franken oder Nordhessen“, sagt Holger Weiß vom Umweltforschungszentrum Leipzig. Dort enthalte das Grundwasser bis zu 100 Mikrogramm Arsen pro Liter, das Zehnfache des gesetzlichen Grenzwertes. „In den Wasserwerken muss ohnehin oft das Eisen entfernt werden“, sagt er. Luft wird eingeleitet, es fällt Eisenhydroxid aus – und daran haftet gleich noch das Arsen. „Da das Eisenhydroxid eine sehr große Oberfläche hat, kann es viel Arsen aufnehmen.“
Sollte das nicht genügen, könnte das Wasser zusätzlich über ein eisenhaltiges Granulat geleitet werden, wie es auch in den Filtern für die Brunnen in Südostasien eingesetzt wird. Weiß: „Alles kein Problem – wenn man erst einmal weiß, dass Arsen im Wasser ist.“
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