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Gefahr aus dem Wasser. Larven der Aedes-Mücke, des Zika-Überträgers, in einem Labor der Universität Sao Paulo.
© AFP

Zika-Viren: Verschwörungstheorien statt Wissen

Sind Impfungen, Pestizide oder Gentechnik die Ursache? Weil viele Fragen zu dem Erreger offen sind, kursieren obskure Behauptungen über Zika. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jana Schlütter

Die Verschwörungstheorien zu Zika verbreiten sich gerade so schnell wie die Mücken in Südamerika, die das Virus übertragen. Impfgegner salbadern auf ihren Webseiten, im Nordosten Brasiliens habe man verstärkt Mütter gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten geimpft. Daher der Anstieg der Mikrozephalie- Fälle unter Neugeborenen! Nein, schwadronieren die nächsten, schuld seien die genveränderten Mücken der britischen Firma Oxitec. Sie hätten das Virus erst gefährlich gemacht oder würden es nun munter verbreiten.

War noch nichts für Sie dabei? Es gibt mehr. Die Pestizide, die nun versprüht werden, schädigen angeblich die ungeborenen Kinder. Pharmafirmen hätten das Virus im Labor gezüchtet, um später an einer Impfung oder vorbeugenden Mitteln zu verdienen. Ein dunkles Netzwerk wolle die Entwicklung Lateinamerikas bremsen und habe deshalb Zika in die Welt gesetzt. Es ist wie bei jeder Seuche: Sobald der Angstpegel steigt, werden bekannte Feindbilder aus der Mottenkiste gekramt. Fakten? Stören nur. Logik? Lästig. Unsicherheit? Wird mit einem Handstreich beiseitegewischt. Die Verschwörungstheoretiker kennen die Antworten vor allen anderen.

Die Zika-Forschung muss bei Null anfangen

„Wir wünschten, wir würden mehr wissen“, sagt unterdessen Tom Frieden, Direktor der US- Seuchenbehörde CDC. Es ist mehr als 50 Jahre her, seit das letzte Mal entdeckt wurde, dass ein Virus schwere Missbildungen bei Föten verursacht. Einen solchen Zusammenhang gab es noch nie bei Krankheitserregern, die über Mücken übertragen werden. Hinzu kommt, dass die Zika-Forschung nahezu bei null anfangen muss.

Diese Unsicherheit macht es der Weltgesundheitsorganisation WHO und allen anderen Verantwortlichen so schwer, die Gefahr einzustufen und darauf zu reagieren. Es ist ein Balanceakt zwischen „Das Virus ist an sich recht harmlos“ und „Wir befürchten ernste Folgen einer Infektion für Föten“, zwischen Entwarnung für die meisten und Vorsorge für gefährdete Gruppen.

Die Hinweise darauf, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Zika-Infektion während der Schwangerschaft und der Mikrozephalie bei Neugeborenen gibt, verdichten sich. Die Studien, die alle möglichen Einflussfaktoren auseinanderpuzzeln, laufen bereits. In ein paar Wochen wissen wir mehr.

Selbst wenn der Beweis dann vorliegen sollte, bleiben viele Fragen offen: Wie oft kommt es zu einer sexuellen Übertragung? In welchem Abschnitt der Schwangerschaft ist der Fötus besonders gefährdet? Wie viele überstehen die Infektion der Mutter unversehrt? Vermehrt sich das Virus im Gehirn der Kinder weiter? Gibt es ein Spektrum an Schädigungen?

Die Daten werden gesammelt, revidiert, ergänzt. Eine Lehre aus Ebola wird dabei umgesetzt. Forschungsförderer, Stiftungen und Hilfsorganisationen verpflichten Forscher dazu, Daten zu Gesundheitsnotfällen so schnell wie möglich allen anderen Wissenschaftlern, Behörden und der WHO zur Verfügung zu stellen. Eine zweite gute Nachricht: Ähnlich wie bei Ebola ermittelt die WHO, welche Produkte und grundlegenden Daten zu Zika besonders dringend gebraucht werden und koordiniert die Forschung.

Genveränderte Mücken könnten besser helfen als ein Pestizid

Trotz allem werden wir noch eine ganze Weile die Unsicherheit in Sachen Zika aushalten müssen. Für Panik gibt es aber keinen Grund. Schwangere können die Epidemiegebiete meiden, ihre Partner nach einer Reise Kondome benutzen. Es hilft nicht, sich nun wie die Verschwörungstheoretiker an alten Feindbildern festzubeißen.

Möglicherweise können genveränderte Mücken in Großstädten erfolgreicher gegen die Aedes-Plagegeister eingesetzt werden als jedes Pestizid. Davon würden nicht nur schwangere Frauen in Südamerikas Slums profitieren, sondern auch Kinder, die sonst an Dengue sterben. Dass sie zusätzlich einen Zugang zu einem halbwegs funktionierenden Gesundheitssystem brauchen und bessere hygienische Bedingungen, versteht sich von selbst.

Auch die Pharmaindustrie ist nicht der personifizierte Teufel. Ohne sie wird es keine neuen Impfstoffe, keine neuen Therapien geben. Man wolle sich künftig mehr um Lösungen für die armen Regionen der Welt bemühen, versprach Stefan Oschmann, Präsident der Internationalen Föderation pharmazeutischer Hersteller. Wir sollten ihn beim Wort nehmen. Nicht nur wegen Zika.

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