Humboldt-Universität zu Berlin: Verborgene Orte
Ein japanischer Student, ein architekturaffiner Chemiker, Gemälde bei den Landwirten und exotische Stadtbäume – so mancher Platz an der Humboldt-Universität hat eine überraschende Geschichte.
Eine Reihe von historischen Hörsälen schmücken als Denkmäler der Berliner Wissenschaftsgeschichte die Gebäude der Humboldt-Universität. Dazu zählt auch der Emil-Fischer-Hörsaal an der Hessischen Straße 1-2.
Emil Fischer, einer der damals führenden deutschen Chemiker und späterer Nobelpreisträger, knüpfte 1892 an seine Berufungszusage an die Berliner Universität eine Bedingung: Ein neues Chemisches Institut sollte eingerichtet werden. Die Räumlichkeiten seines Vorgängers August Wilhelm Hofmann genügten den inzwischen gestiegenen Ansprüchen an Forschung und Lehre nicht mehr. Nach jahrelangen Verzögerungen wurde am 14. Juli 1900 ein modernes Chemisches Institut eröffnet. Diese nach Fischers Vorschlägen und unter seiner beratenden Mitwirkung errichtete Haus wurde an „Mannigfaltigkeit und Reichhaltigkeit der Arbeitsmittel von keinem ähnlichen Institut in der Welt übertroffen“, so Fischer selbst. Zu dem Gebäudekomplex gehören auch ein Hörsaalgebäude sowie die sogenannte Fischer-Villa.
Helle Räume, Licht an allen Arbeitsplätzen, aber auch Garderoben, Aufenthaltsräume und Fahrradständer gehörten zu seinem gewünschten Equipment. Durch die spätere Tätigkeit Lise Meitners und Otto Hahns in diesen Gebäuden und der damit verbundenen wissenschaftlichen Bedeutung stehen die Gebäude heute unter Denkmalschutz. Im Kriegsjahr 1945 wurden Hörsäle, Praktikumssäle und Labore fast völlig zerstört. Die treppenförmig angeordneten Sitzreihen, die Holzvertäfelung und ein riesengroßes Periodensystem an der Wand des Hörsaals – das meiste, was wir heute sehen, wurde originalgetreu wiederaufgebaut. Anlässlich der feierlichen Eröffnung 1953 bekam der Hörsaal den Namen des Institutsgründers.
Heute sitzen Studierende verschiedenster Fachrichtungen in dem steil ansteigenden Hörsaal, nur die Chemiker nicht. Der traditionelle Standort wurde 2002 aufgegeben, als das Institut für Chemie an den mathematisch-naturwissenschaftlichen Campus Adlershof zog – in ein neues, den heutigen Anforderungen der Chemie entsprechendes Gebäude.
Mori-Ôgari-Gedenkstätte
Das Foto zeigt das Gedenkzimmer für den japanischen Arzt, Wissenschaftler, Schriftsteller und Übersetzer Mori Ôgai (1862 - 1922), der 1887/88 in Berlin bei Robert Koch studierte und seine erste Unterkunft im ersten Stock des Hauses an der Luisen-/EckeMarienstraße hatte. Dort ist heute die Mori-Ôgai-Gedenkstätte. Sie ist vor allem Zielpunkt vieler japanischer Touristen, die sich über Ôgais Verdienste rund um die Vermittlung deutscher Kultur, Literatur und Medizin in Japan informieren möchten. Der Berliner Universität, der heutigen Humboldt-Universität, kam hervorragende Bedeutung für Japans Übergang vom Feudalismus in die Moderne zu. In der Mitte des 19. Jahrhunderts öffnete sich das Land auf Drängen der Staaten Europas und Nordamerikas nach einer mehr als zweihundert Jahre währenden Isolationsphase. Das Inselreich stand vor der Herausforderung, sich binnen weniger Jahrzehnte in einen modernen Nationalstaat zu verwandeln. Junge Studierende wurden ins Ausland entsandt, um neues Wissen zu erwerben. Wie der junge Mori war ein großer Teil der rund 2700 Japaner, die in der Meiji-Zeit (1868 - 1912) an deutschsprachigen Einrichtungen studierten, in Berlin eingeschrieben. Nach ihrer Rückkehr nach Japan gelangten viele dieser Pioniere „modernen“ Wissens in einflussreiche Positionen in Bildungswesen, Kultur, Politik, Verwaltung und Wissenschaft.
Die Gedenkstätte widmet sich dem Andenken und der Erforschung von Leben und Werk Mori Ôgais. Die wissenschaftlichen und kulturellen Begegnungen zwischen Japan und Europa seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden in Projekten, Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen bearbeitet. Die Bestände der Gedenkstätte umfassen eine umfangreiche Präsenz-Bibliothek zu Mori Ôgai und seinem Umfeld, außerdem Dokumente zum deutsch-japanischen Kultur- und Wissenschaftsaustausch, Originalbriefe Ôgais sowie Briefe und Postkarten von Familienmitgliedern. Hinzu kommt eine Sammlung von 130 Kalligraphien, ein Öl-Porträt, eine Kopie seiner Totenmaske und eine Bronzetafel mit Ôgais Testament.
Seit diesem Frühjahr ist die Gedenkstätte nach längeren Umbauten wieder regulär geöffnet und die neue deutsch- und japanisch-sprachige Dauerausstellung „Zwischen den Kulturen“ kann besichtigt werden. Sie arbeitet das vielfältige Wirken Mori Ôgais und seine Beziehung zu Berlin heraus und stellt diese in den Kontext der intensiven wissenschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan. Bis zum 23. März 2018 ist außerdem eine Sonderausstellung mit Japan-Fotografien der Spanierin Patricia Escriche unter dem Titel „Fliegende Fische“ zu sehen.
Im Internet: https://u.hu-berlin.de/ogai
Albrecht Daniel Thaer-Institut
Neben dem Naturkundemuseum in der Invalidenstraße 42 steht das imposante, im italienischen Renaissancestil erbaute Hauptgebäude des Albrecht Daniel Thaer-Instituts für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (Foto unten). Betritt man den Bau, kommt man in den zentralen, glasüberdachten Thaer-Saal mit Kuppelgewölben und Natursteinsäulen aus rotem schwedischen Granit mit gusseisernen Basen und Kapitellen. Das anliegende steinerne Treppenhaus wird an den Seiten von vier großen Landschaftsgemälden des Malers Heinrich Gärtner (1828 - 1909) flankiert. Sie entstanden in den Jahren 1883 bis 1885 und nehmen die Themen Ackerbau und Viehzucht an der östlichen Wand, und Fischerei und Jagd an der westlichen Wand auf.
Das Gebäude – von 1876 bis 1880 auf dem Gelände einer ehemaligen königlichen Eisengießerei errichtet – ist Teil einer von August Tiede (1843 - 1911) konzipierten Anlage. Sie bestand aus der früheren geologischen Landesanstalt und Bergakademie, dem Museum für Naturkunde und der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule. Diese war die erste Vorgängerinstitution des Thaer-Instituts und wurde ursprünglich zu zwei Dritteln als Museum konzipiert. Seit ihrer Gründung 1881 beherbergte die Hochschule auch die Sammlungen des ehemaligen Berliner Landwirtschaftlichen Museums. Die Exponate sind heute in anderen Museen zu sehen. Der Namensgeber Albrecht Daniel Thaer begründete im brandenburgischen Möglin die Landwirtschaftswissenschaften. Er war von 1810 bis 1819 Professor an der Berliner Universität.
Während der Berliner Science Week, die vom 1. bis 10. November 2017 stattfindet, wird im Thaer-Saal eine Ausstellung über Evolutionsbiologie in Zusammenarbeit mit dem Museum für Naturkunde zu sehen sein. Unter dem Titel „Appealing to the Populous“ versammelt die Künstlerin und Kuratorin Mary Patricia (mp) Warming 30 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt (1. bis 17 November 2017, wochentags 8 bis 20 Uhr).
Im Internet: www.scienceweek.hu-berlin.de , www.berlinscienceweek.com
Lehrsortiment von Gehölzkultivaren in Zepernick
Die Humboldt-Universität ist im Besitz zahlreicher Sammlungen aus den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Sie werden an Instituten, Fakultäten und der Universitätsbibliothek betreut und in vielfältiger Form in Lehre und Forschung eingesetzt. Im brandenburgischen Zepernick befindet sich eine dieser Sammlungen: das Forschungs- und Lehrsortiment von Gehölzkultivaren des Albrecht Daniel Thaer-Instituts. Auf der 5,5 Hektar großen Versuchsfläche in der Gemeinde Panketal wachsen 2000 verschiedene Kultivare. Es handelt sich vorwiegend um Sorten und Klone unterschiedlicher Laub- und Nadelgehölzgattungen wie Linde, Rhododendron, Fichte oder Kiefer.
Ein Sortimentspool dieser Vielfalt ist in dieser Kompaktheit bundesweit nicht zu finden. Daraus ergeben sich verschiedene Forschungsfelder. So stellt die Sammlung ein exzellentes Freilandlabor zur Bewertung und Selektion von Gehölzen im Hinblick auf das Klima dar. In einem Projekt werden Berliner Allee- und Obstgehölze hinsichtlich ihrer Anpassungsfähigkeit an den prognostizierten Klimawandel getestet. Welche Baumarten halten Temperaturextremen wie Hitze, Starkniederschlägen und warmen Wintern stand? Als mögliche zukünftige Stadtbäume werden beispielsweise nichtheimische Arten und Klone von Ahorn, Linde und Eiche, aber auch nicht so bekannte Arten wie die Kobushi-Magnolie oder der Kanadische Judasbaum untersucht.
Ein Teil der Sammlung beinhaltet ein weltweit einzigartiges Klonarchiv salicinreicher Weidenarten. In dem im Sommer 2017 gestarteten Projekt „SaliMed“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, arbeiten Wissenschaftler der HU, der TU München, der Universität Karlsruhe und ein großes Pharmaunternehmen zusammen, um die medizinischen Potenziale der Weidenrinde zu erforschen. Auch Studierende kommen auf das Gelände. In Zepernick werden Übungen und Demonstrationen innerhalb von Modulen rund um das Baumschulwesen, die Dendrologie oder die Verwendung von Gehölzen durchgeführt.
Der Artikel ist am 14.Oktober 2017 in einer Beilage der Humboldt-Universität zum Start des Wintersemesters 2017/2018 erschienen.
Liljana Nikolic
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