Forschung an der Viadrina: Uni will Grenzen bewegen
Die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) scheiterte zwar im Elitewettbewerb. Doch nun will sie trotzdem Grenzen als ästhetische und soziale Phänomene erforschen und damit ihr Profil schärfen.
Der Titel des neuen Forschungszentrums, das die Europa-Universität am heutigen Montag in Frankfurt (Oder) eröffnet, ist spielerisch formuliert. „B/Orders in Motion“ steht für Grenzen, die sich verschieben und damit auch Gesellschaftsordnungen verändern. Für die Universität an der Grenze zu Polen ist die Grenzforschung seit ihrer Wiederbegründung im Jahr 1991 das Schlüsselthema in ihren drei Fakultäten, den Kultur-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Jetzt soll das Thema in einer erweiterten Perspektive die „künftige strategische Entwicklung“ der Universität bestimmen, ihr bis 2020 ein neues, schärferes Profil geben.
Künftig solle es nicht mehr nur um die Grenzen zwischen Polen und Deutschland, zwischen West- und Osteuropa gehen, sondern um Grenzen als kulturelle, ästhetische, gesellschaftliche und soziale Phänomene, erklärt Kerstin Schoor, Leiterin des Viadrina Centers B/Orders in Motion und Professorin für deutsch-jüdische Kulturgeschichte. Die Border studies, die seit den 1980er Jahren in den USA entstanden sind, seien bislang nicht an deutschen Unis etabliert. Mit dem Zentrum und seinem neuen räumlichen und sozialen Zugriff habe die Viadrina die Chance, sich in diesem Feld europaweit einen Namen zu machen.
Schon einmal sollte das Thema der „Grenzen in Bewegung“ die Viadrina in die Nähe der deutschen Spitzenuniversitäten bringen. Mit einem Antrag auf ein gleichnamiges Forschungscluster kam die Universität 2011 in die Endrunde der Exzellenzinitiative – hoch gelobt von den Gutachtern, wie es heißt. Der Antrag fiel aber vor einem knappen Jahr doch noch durch. Mit dem neuen Zentrum soll das Vorhaben jetzt auch ohne die damals beantragte 35-Millionen-Euro-Förderung verwirklicht werden.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) hat mehrmals Unterstützung signalisiert, ihr Ministerium finanziert jetzt auch zwei Koordinatorenstellen am Zentrum. Doch Viadrina-Präsident Gunter Pleuger fordert ein Engagement, das dem einst zugesagten Landesanteil von sieben Millionen Euro nahekommt und dem Projekt eine „seriöse und längerfristige Perspektive“ geben würde. Die beantragte Grundfinanzierung von einer Million Euro jährlich bis 2017 lehne Kunst bislang ab, sagt Pleuger. Nun starte man eben „mit Bordmitteln“. Aus dem Ministerium heißt es auf Anfrage, mit der Viadrina sei vereinbart worden, dass sie zunächst ein „inhaltlich definiertes Forschungskonzept“ vorlegen solle. Daraufhin könne die Uni weitere Landesmittel als Anschubfinanzierung erhalten, um dann „über die üblichen Wege der Forschungsförderung Drittmittel einzuwerben“. Die Leiterin des Zentrums, Kerstin Schoor, verweist auf eine laufende Ausschreibung für konkrete Forschungsprojekte, mit denen sich Viadrina-Forscher bis Anfang Juni um eine solche Anschubfinanzierung des Landes bewerben könnten.
Gleichzeitig steht die Viadrina unter dem Druck der Landesregierung, sich weiterzuentwickeln. Die europäische Ausrichtung der Uni war vor einem Jahr durch die Hochschulstrukturkommission des Landes infrage gestellt worden. Die Experten unter der Leitung des ehemaligen Wissenschaftsstaatssekretärs in Potsdam, Friedrich Buttler, hatten kritisiert, die Europa-Universität habe auf die EU-Osterweiterung nicht adäquat reagiert, sich zu sehr auf Polen als hauptsächlichem Kooperationspartner verlassen. Die Juristen und Wirtschaftswissenschaftler in Frankfurt (Oder) würden zu wenig zum Europa-Profil der Uni beitragen.
Pleuger weist die Kritik bis heute zurück. Langjährige Kooperationen mit anderen Ländern seien dabei nicht berücksichtigt worden. Der Start von B/Orders in Motion sei auch keine Reaktion auf das Buttler-Gutachten. Das neue Zentrum gehe weit über die Forderung der Kommission hinaus, die Viadrina solle sich dem Thema „Europa in der Weltgesellschaft“ zuwenden.
Amory Burchard
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