Wie Erdbeben entstehen: Über Jahrzehnte wird Energie aufgestaut – und binnen Sekunden abgegeben
Die meisten Erdbeben hängen mit der Bewegung der tektonischen Platten zusammen. Sie schieben sich zwar nur wenige Zentimeter pro Jahr voran, was etwa der Geschwindigkeit entspricht, mit der unsere Fingernägel wachsen.
Verhaken sich die Gesteine an den Plattengrenzen, stoppt dort die Bewegung, die Kontinente schieben aber weiter. So baut sich an der blockierten Stelle immer mehr Spannung auf – bis der Untergrund reißt und die verhinderte Bewegung mit einem Mal nachgeholt wird. Ein Erdbeben.
Beginnend vom Bebenherd laufen seismische Wellen mit bis zu sieben Kilometern pro Sekunde durch den Untergrund. Seismometer erfassen zuerst die schnellen P-Wellen, die aber relativ harmlos sind im Vergleich zu den langsameren S-Wellen. So entsteht ein Zeitvorsprung von einigen Sekunden, in denen Züge gestoppt, Kraftwerke heruntergefahren oder Ventile in Gasleitungen geschlossen werden können.
Die S-Wellen sind gefährlicher, weil sie vor allem in horizontaler Richtung am Untergrund rütteln, wofür Gebäude und Brücken normalerweise nicht ausgelegt sind. Daher werden in seismisch aktiven Gebieten Bauwerke mit speziellen Versteifungen und Schwingungsdämpfern versehen.
Während Seismometer auch sehr feine Schwingungen erfassen, spürt der Mensch Erdstöße erst ab einer Magnitude von etwa 3.
Die Magnitude ist eine wichtige Größe, um Erdbeben zu beschreiben. Sie gibt an, wie viel Energie bei einem solchen Ereignis frei wird. In die Berechnung gehen neben einigen Konstanten vor allem die Größe der Bruchfläche und der Versatz ein, das Maß der „nachgeholten Bewegung“.
Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll ist, ein konkretes Beben in „Hiroshima-Bomben“ oder „Tonnen TNT“ umzurechnen. Auch darunter kann sich wohl niemand etwas vorstellen. Vielleicht hilft dieser Vergleich: Ein Mensch schafft es mit einem großen Hammer, in einem Felsen eine etwa tellergroße Bruchfläche zu erzeugen. Die Bruchfläche des Tohoku-Bebens maß rund 600 mal 200 Kilometer. Das ergibt eine Magnitude von 9,0. Das bisher stärkste gemessene Beben fand 1960 in Chile statt und erreichte 9,5.
Die Magnitudenskala ist logarithmisch. Eine Zunahme von 7,0 bis 8,0 bedeutet, dass rund 30-mal so viel Energie frei wird; bei 9,0 ist es schon 1000-mal so viel.
Generell gilt: Je größer die Magnitude ist, umso seltener treten solche Erschütterungen auf.
In Deutschland sind so große Beben praktisch unmöglich, weil es hier keine Subduktionszone gibt. Spätestens in 20 Kilometern Tiefe ist die Erdkruste so heiß, dass sie nicht bricht, sondern sich plastisch verformt. Damit ist die mögliche Bruchfläche kleiner, ebenso die Maximalmagnitude.
Manchmal wird „Magnitude“ mit „Stärke“ übersetzt. Dann droht aber eine Verwechslung mit der „Erdbebenstärke“, die auf der Europäischen Makroseismischen Skala mit römisch I bis XII beziffert wird. Grundlage dafür sind qualitative Bewertungen der Erdbebenfolgen, etwa Gebäudeschäden.
Auch bei der „Richterskala“, die in Medienberichten häufig genannt wird, ist Vorsicht geboten. Sie wurde für Kalifornien entwickelt und lässt sich nicht einfach auf andere Regionen übertragen. Vor allem sind die zugrunde liegenden Formeln ungeeignet, um Magnituden von mehr als 7 realistisch wiederzugeben. Deshalb wird die Richterskala heute nur noch von Spezialisten für kleine Beben um die Magnitude 4 verwendet – und die schaffen es in der Regel nicht in die Nachrichten.