Knappes Gut: Trinkwasser aus dem Meer
Frisches Wasser ist vielerorts knapp. Entsalzungsanlagen können helfen, den Bedarf zu decken. Doch ihre Umweltbilanz ist oft miserabel. Das soll sich ändern.
Frisches und sauberes Wasser aus dem Hahn, das ist hierzulande selbstverständlich. Weltweit jedoch haben knapp 800 Millionen Menschen noch immer keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser. Nicht nur Wüstenregionen oder Entwicklungsländer sind betroffen. Durch anhaltende Dürren wie in Kalifornien oder Australien schwinden dort ebenfalls die Reserven. Zugleich nimmt der Wasserbedarf weltweit zu. Deshalb arbeiten Wissenschaftler und Unternehmen daran, Salzwasser möglichst effektiv trinkbar zu machen.
Die Meerwasserentsalzung ist nicht neu, bereits im 17. Jahrhundert nutzten Seefahrer einfache Destillation, um Trinkwasser zu gewinnen. Die Methode ist der Vorläufer für die heute genutzte Entspannungsverdampfung, ein Verfahren, das die Wärme von Kraftwerken nutzt. Dabei wird das Meerwasser erwärmt und der entstehende Dampf wieder abgekühlt – übrig bleibt salzfreies Kondenswasser.
Noch weiter verbreitet ist die Umkehrosmose. Dabei wird Meerwasser unter hohem Druck durch eine Membran gezwungen: Die halbdurchlässige Grenze lässt nur bestimmte Ionen und Moleküle durch, so dass entsalztes Wasser gewonnen werden kann. In Ländern wie Israel, den Arabischen Emiraten oder Australien wird die Umkehrosmose im industriellen Maßstab betrieben. Im dürregeplagten Kalifornien wird gerade eine Milliarde Dollar in eine neue Anlage bei San Diego investiert, die ab 2016 täglich 200 Millionen Liter Wasser liefern soll. An der Westküste sind weitere Entsalzungsanlagen geplant, um der zunehmenden Trinkwasserknappheit zu begegnen.
Das Verfahren verbraucht viel Energie
Doch die Umkehrosmose ist teuer und bei Umweltschützern umstritten. Es ist viel Energie nötig, um den erforderlichen Druck von bis zu 80 bar zu erzeugen. Die Membranen neigen zum Verstopfen und Verkeimen, was wiederum mehr Energie erfordert, um die Anlagen zu betreiben. Energie, die etwa in den Arabischen Emiraten oft aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird und die Entsalzung alles andere als nachhaltig macht.
Ließen sich erneuerbare Energien dafür nutzen, fiele die Bilanz etwas besser aus. Absolventen der TU Delft in den Niederlanden sehen darin eine Geschäftsidee. „Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem wir die Umkehrosmose konstant betreiben können“, sagt Sid Vollebregt, Mitgründer des Start-ups Elemental Water Makers. „Und zwar ausschließlich mit Sonnen- und Windenergie.“
Im Vergleich mit den niedrigen Strompreisen etwa im Nahen Osten hätte das Konzept trotzdem keine Chance, gibt der Gründer zu. „Wir konzentrieren uns deshalb auf Orte, an denen der Strom teuer und Wasser knapp ist.“ Momentan sind das touristische Inseln, wie die Jungferninseln in der Karibik. Dort soll in den nächsten Wochen eine Entsalzungsanlage in Betrieb gehen, die mit Solarenergie betrieben wird.
Die Salzbrühe wird zurück ins Meer geleitet
Wenngleich durch den Einsatz von Ökostrom die Wasserentsalzung etwas sauberer wird, bleiben doch die Einflüsse auf die Umwelt. Das Einsaugen von Meerwasser in Großanlagen kann das küstennahe Ökosystem schädigen, indem es Tiere, Larven und Eier mitreißt. Zudem muss die konzentrierte Salzbrühe, die nach der Entsalzung zurückbleibt, entsorgt werden. Trotz zunehmend strenger Regelungen werden diese Reste immer wieder zurück ins Meer geleitet und können Lebewesen gefährlich werden.
Die großen Anlagen an den Küsten allein genügen nicht, um alle Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. Gerade in Regionen fernab von industriellen Entsalzungsanlagen ist die Lage kritisch. Um Wasser – egal ob aus dem Meer oder dem Untergrund – zu entsalzen, setzen einige Forscher und Unternehmen auf Elektrochemie. Ulrich Tallarek von der Universität Marburg hat mit Kollegen aus Texas einen Chip entwickelt, der ohne großen Stromverbrauch das Salz aus dem Wasser trennt. „Im Grunde nicht nur Salz, das im Wasser gelöst als Natrium- und Chloridionen vorkommt, sondern alle geladenen Partikel, auch einzelne Viren und Bakterien“, sagt der Forscher.
Ein elektrisches Feld holt die Salzionen aus dem Wasser
Auf dem daumengroßen Chip befindet sich ein winziger Kanal, der sich gabelt. An dieser Kreuzung ist eine Elektrode angebracht, die mit zwei Haushaltsbatterien auskommt. Dort oxidieren Chloridionen zu Chlor, es entsteht ein lokaler Ionenmangel. Damit nimmt der elektrische Widerstand der Lösung zu, ebenso die Feldstärke. „Das elektrische Feld nehmen die Ionen wie ein Gebirge wahr und werden so in den anderen Kanal geleitet“, erläutert Tallarek das Prinzip. Übrig bleibt teilentsalztes Wasser mit etwa 25 Prozent weniger Ionen. Das Verfahren sei freilich noch nicht perfekt, biete aber hohes Potenzial für die Praxis, sagt er.
Um nutzbare Mengen sauberen Wassers zu erzeugen, müssen allerdings viele Chips kombiniert werden. Die an der Entwicklung beteiligte Firma Okeanos Technologies arbeitet derzeit an solchen Einheiten. Hunderttausendfach sollen die Wasserchips zusammengefasst werden, um kleine Anlagen für den Hausbedarf zu ermöglichen. Ein weiterer Vorteil, neben dem niedrigen Energieverbrauch, ist die Vorbehandlung des Wassers. Lediglich große Partikel müssen abgesetzt werden, bevor das salzige Wasser in die Kanäle fließt. Bei Membranverfahren hingegen werden Chemikalien eingesetzt, um unerwünschte Partikel zu binden und die Membran zu schonen.
Pilotanlage in Singapur schafft immerhin 50 Kubikmeter Wasser am Tag
Ein weiteres vielversprechendes elektrochemisches Verfahren wurde von Siemens in Zusammenarbeit mit Forschern aus Aachen entwickelt. Dabei werden die meisten Salzionen ebenfalls mittels elektrischer Felder aus dem Wasser geholt. Die restlichen Ionen werden über eine Membran abgetrennt. Insgesamt benötigt die Technik nur die Hälfte der Energie, die bei der Umkehrosmose nötig wäre. Ein Pilotprojekt in Singapur läuft bereits erfolgreich und produziert 50 000 Liter Wasser pro Tag.
Claudia Georgi