zum Hauptinhalt
Schülerinnen und Schüler sitzen in einem Klassenraum im Kreis und sprechen mit einer älteren Frau.
© ZB

Debatte um Lernerfolg in der Bildung: Traut Schülern Leistung zu!

Gute Pädagogik hat hohe Leistungsansprüche, verbindet sie aber mit einem Zutrauen an die Schüler – und fördert sie. Durch Inklusion muss daher das Leistungsniveau keineswegs abrutschen, meint unsere Gastautorin.

Ursula Weidenfeld kritisiert im Tagesspiegel vom 22. März den Verfall des Leistungsanspruchs an Schulen und Hochschulen. Darauf hat mit Blick auf die Hochschulen Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, geantwortet. Heute widerspricht Sybille Volkholz, Berlins frühere Senatorin für Schule, Berufsbildung und Sport in Berlin (1989–1990, Grüne).

Ursula Weidenfeld schreibt, viele junge Menschen fühlten sich nicht mehr selbst für ihren Lernerfolg verantwortlich. Stattdessen sähen sie ihre Lehrer und Professoren beziehungsweise Schulen und Hochschulen in der Pflicht, ihnen zum Abschluss zu verhelfen. Das führe zum Leistungsverfall. Ich behaupte, dass es einen solchen Zusammenhang nicht geben muss. Im Gegenteil bestand das Problem vor Jahren darin, dass sich die Bildungseinrichtungen viel zu wenig für die Ergebnisse ihrer Arbeit verantwortlich fühlten.

In Skandinavien fühlen sich Schulen für Schulversagen verantwortlich

Dabei hatte schon Ralf Dahrendorf 1965 in seinem Buch „Bildung ist Bürgerrecht“ die Frage gestellt, wer für schlechte Schülerleistung verantwortlich zeichnet. Diese Frage ging in der weiteren Schulreform der 70er und 80er Jahre aber praktisch unter. Erst die für viele überraschenden mittelmäßigen bis schlechten Ergebnisse deutscher Schüler bei den internationalen Schulleistungsstudien ließen diese Debatte wieder aufleben. In der IGLU-Studie 2001 war beim Vergleich der Länder in Deutschland die Frage danach gestellt worden, wer sich für das Schulversagen von Schülern verantwortlich fühlt. In keinem Bundesland erklärten sich mehr als zehn Prozent der Schulen als zuständig!

Sybille Volkholz.
Sybille Volkholz.
© Mike Wolff

Dabei spricht viel für die Vermutung, dass die Überzeugung von der eigenen Wirksamkeit oder die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung durch die Schule und ihre Akteure die Ergebnisse ihrer Arbeit tatsächlich beeinflusst. Doch während für skandinavische und kanadische Schulen die Kategorie der Rechenschaftspflicht eine selbstverständliche Größe ist, sieht man in Deutschland die Schuld gerne bei anderen.

Alle Beteiligten müssen sich einbringen

Lehrkräfte verweisen auf Eltern, die ihren Erziehungspflichten nicht nachkommen, diese wiederum geben gerne den Lehrkräften die Schuld für die schwache Performance ihrer Kinder. Pädagogische Prozesse können aber nur gelingen, wenn alle Beteiligten Verantwortung für das Gelingen übernehmen – auch die Schüler selbst, da hat Ursula Weidenfeld recht.

Eine bessere Lern- und Leistungskultur wird nicht dadurch erreicht, dass Schulen ihre Verantwortung wieder abgeben, sondern dadurch, dass sie sie mit einer hohen Lern- und Leistungskultur verbinden. Gute Pädagogik verbindet hohe Leistungsansprüche mit dem Zutrauen an die Schüler, diese erbringen zu können und mit eigener Förderanstrengung. Der Film „Rhythm is it!“ hat dies beispielhaft veranschaulicht.

Das Leistungsniveau rutscht nicht durch Inklusion ab

Ebenso wenig rutscht das Leistungsniveau durch Inklusion ab. Die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft ist eine Herausforderung, mit der viele Schulen gut umgehen und ohne dabei die Leistungen abzusenken. Wenn mit individualisierenden Methoden gearbeitet wird, können auch die Stärkeren profitieren, die PISA-Sieger machen es vor, und auch in Deutschland hat sich schon gezeigt, dass es geht: Nach der internationalen Leistungsvergleichsstudie TIMSS gab es das breite Fortbildungsangebot „Sinus“. Die Lehrer sollten lernen, den Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften stärker für verschiedene Leistungsniveaus zu differenzieren. In den folgenden Leistungsvergleichen waren die Leistungen der Schüler und Schülerinnen besser geworden.

Der Geschichtsunterricht erreicht bisher sein Ziel nicht

Schließlich soll nach Ursula Weidenfeld auch noch die Veränderung der Rahmenpläne in Berlin, die Zusammenfassung von Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde zum Fach Gesellschaftswissen, zu einer weiteren Absenkung von Leistungsanforderungen führen. Nun hat der bisherige Geschichtsunterricht aber einigen relevanten Studien zufolge gerade nicht sein Ziel erreicht, dass Schüler historische Ereignisse in ihren Kontext einbetten und darin verstehen können. Es gibt gute Gründe hier nach neuen Konzepten zu suchen. Das jetzt vorgeschlagene ist zumindest eine Erprobung wert.

Die Kultusminister haben sich nach dem PISA-Schock darauf verständigt, für die Rahmenpläne Kompetenzen zu formulieren, die Schüler in verschiedenen Bereichen erwerben sollen. Dies ist keine Verwässerung und Entleerung von Unterricht, sondern damit soll eine größere Verbindlichkeit erreicht werden. Wichtig ist nicht ein abgearbeiteter Lehrplan, sondern das, was am Ende auch wirklich bei Schülern und Schülerinnen ankommt. Die Schule muss das Fundament dafür legen, dass Menschen ein eigenverantwortliches Leben führen können. Dafür sind Fähigkeiten wichtiger als die bloße Ansammlung von Wissen.

Sybille Volkholz

Zur Startseite