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Mallorca-Geburtshelferkröte
© mauritius images

Amphibiensterben: Teiche desinfizieren für den Artenschutz

Ein aggressiver Pilz bedroht weltweit hunderte Amphibienarten. Selbst in abgelegene Naturschutzgebiete ist er vorgedrungen. Nun sehen Forscher erstmals eine Chance, den Parasiten von einer Insel zu vertreiben.

Jaime Bosch eilt voran, durch hohes Gras und Disteln. Gerade so, als könnte der Biologe vom Nationalen Museum für Naturwissenschaften in Madrid das Aussterben der Mallorca-Geburtshelferkröte, Alytes muletensis, verhindern, wenn er früh genug den Teich erreicht, in dem sie lebt. Sie wurde in den 80er Jahren im Tramuntana-Gebirge im Westen Mallorcas erneut angesiedelt – mit Erfolg. Doch die Kröten schleppten einen Pilz ein, Batrachochytrium dendrobatidis.

Ursprünglich verbreiteten diesen Pilz Krallenfrösche aus Afrika, die in Laboren weltweit als Versuchstiere benutzt werden. Als er mit den Sporen jeweils heimischer Pilze in Kontakt kam, entwickelte sich eine aggressive Kreuzung. Den tödlichen Chytridpilz gibt es nun auf jedem Kontinent der Erde, selbst in abgelegene Naturschutzgebiete ist er vorgedrungen. Er verursachte ein Massensterben. Von 7000 Amphibienarten ist ein Drittel gefährdet, über hundert Arten sind bereits ausgestorben.

Frösche, Salamander und Molche sind ohnehin bedroht, weil es immer weniger Feuchtgebiete gibt. Gleichzeitig sind Amphibien ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette: Sie sind Futter für Bachstelzen, Amseln und Iltisse, außerdem fressen Amphibien als Larven Algen, als erwachsene Tiere Mücken und andere Insekten. Sie können auch dem Menschen nützen. Beim australischen Magenbrüterfrosch zum Beispiel entdeckten Forscher Substanzen, die möglicherweise gegen Magenkrebs helfen. Doch als sie die Tiere genauer untersuchen wollten, gab es die Art nicht mehr.

Einzelne Kaulquappen zu retten, ist einfach

Nach drei Stunden erreicht das vierköpfige Team den Krötenteich. Kaulquappen und erwachsene Tiere sind hier gleichermaßen infiziert. Mit bloßem Auge ist der Pilz nicht zu erkennen, im Labor können die Biologen aber über 10 000 Pilzsporen auf der Haut nachweisen. Sie trocknet aus. Auch die Kaulquappen würden während der Metamorphose an Herzversagen sterben.

Eine Mitarbeiterin von Bosch, Eva Mendes, macht sich sofort an die Arbeit: „Vor ein paar Tagen haben wir den Teich abgeschöpft. Jetzt können wir alle Kaulquappen herausholen.“ Bosch stellt Plastikflaschen bereit, die Biologen füllen die Kaulquappen mit bloßen Händen ein. Im Labor sollen sie täglich ein paar Minuten in einer Anti-Pilz-Lösung gebadet werden.

Einzelne Kaulquappen vom Pilz zu befreien, ist einfach. Schwierig ist, die Amphibien so zu behandeln, dass sie sich in der freien Natur nicht erneut anstecken. Weltweit isolieren Forscher Bakterien von der Haut der Arten, die gegen den Pilz immun sind, und pflanzen sie empfindlicheren Kröten ein. Der erhoffte Schutz blieb bisher aus. Eine weitere Technik: Die Tiere werden weniger aggressiven Pilzsporen ausgesetzt und Schritt für Schritt die Dosis erhöht. „Die Ergebnisse waren allerdings nicht ermutigend“, sagt der Bosch.

Das Desinfektionsmittel tötet nicht nur den Pilz

Mendes öffnet eine Dose voller Desinfektionsmittel, das sie in den Teich schüttet. Das Wasser färbt sich lila. Mit einem Eimer schöpft Jaime Bosch die Lösung aus dem Teich und schleudert sie gegen die Felswände. Es soll in jede Spalte dringen. „Leider wird das nicht nur den Pilz töten, sondern alles, was hier lebt“, sagt er. Die Wissenschaftler sehen keine andere Möglichkeit: „Einen anderen infizierten Teich haben wir monatelang austrocknen lassen. Der Pilz hielt stand.“ Sollte es dank Desinfektionsmittel diesmal gelingen, wäre das ein großer Erfolg. „Es ist noch nie geglückt, ganze Gebiete von dem Pilz zu befreien“, sagt Bosch: „In fließendem Wasser und feuchten Gebieten verbreitet er sich sehr schnell.“

Auf Mallorca sollte es leichter sein: Es gibt nur stehendes Wasser und es ist trocken. Alle vier Teiche sollen so behandelt werden. „Eines Tages werden die Amphibien von allein immun sein“, sagt Bosch. „Wir wissen nur nicht, ob es zehn oder hundert Jahre oder länger dauern wird.“ Bis dahin gilt es, das Aussterben weiterer Arten zu verhindern. Die Mallorca-Geburtshelferkröte wäre ein Anfang.

Die Wissenschaftler schultern sechs Plastikflaschen mit Kaulquappen. Wenn herbstliche Regenfälle den Teich sauber gewaschen und neu gefüllt haben, werden sie die Larven zurückbringen. Der Pilz ist dann hoffentlich verschwunden.

Stephanie Eichler

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