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Schweinegrippe: Tamiflu nicht auf eigene Faust nehmen

Das Medikament verliert seine Macht gegen Viren - aus dem Grenzgebiet zwischen USA und Mexiko wurden bereits mehrere Fälle der Schweinegrippe gemeldet, in denen es nicht wirkte.

7177 nachgewiesene Fälle der Schweinegrippe H1N1/2009 hat es inzwischen in Deutschland gegeben, 188 davon in Berlin. Sie sind ausgesprochen glimpflich verlaufen. Für viele ist es zudem eine Beruhigung, dass es, wenn auch noch keinen Impfstoff, so doch zwei Medikamente gibt, die den Verlauf der Grippe-Erkrankung zumindest abmildern können. Schon vor einigen Jahren, als die Vogelgrippe als bedrohlich galt, wurde das Präparat mit dem Handelsnamen Tamiflu und dem Wirkstoff Oseltamivir in zahlreichen Haushalten gehortet und harrt seitdem der Verwendung.

Prinzipiell ist es auch gegen den neuen Erreger wirksam. Doch nun wurden aus dem Grenzgebiet zwischen USA und Mexiko mehrere Fälle der Schweinegrippe gemeldet, in denen das Medikament nicht wirkte, wie die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) jetzt mitteilte. Festgestellt wurde das bei Infizierten, die sich auf eigene Faust mit Tamiflu behandelt hatten.

Im Unterschied zu Deutschland und den USA ist das Präparat in Mexiko nicht rezeptpflichtig. Wenn das Mittel schon beim ersten Niesen eingenommen werde, sei es später bei wirklichem Bedarf unwirksam, mahnte PAHO-Chefin Maria Teresa Cerqueira.

Zu den Medikamenten aus der Gruppe der sogenannten Neuraminidase-Hemmer gehört neben Oseltamivir auch Zanamivir (Handelsname: Relenza). Die Mittel blockieren einen der beiden Eiweißstoffe auf der Oberfläche des Virus, die Neuraminidase. Dieses Eiweiß ermöglicht dem Virus chemische Reaktionen mit den Zellen des Menschen, ohne deren Mithilfe es sich nicht vermehren kann. Durch die Medikamente kann sein Weg durch die Schleimhäute gebremst werden. Das gelingt aber nur, wenn die Wirkstoffe spätestens 48 Stunden nach Einsetzen der ersten Symptome genommen werden.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Oberflächeneiweiß sich nicht durch Veränderungen seiner Struktur den Angriffen der Medikamente entzieht – sprich: resistent ist. Solche Modifikationen der Oberflächenantigene Neuraminidase und Hämagglutinin bezeichnen Virologen als Antigendrift, sie führen zu neuen Varianten des Virus.

Bislang wurden bei den Viren, die im Robert-Koch-Institut (RKI) untersucht wurden, keine solchen Veränderungen gefunden. Bei der Weltgesundheitsorganisation werden die Meldungen über Resistenzen gegen Tamiflu bisher noch als Einzelfälle gehandelt. Sie traten in Kanada, Japan, Hong Kong und Dänemark auf. Dass jetzt aus den USA weitere Meldungen kommen, sei aber nicht wirklich überraschend, sagt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher.

Sie rät weiterhin, Oseltamivir auf jeden Fall nur nach ärztlicher Verordnung einzunehmen. Dafür muss der Hausarzt nicht auf das Ergebnis des genauen molekularbiologischen Tests warten, sondern wird sich nach den Symptomen, der Vorgeschichte – etwa einer Spanienreise – und dem Ergebnis des Schnelltests richten. Wer die Mittel zu kurz oder in zu geringer Dosierung nimmt, schadet möglicherweise auch anderen. Denn so wird es den Erregern erleichtert, Resistenzen zu bilden. Solche Viren könnten besonders für chronisch kranke, ältere und geschwächte Menschen gefährlich werden.

Einen häuslichen Tamiflu-Vorrat anzulegen ist nach Ansicht der Experten schon deshalb nicht sinnvoll, weil die Bundesländer dem Nationalen Pandemieplan folgend Neuraminidasehemmer für 20 Prozent der Bevölkerung bereithalten, der Bund für weitere zehn Prozent.

Adelheid Müller-Lissner

Adelheid Müller-Lissner

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