Impfstoff gegen HIV scheitert: Studie in Südafrika abgebrochen
In Thailand hatte der Impfstoff RV-144 noch etwa 30 Prozent der Geimpften geschützt. Eine Weiterentwicklung weckte Hoffnungen, die nun enttäuscht werden.
Die Erwartungen waren wahrlich nicht überzogen: Einen vielleicht 50prozentigen Schutz vor HIV-Infektion erhoffte man sich von dem neuartigen HIV-Impfstoff HVTN 702, auch "Uhambo" genannt und von der deutsch-französischen Pharmafirma Sanofi entwickelt.
Der Vorläufer der Vakzine, RV-144, hatte in Thailand vor acht Jahren zum ersten Mal überhaupt einen gewissen Schutz, von allerdings nur 30 Prozent der Geimpften, geboten. Doch nun, nachdem 5400 Südafrikaner zwischen 18 und 35 Jahren in 14 Städten des Landes Uhambo (oder Placebo) bekommen hatten, gab der Südafrikanische Medizinische Forschungsrat SAMRC (South African Medical Research Council) den Abbruch der Studie bekannt.
"Diese Entscheidung wurde getroffen, weil ein unabhängiges Daten- und Sicherheits-Überwachungsteam in einem Zwischenbericht herausfand, dass der Impfstoff kein HIV verhindert", heißt es in einem Bericht der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH), die über das NIAID (National Institute of Allergy and Infectious Diseases) an der 104 Millionen US-Dollar teuren Studie beteiligt waren, wie auch die Gates-Stiftung und das britische Medical Research Council.
Keine Wirksamkeit festzustellen nach vier Jahren
Es gebe "absolut keinen Hinweis auf Wirksamkeit", sagte Studienleiterin Glenda Gray, die Präsidentin des SAMRC. "Das ist eine große Enttäuschung." Seit Herbst 2016 sei viel Arbeit und Mühe in das Projekt, das eigentlich noch zwei Jahre weiter laufen sollte, geflossen, wird die Forscherin vom Fachblatt "Science" zitiert.
Nachdem in der Gruppe der Geimpften 129 Infektionsfälle und 123 in der Gruppe der Placebo-Empfänger gezählt worden waren, empfahl das Expertengremium am 23. Januar den Abbruch der Studie.
Basis des Impfstoffs war ein Oberflächenprotein des HI-Virus, ein Konzept, dass schon zuvor von Forschern als wenig aussichtsreich kritisiert worden war - nicht zuletzt weil das Aids-auslösende Virus die Proteine in seiner Hüller rasch verändert.
Dennoch hatte die Vorläufervakzine RV-144 in Thailand noch einen gewissen Effekt gezeigt. Bei den Probanden, die nur Placebo gespritzt worden war, zählten die Forscher 2009 74 Infektionen, während in der Gruppe der Geimpften nur 51 Infektionen diagnostiziert wurden. Das Ergebnis stimmte niemanden euphorisch, doch es war nach jahrzehntelangen Scheiterns der erste Hinweis überhaupt, dass ein Impfstoff gegen HIV grundsätzlich wirken kann.
Keine andere Wahl
Doch hätte man mit einem so schwach wirksamen Impfstoff überhaupt weiterarbeiten sollen? Gerade für Länder wie Südafrika, in denen sich die Seuche nach wie vor verheerend ausbreitet, ist das wohl eher eine rhetorische Frage.
HIV ist dort nicht unter Kontrolle. Schätzungen der UN-Organisation UNAIDS zufolge sind mehr als 20 Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren mit dem Virus infiziert. 2018 steckten sich rund 240.000 an. Und es sind vor allem junge Menschen. 7,7 Millionen der weltweit 38 Millionen HIV-infizierten Menschen leben in Südafrika.
"Ich denke nicht, dass es eine schlechte Wahl war, es war die einzige Wahl, die wir hatten", sagte der NIAID-Direktor Anthony Fauci "Science" auf die Frage, ob man die Studie besser gar nicht erst hätte unterstützen sollen.
Noch drei Impfstoffe gegen HIV im Rennen
Doch trotz des Fehlschlags gibt es weiter Hoffnung. Jetzt lastet sie auf der "Mosaico"-Studie von Johnson & Johnsons Tochterfirma Janssen, in der ein Impfstoff getestet wird, der auf einem "Mosaik" verschiedener Hüllproteinvarianten diverser HI-Virentypen beruht, deren Gene in einem harmlosen Adenovirus verpackt sind. In Affenstudien hat sich das Konzept bewährt und soll nun in Nordamerika und Europa getestet werden und in einer kleineren Studie ("Imbokodo") in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Paul Stoffels, Forschungschef beim Pharmakonzern Johnson & Johnson versprach sich vor knapp einem Jahr im Gespräch mit dem Tagesspiegel eine Schutzwirkung von etwa 50 Prozent. Ergebnisse der "Mosaico" sind nicht vor 2023 zu erwarten, die der "Imbokodo"-Untersuchung jedoch schon 2021.
Sascha Karberg