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Stein-Brunch. Die Taroko-Schlucht im östlichen Teil des Gebirgsmassivs der vulkanischen Insel Taiwan finden Touristen optisch attraktiv. Mikroben dagegen finden sie schlicht lecker. Sie zersetzen Jahrmillionen altes kohlenstoffhaltiges Gestein und setzen dabei Kohlendioxid frei.
© imago/AFLO

Geo-Biologie: Steine fressende Mikroben setzen Treibhausgase frei

Mikroorganismen produzieren aus Felsen und Schiefer Kohlendioxid. Für die Klimageschichte der Erde hat das wahrscheinlich eine große Bedeutung.

Erosion ist eines der größten Probleme der Gegenwart – nicht nur, weil sie an Ferieninseln wie Sylt nagt. Vor allem spült sie fruchtbare Böden in Flüsse und Meere. Darüber hinaus setzt Erosion aber auch Treibhausgase frei, berichtet jetzt eine internationale Gruppe von Geologen im Magazin „Science“.

Mikroben essen Felsen auf

Die Forscher um Jordon Hemingway untersuchten Prozesse, die im vulkanischen Zentralgebirge Taiwans ablaufen. Dort lösen sich nach starken Regenfällen und befördert von häufigen Erdbeben oft Geröll-Lawinen. Dabei rutschen auch Teile von Berghängen zu Tal und entblößen so das darunterliegende Schiefergestein. Dieses beginnt daraufhin zu verwittern. Mikroorganismen, so fanden die Wissenschaftler jetzt, spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie zersetzen die im Gestein enthaltenen organischen Kohlenstoffverbindungen und produzieren dabei das Treibhausgas Kohlendioxid.

In die Versenkung

„Diese Prozesse wurden bisher kaum untersucht“, erklärt Martin Heimann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, der nicht an der Studie beteiligt war. Insgesamt dauern sie Millionen von Jahren. „Heftige Niederschläge schwemmen über Flüsse Pflanzenreste und Erde von den Bergen bis ins Meer, wo diese Teilchen auf den Grund sinken“, beschreibt Studien-Mitautor Niels Hovius vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam den ersten Schritt. Dazu kommen noch tote Organismen aus dem Meer. Mit der Zeit werden die kohlenstoffreichen Materialien immer tiefer begraben. Auf diese Weise wird aus Kohlendioxid gewonnener Kohlenstoff in die Tiefe transportiert und das Treibhausgas der Atmosphäre entzogen. Eine so genannte "Kohlenstoff-Senke" entsteht.

Kohlenstoff-Fänger

Unter starkem Druck und hohen Temperaturen entsteht in den Tiefen letztlich Schiefer und anderes Gestein, das Kohlenstoff aus den toten Organismen enthalten kann. Kräfte im Erdinneren können dieses Gestein viele Jahrmillionen später wieder anheben, wie in Taiwan entstehen dann Gebirgsketten. Diese enthalten dann „viele Millionen Jahre alte Überreste von Organismen“, erklärt Hovius.

Deren Kohlenstoff unterscheidet sich deutlich von dem in heute lebenden oder in den letzten Jahrtausenden abgestorbenen Organismen. Die enthalten geringe Mengen des radioaktiven Isotops C14.

Kohlenstoff-Macher

C14 entsteht hoch oben in der Atmosphäre. Die energiereiche Strahlung aus dem Kosmos erzeugt hier über mehrere Schritte aus Stickstoff-Atomen dieses radioaktive Kohlenstoff-Isotop. Pflanzen machen zwischen C14 und den viel häufigeren stabilen Kohlenstoff-Isotopen C12 und C13 keinen Unterschied und bauen es mit in ihre Biomoleküle ein. C14 findet sich daher auch in Tieren und in Menschen, die es mit der Nahrung aufnehmen. Stirbt ein Organismus, endet dieser Nachschub und die noch vorhandenen C14-Isotope zerfallen. Ihre Halbwertzeit beträgt knapp 6000 Jahre. Nach rund 60.000 Jahren sind sie also praktisch komplett verschwunden. „Das viele Millionen Jahre alte Gestein aus der Tiefe enthält daher kein C-14 mehr“, erklärt Timothy Eglinton von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule ETH in Zürich, ebenfalls Mitautor der neuen Studie.

Kohlenstoff-Befreier

In Fettsäuren der Mikroben, die Eglinton und seine Kollegen in Proben aus Taiwan analysierten, fand sich viel weniger C14 als bei vergleichbaren, anderswo lebenden Organismen. „Anscheinend ernähren sich also im Gestein in wenigen Metern Tiefe Mikroben vom Kohlenstoff, der dort seit Jahrmillionen steckt“, sagt Eglinton. Dabei setzen die Mikroorganismen rund zwei Drittel des Kohlenstoffs wieder frei, den die geologischen Prozesse einst der Atmosphäre entzogen hatten. Pro Quadratkilometer strömen in den untersuchten Gebieten in einem Jahr zwischen 6,1 und 18,6 Tonnen dieses fossilen Kohlenstoffs wieder in die Luft, kalkulieren die Forscher.

Ähnliche Prozesse dürfte es in vielen Gegenden der Welt geben, etwa im Thüringer Schiefergebirge, das ebenfalls aus solchen alten Ablagerungen besteht. Welche Mengen von Treibhausgasen dabei frei werden, lässt sich bisher kaum schätzen. Die Raten sind wahrscheinlich abhängig sowohl vom Ausmaß der Erosion als auch von der Temperatur.

Martin Heimann glaubt nicht, dass der Prozess gegenwärtig verglichen mit CO2 etwa aus Schornsteinen und Auspuffen großen Einfluss auf den Gesamteintrag in die Atmosphäre hat. Und ob über Erosion und Sedimentierung derzeit mehr – oder weniger – Kohlenstoff aus dem Verkehr gezogen als durch „Stein-Verdauung“ wieder freigesetzt wird, ist unklar, sagt Hemingway. Im Laufe der Jahrmillionen spiele Letztere aber wahrscheinlich eine wichtige Rolle für Kohlenstoffkreislauf und Klima.

Roland Knauer

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