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Vega mit Lisa Pathfinder
© Esa
Update

Probleme mit der Trägerrakete Vega: Start der Sonde "Lisa Pathfinder" verschoben

Die europäische Sonde soll Techniken testen, mit denen künftig Gravitationswellen nachgewiesen werden könnten. Wenige Stunden vorm Start wurde der Countdown abgebrochen.

Am Mittwochmorgen 5:15 Uhr (MEZ) sollte die europäische Forschungssonde "Lisa Pathfinder" vom Raumfahrtzentrum Kourou aus starten. Wegen technischer Probleme mit der Trägerrakete "Vega" wurde der Start nun jedoch verschoben, teilt die europäische Raumfahrtagentur Esa mit. Die Untersuchungen laufen, am Mittwoch soll darüber entschieden werden, ob die Sonde am Donnerstag abheben kann.

Sie soll Werkzeuge testen, mit denen Astrophysiker Gravitationswellen nachweisen wollen, deren Existenz Albert Einstein 1916 vorhergesagt hatte. Damit sind „Rippel“ in der Raumzeit gemeint, die von massereichen, bewegten Objekten herrühren und sich durch das Universum bewegen – wie Wellen auf einem Teich, wenn ein Stein hineingeworfen wird.

Das sagen zumindest Theoretiker, der handfeste Beweis, dass es Gravitationswellen wirklich gibt, steht aus. Mehreren Experimenten auf der Erde gelang es bisher nicht, solche Wellen zu registrieren. Künftig wollen Forscher auch im Weltraum danach fahnden. Natürlich wollen sie damit Einstein auf die Probe stellen, vor allem aber erhoffen sie sich Erkenntnisse darüber, wie beispielsweise schwarze Löcher entstehen und miteinander verschmelzen. Möglicherweise geben die Wellen Hinweise auf die extreme Physik, die unmittelbar nach dem Urknall das junge Universum formte.
Ein solcher Wellendetektor im All erfordert unglaublich präzise Messtechnik.

Kommt eine Gravitationswelle, werden die Satelliten minimal verschoben

Um herauszufinden, ob das Unterfangen überhaupt machbar ist, sollen einzelne Techniken nun erstmals unter Weltraumbedingungen getestet werden - an Bord der Sonde „Lisa Pathfinder“. Wie der Name anklingen lässt, soll diese Mission den Weg ebnen für den eigentlichen Detektor „eLISA“ (evolved Laser Interferometer Space Antenna). Geplant sind drei Satelliten, die ein Dreieck mit je zwei Millionen Kilometern Kantenlänge bilden. In jedem befindet sich ein Würfel, der frei schwebt. Mittels Lasertechnik wird der Abstand zwischen den Würfeln gemessen. Läuft eine Gravitationswelle durch das Satellitendreieck, werden die Würfel minimal verschoben. Um das zu erfassen, ist höchste Genauigkeit nötig: rund ein Hundertstel des Durchmessers eines Wasserstoffatoms – auf zwei Millionen Kilometer.

Mit höchster Präzision. Die Sonde "Lisa Pathfinder" soll Techniken unter Weltraumbedingungen testen, mit denen in Zukunft Gravitationswellen nachgewiesen werden könnten.
Mit höchster Präzision. Die Sonde "Lisa Pathfinder" soll Techniken unter Weltraumbedingungen testen, mit denen in Zukunft Gravitationswellen nachgewiesen werden könnten.
© Abb.: AFP/ESA

Lisa Pathfinder soll unter anderem herausfinden, ob es möglich ist, solche Messwürfel frei von inneren und äußeren Störkräften zum Schweben zu bringen, um sie als kosmische Vermessungspunkte nutzen zu können. Die Sonde enthält zwei Vakuumtanks, in denen sich je ein Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung befindet. Das Material wurde gewählt, damit auf die beiden Massen (je zwei Kilogramm) keine elektromagnetischen Kräfte wirken. Elektrostatische Aufladungen, etwa durch die kosmische Strahlung, lassen sich mittels UV-Bestrahlung wieder abbauen.

Kaltgasdüsen hauchen den Satelliten auf Position

Damit die Würfel nicht an die Wand stoßen, muss der Satellit seine Lage sehr genau kontrollieren. Dafür wird ihre Position innerhalb der Tanks gemessen und der Satellit so ausgerichtet, dass er stets auf eine der beiden Testmassen zentriert bleibt. Das geschieht mittels Kaltgasdüsen: Sie geben komprimierten Stickstoff ab und bewegen per Rückstoßeffekt das Gehäuse. Die Schubkraft ist dabei sehr gering und entspricht etwa der Gewichtskraft eines Sandkorns auf der Erde.

Simulation von Gravitationswellen
Raumzeit mit Rippeln. Die Simulation zeigt, wie Gravitationswellen beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher entstehen. Dargestellt ist zweimal dasselbe System: grün und orange stehen für die beiden verschiedenen Schwingungsrichtungen der Gravitationswellen.
© Abb.: C. Reisswig (AEI), L. Rezzolla (AEI/ITP), M. Koppitz (AEI/ZIB)

Zweiter wesentlicher Punkt ist die Messtechnik. Unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover wurde ein Laserinterferometer gebaut, das die Position und Ausrichtung der Würfel relativ zum Satelliten mit einer Genauigkeit von zehn Pikometern (hundertmillionstel Millimeter) misst. Diese Technik haben die Forscher bereits bei ihrem Gravitationswellendetektor „Geo 600“ bei Hannover angewandt. Grob vereinfacht funktioniert es so: Ein Laserstrahl wird an einem etwas entfernten Spiegel reflektiert. Schwingen die ausgehenden und ankommenden Lichtwellen im gleichen Takt, wird es heller. Wird der Spiegel minimal verschoben, ist es vorbei mit der Harmonie, es wird dunkel.

Am Lagrangepunkt sind die Anziehungskräfte der Himmelskörper ausgeglichen

Eine solche Anlage komprimiert in einen Satelliten zu bekommen, sie sowohl extrem sensibel für die Messungen auszulegen und gleichzeitig robust genug, dass sie die Vibrationen beim Start der Rakete aushält - das ist die Aufgabe, vor der die Wissenschaftler und Ingenieure aus Deutschland und sechs weiteren europäischen Staaten standen. Ob es funktioniert, wird sich Anfang des nächsten Jahres zeigen.

Nach dem Start der "Vega"-Rakete wird Lisa Pathfinder nach mehreren Bahnkorrekturen zum „Lagrangepunkt“ L1 gebracht. Dieser befindet sich 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in Richtung Sonne. Dort heben sich die Anziehungskräfte der beiden Himmelskörper auf. L1 ist damit ein hervorragender Platz, um die Würfel frei schweben zu lassen, wobei Physiker lieber vom „idealen freien Fall“ sprechen. Nach rund 40 Tagen wird die Sonde den Planungen zufolge diesen Punkt erreichen und in eine Umlaufbahn einschwenken. Im März soll das eigentliche Forschungsprogramm beginnen und mindestens sechs Monate dauern.

430 Millionen Euro kostet der Technologietest im Kosmos, Gravitationswellen messen kann Lisa Pathfinder nicht. Der eigentliche Detektor, eLISA, ist vor zwei Jahren als L-Class-Mission der europäischen Raumfahrtagentur Esa ausgewählt worden. Zu dieser Kategorie zählen die großen Wissenschaftsmissionen, von denen etwa eine pro Jahrzehnt geflogen wird. Sie haben einen Umfang von jeweils rund einer Milliarde Euro. Der Start für eLISA soll 2034 sein.

Detektoren im All und auf der Erde sollen sich ergänzen

Während die Gravitationswellendetektoren auf der Erde auf Frequenzen zwischen 10 und 10.000 Hertz ausgelegt sind, soll eLISA für das Spektrum zwischen 0,1 und 100 Millihertz sensibilisiert sein. Damit ergänzen sich die Geräte. Die Forscher hoffen, auf diese Weise die unterschiedlichsten Quellen von Gravitationsstrahlung erkunden zu können: sich eng umkreisende Doppelsternsysteme, Schwarze Löcher, Supernovae oder supermassive Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien.

Zwei Eigenschaften machen Gravitationswellen besonders interessant. Zum einen durchdringen sie den Kosmos ungehindert und werden nicht absorbiert wie etwa Licht. Und während elektromagnetische Wellen von der Radio- bis zur Gammastrahlung vor allem Informationen zur äußeren Beschaffenheit kosmischer Objekte liefern, verrät die "Einstein-Strahlung" mehr über die Masseverteilung und wie sich diese ändert.

Astronomen hoffen auf ein neues Forschungsfeld

Mit den extrem empfindlichen Sensoren ließe sich gleichsam die Tür zu einem völlig neuen Forschungsfeld auftun, der Gravitationswellenastronomie, hoffen Wissenschaftler. Sie könnte die Entwicklung des Universums aus einer bisher ungenutzten Perspektive zeigen und so das Bild des Kosmos wesentlich erweitern. Vorausgesetzt natürlich, dass es Gravitationswellen wirklich gibt und sie sich auch einfangen lassen.

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