Stabil auch bei meterhohen Wellen: Spezialschiff Bibby soll Windstrom günstiger machen
Das Windpark-Wartungsschiff „Bibby Wavemaster Horizon“ kann einen Monat lang auf hoher See bleiben. Das hat Vorteile – vor allem, wenn etwas schief geht.
Tiefblau leuchtet das Schiff durch den Nebel des Hamburger Hafens; am Bug flattert ein Transparent mit der Botschaft: "Im Einsatz für den Klimaschutz! Serviceschiff für Nordsee-Windparks". Schriftzug und Sprachstil verraten: Hier sind keine Fridays-for-Future-Schüler am Werk, sondern Werbeprofis der Großindustrie.
Trotzdem ist die Anleihe aus der Klimaprotestbewegung unübersehbar. Und immerhin indirekt kann das Schiff tatsächlich eine Rolle im Klimaschutz spielen, denn: Die "Bibby Wavemaster Horizon", die Ende Oktober dem Hamburger Hafen ihren Antrittsbesuch abstattete, ist eines der modernsten Windanlagen-Serviceschiffe der Welt.
Meereswindparks liefern an 353 Tagen im Jahr Strom. In weniger als zehn Jahren könnten sie "die größte Energiequelle Europas" sein, meint Fatih Birol, Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur. In der Nordsee steht ein deutsches Mega-Windkraftprojekt gerade kurz vor seiner Vollendung: die Windparks "Albatros" und "Hohe See".
Beide liegen rund 100 Kilometer von den Küsten der Inseln Borkum und Helgoland entfernt. Entsprechend teuer und zeitaufwendig wäre die Wartung mit kleineren Servicebooten, die täglich auslaufen müssten. Aus diesem Grund wurde die Bibby Wavemaster Horizon gebaut.
Fitnessraum, Kino und Krankenstation an Bord
Das 90 Meter lange Spezialschiff bietet an Bord Platz für 60 Personen und kann einen Monat lang auf See bleiben. Zur Ausstattung gehören Büros, Lagerräume, ein Fitnessraum, ein Kino sowie eine Krankenstation für die Erstversorgung von Notfällen mit einem Video-Assistenz-System, um bei Bedarf in Echtzeit einen Facharzt konsultieren zu können.
Die Besatzung besteht aus einer 20-köpfigen Schiffscrew und bis zu 40 Technikern: Fachleute von EnBW und Siemens Gamesa. Der Energieversorger aus Baden-Württemberg und der deutsch-spanische Turbinenhersteller haben den Bau des Schiffs für eine mittlere zweistellige Millionen-Euro-Summe beauftragt und die "Bibby" für zehn Jahre gechartert.
"Bis Ende 2019 wollen wir beide Parks mit einer Rekordleistung von insgesamt 609 Megawatt in Betrieb nehmen", sagte Stefan Kansy, Leiter für Neubauprojekte bei EnBW, bei der Inbetriebnahme des Schiffs. Beide Windparks zusammen sollen jährlich rund 2,5 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen und somit den Verbrauch von etwa 710.000 Haushalten decken. Dabei würden nach Angaben des Unternehmens, das auf der Ostsee bereits die Windparks Baltic 1 und Baltic 2 betreibt, pro Jahr rund 9,1 Millionen Tonnen CO2 eingespart.
Bei einer Störung ist Zeit Geld
Siemens Gamesa hat die 7-Megawatt-Turbinen für die beiden Nordsee-Parks geliefert; insgesamt 87 Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 105 Metern über der Wasseroberfläche und einem Rotordurchmesser von 154 Metern. Allein das Maschinenhaus so einer Anlage, in dem sich der Generator und die elektrischen Bauteile befinden, wiegt 320 Tonnen.
Trotz dieser Dimensionen, die ja auch eine logistische Herausforderung bedeuteten, könne man so eine Anlage inzwischen "in weniger als 24 Stunden sicher auf hoher See installieren und in Betrieb nehmen", verkündete das Unternehmen.
Problematisch werde es allerdings, wenn es zu einer Störung kommt und zum Beispiel ein Windrad ausfällt, sagt Stefan Kansky. Je länger es dauert, bis Experten mit der Wartung beginnen können, desto teurer wird es für die Betreiber, weil das Windrad in der Zeit keinen Strom erzeugt. So schnell wie möglich müssen in so einer Situation Serviceschiffe zu den Anlagen eilen.
Und dort – mitten auf hoher See – sind die Bedingungen hart. Die Schiffe müssen bei Wind und Wetter sicher neben dem Turbinenturm im Wasser liegen, damit die Experten ihrer Arbeit nachgehen können. Da setze die Bibby Wavemaster Horizon neue Standards, sagt Friedrich von Storch, als Ingenieur bei EnBW für den Betrieb der Anlagen zuständig.
Die Techniker wohnen auf dem Schiff
Zu den wichtigsten Innovationen gehört ein mehrstufiger Aufzug mit Zugang zu einer höhenverstellbaren Gangway, die den Seegang ausgleicht. Sie docke mithilfe von Sensoren und Hydraulik präzise am Fundament der Windkraftanlage an, sodass sie selbst bei einer Wellenhöhe von 2,5 Metern oder mehr noch betreten werden könne, sagt von Storch.
Außerdem könne das Schiff in einer Höhe von neun bis 26 Metern an der Anlage festmachen und somit den starken Tidenhub der Nordsee ausgleichen. Bemerkenswert ist auch der Aufzug, wodurch die Techniker die Gangway direkt aus dem Lagerdeck erreichen. Werkzeug und Geräte können sie dabei gleich auf einem Rollwagen mitführen, weil die Gangway breiter als bei anderen Service-Schiffen ist.
Die Fachleute wohnen und arbeiten jeweils zwei Wochen an Bord und haben dann zwei Wochen frei. Dafür kehren sie an Land zurück, entweder per Helikopter oder mit dem Schiff selbst, das einmal pro Monat seinen Heimathafen in Emden anläuft, um Proviant zu bunkern.
Spart auch der Stromkunde durch Bibby?
Durch die bessere Organisation der Serviceeinsätze auf See soll die "Bibby" auch dazu beitragen, Kosten zu sparen, betonen die Betreiber: "Arbeiten, die sich früher über drei bis vier Tage zogen, können durch optimierte Abläufe und Standardisierung nun oft innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden." Das spare Personalkosten, Treibstoff sowie CO2-Emissionen und reduziere Ausfälle.
Gleichzeitig gab es bei der Erzeugung von Windstrom auf dem Meer in den vergangenen Jahrzehnten riesige technische Fortschritte. Die ersten Offshore-Windturbinen kamen 1991 noch mit einer Leistung von 450 Kilowatt auf den Markt.
Die neuesten Turbinen werden hingegen eine installierte Leistung von zehn bis zwölf Megawatt haben – etwa das Zwanzigfache. Erst Ende November hat der TÜV Nord beispielsweise eine 10-Megawatt-Turbine von Siemens Gamesa zertifiziert. Sie soll 2022 marktreif sein und würde pro Anlage soviel Strom erzeugen, wie 10.000 Haushalte im Jahr verbrauchen.
Durch Optimierung der Serviceeinsätze auf dem Meer und die Entwicklung immer leistungsstärkerer Windturbinen können Unternehmen die Kosten für die Erzeugung von Strom aus Windenergie weiter senken. Ob und wann die Energieversorger die gesunkenen Preise an ihre Kunden weitergeben, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Bislang tun sie das – wenn überhaupt – nur zögerlich.
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