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Medizin: Speiseöl unter Verdacht

Gefährlicher als Butter und Schmalz? Wie gesund Pflanzenöl mit Omega-6-Fetten fürs Herz ist, ist umstritten. Nach einer neuen Studie können diese Fette das Risiko für Herzkranke sogar erhöhen.

Es schimmert goldgelb, duftet aromatisch und schmeichelt dem Gaumen – Speiseöl ist nicht nur in der Küche willkommen, sondern gilt auch als gesunde Alternative zu Butter oder Schmalz. Allerdings ist Öl nicht gleich Öl, wenn es um ein gesundes Herz geht. Forscher liegen sich vor allem darüber in den Haaren, wie gesund die weitverbreiteten Omega-6-Fette sind. Für die einen kann es nicht genug Omega-6 sein, die anderen empfehlen, den Verzehr eher zu beschränken. Eine neue Studie hat den Streit nun angefacht.

Omega-Fettsäuren, in Pflanzen chemisch als Fette gebunden, sind für den Menschen unerlässlich. Er braucht sie im Stoffwechsel und kann sie nicht selbst herstellen, muss sie also mit der (meist pflanzlichen) Nahrung aufnehmen. Es handelt sich um ungesättigte Fettsäuren, Kohlenwasserstoffketten mit überwiegend 18 Kohlenstoffatomen.

Am wichtigsten sind drei Omega-Fettsäuren: die einfach ungesättigte Ölsäure (Omega-9, vor allem in Olivenöl), die am neunten Kohlenstoffatom eine „ungesättigte“ Doppelbindung hat; die zweifach ungesättigte (am sechsten und neunten Kohlenstoffatom) Linolsäure (Omega-6, in Sonnenblumen-, Maiskeim- und Sojaöl und entsprechenden Margarinen) und die mehrfach ungesättigte (am dritten, sechsten, neunten Kohlenstoffatom) Linolensäure (Omega-3, Leinöl, Rapsöl). Zusätzlich kommen in fettem Fisch die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure vor.

Seit in den westlichen Industrienationen gesättigte Fette tierischer Herkunft in Verruf gekommen sind und zunehmend Pflanzenfetten wichen, hat sich die Versorgung mit Omega-Fetten deutlich verbessert. Dabei dominiert eindeutig Omega-6, insbesondere die Linolsäure. Das sehen manche Forscher mit gemischten Gefühlen. Sie befürchten, dass zu viel Omega-6 mehr Schaden als Nutzen anrichten kann. Sie bestätigt eine Studie, die jüngst online im Fachblatt „British Medical Journal“ erschien.

An der Untersuchung nahmen 458 herzkranke australische Männer im Alter zwischen 30 und 59 Jahren teil. Die eine Hälfte wurde dazu aufgefordert, gesättigte Fette zu meiden und stattdessen bis zu 15 Prozent ihres Kalorienbedarfs mit Linolsäure aus Distelöl zu bestreiten. Distelöl enthält extrem viel Omega-6 und kein Omega-3. Die andere Hälfte der Teilnehmer bekam keine Ratschläge für eine gesunde Ernährung.

Als die Wissenschaftler nach gut drei Jahren Bilanz zogen, stellten sie fest, dass in der Gruppe der Omega-6Konsumenten mehr Todesfälle aufgetreten waren, darunter auch mehr tödliche Ereignisse durch Herz- und Gefäßleiden. Heißt das nun, dass Margarine schädlicher ist als Butter und Schmalz, wie die britische Zeitung „Independent“ kommentierte? So weit würden selbst Omega-6-Skeptiker unter den Ernährungswissenschaftlern und Medizinern wohl nicht gehen, zumal die Studie im „British Medical Journal“ einen Makel hat. Sie ist die Auswertung von verschollen geglaubten 40 Jahre alten Daten. Seitdem hat sich vieles an unserem Lebensstil geändert, weshalb die Untersuchung „wenig Bedeutung für die heutige Ernährung“ habe, wie Tom Sanders vom Londoner Kings College dem „Independent“ sagte.

„Die Situation ist verwirrend“, gibt Matthias Schulze zu. Der Wissenschaftler am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke hält es für schwierig, ein einzelnes Öl zu empfehlen, weist jedoch auch darauf hin, dass pflanzliche Fette ganz allgemein für das Herz gesünder sind als tierische. Das ist auch das Ergebnis einer Analyse von Dariush Mazaffarian. Der Wissenschaftler von der Harvard Medical School in Boston durchforstete die wissenschaftliche Literatur nach Untersuchungen, in denen der Einfluss des Fettverzehrs auf Herzleiden geprüft wurde.

Mazaffarian fand heraus, wie er im Fachblatt „Plos Medicine“ berichtete, dass ein höherer Anteil ungesättigter Fette an der Kalorienaufnahme, etwa aus Pflanzenöl oder fettem Fisch, die Gefahr eines Herzinfarkts oder Herztods senkt. Jedoch konnte der Forscher nicht aufschlüsseln, welchen Anteil am Verdienst dem umstrittenen Omega-6 zufiel.

Anders Christopher Ramsden, Ernährungsforscher an den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA. Er legte 2010 im „British Journal of Nutrition“ eine Analyse vor, in der er den Einfluss von Omega-3 und Omega-6 auf das Risiko von Herzleiden getrennt aufschlüsselte. Ramsdens Auswertung wichtiger Studien ergab, dass der Ersatz gesättigter Fette und der als besonders riskant eingeschätzten Transfette durch ein Gemisch von Omega-3 und Omega-6 das Risiko von Infarkt und Herztod um 22 Prozent senkte. Wurde gezielt nur Omega-6 erhöht, stieg die Gefahr für das Herz dagegen um 13 Prozent.

„Unsere Daten rechtfertigen es nicht, die Bevölkerung dazu aufzufordern, mehr Omega-6-Fette zu sich zu nehmen“, lautet Ramsdens Fazit. Damit widerspricht er der Amerikanischen Herzgesellschaft, die nach wie vor den Nutzen von Omega-6 herausstreicht und bislang empfiehlt, mindestens fünf bis zehn Prozent der Kalorien über diese Fette aufzunehmen. Allerdings will die Gesellschaft ihre Empfehlungen überarbeiten.

Eine Ursache für den möglicherweise nachteiligen Effekt der Omega-6-Fettsäuren könnte darin bestehen, dass sie Entzündungen fördern, was wiederum das Herz schädigen kann. Omega-3-Fette aus Fisch haben die gegenteilige Wirkung.

Helmut Gohlke vom Vorstand der Deutschen Herzstiftung weist darauf hin, dass bei der Ernährung vor allem das „Gesamtpaket“ zählt. „Am besten auf ihren gesundheitlichen Nutzen ist die mediterrane Kost untersucht“, sagt der Herzspezialist. Also viel frisches Obst und Gemüse, dazu Fisch oder ersatzweise Nüsse und wenig tierische Fette und Fleisch. Dagegen haben sich Omega-3-Kapseln mit Fischöl nicht als nützlich erwiesen, wie Gohlkes Kollege Oliver Weingärtner vom Uniklinikum des Saarlandes hervorhebt. Und verrät bei dieser Gelegenheit, dass er zum Braten Butter benutzt. In Maßen, versteht sich.

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