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Der Soziologe Andreas Reckwitz von der Frankfurter Viadrina.
© Sven Hoppe/dpa

Wissenschaftsauszeichnung: Soziologe Andreas Reckwitz bekommt einen Leibniz-Preis

Die Jury nennt den Viadrina-Forscher einen der "originellsten Gesellschaftsdiagnostiker der Gegenwart". Er ist einer von zehn Preisträgern.

Die Leibniz-Preise 2019 gehen an vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Lebenswissenschaften sowie den Natur- und Ingenieurswissenschaften. Das hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am Donnerstag in Bonn bekannt gegeben.

Der Soziologe Andreas Reckwitz erfuhr von der Ehre erst anderthalb Stunden vor der Öffentlichkeit. "Ich war ganz baff und konnte es erst kaum glauben", sagte er dem Tagesspiegel. Reckwitz ist Professor für Vergleichende Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Die Leibniz-Preis-Jury bezeichnet ihn als "einen der führenden und originellsten Gesellschaftsdiagnostiker der Gegenwart".

In seiner Forschung beschäftigt er sich mit dem Strukturwandel moderner westlicher Gesellschaften. Im Buch "Die Gesellschaft der Singularitäten" vertritt er die These, dass es heute vor allem darum geht, sein eigenes Profil zu schärfen und das Besondere herauszustellen. Den Preis sieht Reckwitz als eine Auszeichnung für seine Forschung der vergangenen 20 Jahre, "aber er ermutigt mich auch, weiterzumachen und vielleicht einen neuen Forschungsbereich aufzubauen", etwa zur Kulturtheorie spätmoderner Gesellschaften. Gleichzeitig wolle er versuchen, noch mehr internationale Kontakte zu knüpfen.

Roboter, Frauenrechte und Membranen

Mit dem Knüpfen von Kontakten befasst sich auch Sami Haddadin, Robotik-Forscher an der TU München. Er erhält den Leibniz-Preis für seine Forschung zur Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Die von ihm konstruierten Roboter bewegen sich menschenähnlich und sind sicher im Umgang mit Menschen – eine Voraussetzung dafür, dass sie in ihrem Umfeld akzeptiert werden, etwa in der Altenpflege. "Robotertechnologie kann viele Probleme lösen, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter oft schwierig machen", sagte Haddadin kürzlich im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Einen Großteil seiner Forschung kommt bereits in modernen Industrierobotern zum Einsatz.

Der Robotiker Sami Haddadin von der TU München.
Der Robotiker Sami Haddadin von der TU München.
© Sami Haddadin

Ayelet Shachar, Professorin für Rechts- und Politikwissenschaften, forscht zu multikulturellen Gesellschaften. Die Direktorin des Max-Planck-Instituts (MPI) in Göttingen beschäftigt sich etwa mit Recht und Religion, Frauenrechten und kultureller Vielfalt. In ihrem Buch "Citizenship und Global Inequality" wirft sie die Frage auf, wie man mit der Ungleichheit umgehen sollte, die daraus resultiert, dass Privilegien wie Staatsbürgerschaft zufällig vergeben werden. Shachar plädiert für bessere Chancenverteilung, etwa durch transnationale Verpflichtungen gegenüber ärmeren Staaten.

Rechts- und Politikwissenschaftlerin Ayelet Shachar vom MPI zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen.
Rechts- und Politikwissenschaftlerin Ayelet Shachar vom MPI zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen.
© Frank Vinken

Matthias Wessling erhält den Preis für seine Arbeiten im Bereich der Membranforschung. Semipermeable, also teildurchlässige Membranen, an denen der Professor der RWTH Aachen forscht, sind wichtige Bestandteile industrieller Prozesse, etwa bei Wasserentsalzung, Abgasbehandlung oder in Hochleistungsbatterien. Die Technik kommt auch in der Medizin zum Einsatz, etwa bei der Dialyse. Derzeit arbeitet der Verfahrenstechniker vor allem daran, künstliche und biologische Membranen zusammenzuführen.

Jeder Preisträger bekommt 2,5 Millionen Euro

Der Physiker Rupert Huber von der Universität Regensburg erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten in der Terahertz- und Festkörperphysik, der Immunologe Hans Reimer-Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg für seine Forschung auf dem Gebiet der Blutbildung. Weitere Preisträger sind Melina Schuh vom MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen, die über Fortpflanzungsbiologie forscht, und Brenda Schulman vom MPI für Biochemie in Martinsried, die für ihre Forschung zu den molekularen Mechanismen des Ubiquitin-Systems im Erbgut geehrt wird. Michèle Tertilt von der Uni Mannheim erforscht, welchen Einfluss Geschlechterrollen und Familienstrukturen auf wirtschaftliches Wachstum haben und der Physiker Wolfgang Wernsdorfer vom Karlsruher Institut für Technologie wird für seine Pionierarbeiten zu Nanomagnetismus und Einzelmolekülmagneten ausgezeichnet.

Der Leibniz-Preis ist der wichtigste Forschungsförderpreis in Deutschland. Die Preisträger wurden aus 122 Vorschlägen ausgewählt und erhalten je ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Das Geld können sie bis zu sieben Jahre lang für ihre Forschungsarbeit verwenden. Die Leibniz-Preise werden am 13. März 2019 in Berlin verliehen.

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