Esa-Sonde gestartet: „Solar-Orbiter“ ist auf dem Weg zur Sonne
Die Idee einer Sonnen-Sonde hatte ein Potsdamer Forscher schon 1994. Seit heute morgen ist der Solar-Orbiter endlich auf dem Weg zu dem Stern.
Ohne Sonne kein Leben: Ihr Licht und ihre Wärme lassen Einzeller, Pflanzen und Tiere gedeihen und somit auch uns Menschen. Doch unser zunehmend technisiertes Leben wird zugleich von der Sonne bedroht. Geladene Teilchen, die sie bei Eruptionen mit bis zu 800 Kilometern pro Sekunde ins All schleudert, können das schützende Erdmagnetfeld durchdringen und Stromnetze zusammenbrechen lassen.
Satelliten, die weiter draußen kreisen, sind umso anfälliger, ihre Elektronik kann geschädigt werden, bis zum Totalausfall. „Je stärker wir von Technik abhängig werden – man denke an selbstfahrende Autos, die auf Navigationssatelliten angewiesen sind – desto stärker ist der Impact einer Sonneneruption“, sagt Joachim Woch vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen.
Er ist maßgeblich am Bau der Forschungssonde „Solar Orbiter“ beteiligt, die am Montag morgen, wie geplant um 5:03 Uhr (MEZ) vom Kennedy Space Center in Cape Canaveral in Florida mit einer Atlas-V-Rakete der Nasa gestartet ist.
Auf ihrer Mission, großteils von der europäischen Raumfahrtbehörde Es mit rund 500 Millionen Euro finanziert, soll die Sonde für mindestens sieben Jahre die Sonne umkreisen und aufklären, wie die Magnetfelder unseres Muttersterns „funktionieren“, die zu den Sonneneruptionen führen. Diese Erkenntnisse, so hoffen die beteiligten Forscherinnen und Forscher, können beitragen, sich rechtzeitig gegen den Teilchenbeschuss zu wappnen, indem etwa Satelliten aus dem „Sonnenwind“ gedreht oder vorübergehend abgeschaltet werden.
Start für Montag früh, 5:03 Uhr MEZ, geplant
Solar Orbiter ist technisch sehr anspruchsvoll. Die Sonde wird der Sonne bis auf 42 Millionen Kilometer nahe kommen, das ist etwa ein Viertel der Distanz Erde–Sonne und dichter als die Umlaufbahn des Planeten Merkur. Sie trägt einen Hitzeschutzschild aus Titan, der mit einer Kalzium-Phosphat-Verbindung beschichtet ist und dauerhaft 500 Grad Celsius aushält. In dem Schild sind Löcher, hinter denen sich zehn Messinstrumente befinden und ungefähr bei Zimmertemperatur arbeiten.
Nicht alle „schauen“ in Richtung Sonne, einige messen auch die Effekte des Sonnenwinds in größerer Entfernung, sozusagen neben der Sonde. Die meisten haben Filter, die nur einen Bruchteil der Strahlung zu den empfindlichen Apparaten vordringen lassen.
Die 1,8 Tonnen schwere Sonde wird die Magnetfelder der Sonne genau untersuchen. Wo sie sich abrupt verändern, entstehen Sonneneruptionen. Auch der Sonnenzyklus, bei dem sich binnen elf Jahren eine Zeit mit vielen Sonnenflecken mit einer eher ruhigen Phase abwechselt, hängt damit zusammen.
Dynamo in der Sonne
Im Groben ist der Prozess klar: Das Plasma im Inneren des Sterns bewegt sich und es entsteht gemäß des Dynamoeffekts ein Magnetfeld. Tatsächlich sind die Strömungen sehr dynamisch und es gibt weitere lokale Magnetfelder. Zudem polt sich das Hauptfeld alle elf Jahre um. „Was da im Detail passiert, haben wir noch nicht verstanden“, sagt Woch. Solar Orbiter soll die offenen Fragen beantworten helfen.
Woch ist am Instrument „PHI“ (Polarimetric and Helioseismic Imager) beteiligt. Es blickt wie ein Fernrohr auf die außen liegende Photosphäre der Sonne. Es soll die Polarisation, also die Schwingungsrichtung der Lichtwellen messen. Diese verändert sich je nach Orientierung und Stärke des Magnetfelds. Je näher PHI der Sonne kommt, umso besser ist die Auflösung, es sind mehr Details der verwobenen Magnetfelder zu erkennen.
Zudem kann der Apparat indirekt auch tiefere Schichten erkunden. Denn die Wechselwirkung zwischen Plasmaströmen und Magnetfeldern versetzen den Stern in Schwingungen, die sich an der Oberfläche zeigen und die PHI messen kann. Die Forscher hoffen, besser zu verstehen, wie die Felder entstehen.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist „STIX“ (Spectrometer/Telescope for Imaging X-rays). Es analysiert harte Röntgenstrahlung, die in der Korona der Sonne entsteht und ebenfalls von den Eigenschaften der Magnetfelder abhängt. „Damit wollen wir vor allem Vorgänge aufklären, die zur Bildung von Flares führen – plötzlichen Energieausbrüchen auf der Sonnenoberfläche“, sagt Gottfried Mann vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam, dessen Team für die bildgebende Einheit des STIX verantwortlich ist.
Ein erster Blick auf die Pole des Zentralgestirns
Für ihn geht ein Traum in Erfüllung. „1994 habe ich mit Kollegen des Max-Planck-Instituts in Göttingen einen ersten Vorschlag für eine Solar-Orbiter-Mission formuliert“, erzählt er. Es folgte das übliche Auf und Ab: die Mission kam auf Vorschlagslisten, fiel runter, kam wieder drauf, bis sich die Esa 2011 endgültig dafür entschied.
Indem die diversen Instrumente gemeinsam die gleichen Sonnenregionen beobachten, können die Forscher anhand der verschiedenen Daten ihre Modelle überprüfen und verbessern. Da die Sonde während der Vorbeiflüge für einige Tage nahezu synchron mit dem Stern rotiert, kann sie das Geschehen in den jeweiligen Regionen über einen längeren Zeitraum verfolgen.
Anfangs wird Solar Orbiter auf der Äquatorebene der Sonne kreisen und schaut auf deren „Bauch“, im Lauf der Mission wird sie diese Bahn verlassen und steiler fliegen, um auch in Richtung der Pole zu blicken – eine Premiere in der Sonnenforschung.
Selbst grundlegende Eigenschaften aus diesen Breiten sind noch unbekannt, etwa die Magnetfelder an der Oberfläche des heißen Plasmaballs oder seine Rotationsgeschwindigkeit. „Ohne das Puzzlestück, das uns an den Polen fehlt, lässt sich die Sonne in ihrer Gesamtheit nicht verstehen“, sagt Sami Solanki, Leiter des PHI-Instruments.
Die „Solar Parker Probe“ der Nasa erforscht die Sonne schon seit 2018 und kommt ihr noch näher. Bisheriger Rekord sind 24 Millionen Kilometer, künftig soll es bis auf 6,2 Millionen Kilometer heran- gehen. Kameras hat Parker allerdings nicht – sie würden die Hitze nicht überstehen. Konkurrenz zum Solar Orbiter ist die Sonde aber nicht. Beide werden ihre Daten austauschen – damit wir besser verstehen, wie unser Zentralgestirn funktioniert.