Kein Mindestabstand, Masken wurden kaum getragen: So kam es zu einem „Super-Spreading-Event“ an einer Hamburger Schule
Ein Corona-Massenausbruch an einer Hamburger Schule wurde rekonstruiert. Das Gesundheitsamt gibt einen eindeutigen Rat: Maskenpflicht in Schulen beibehalten.
33 mit dem Coronavirus infizierte Schülerinnen und Schüler, drei kranke Lehrkräfte und darüber hinaus mehrere Fälle in betroffenen Familien, allein 240 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne: Das ist die Bilanz der Corona-Masseninfektion, die im September vergangenen Jahres eine kranke Lehrkraft an der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule auslöst hatte.
Der Fall machte damals als einer der ersten Massenausbrüche in einer Schule bundesweit Schlagzeilen – auch deshalb, weil die Hamburger Behörden lange an der Darstellung festhielten, die Schülerinnen und Schüler hätten sich überwiegend außerhalb der Schule angesteckt.
"Super-Spreading-Ereignisse"
Dass das nicht stimmte, wurde bereits Ende 2020 durch erste Ergebnisse einer Studie des Heinrich-Pette-Institut (HPI) und des Uniklinikums Eppendorf in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Gesundheitsamt Hamburg-Nord klar. Jetzt hat das Gesundheitsamt die genaue Rekonstruktion des Falles vorgelegt, der die Ergebnisse eindrücklich bestätigt – und dringend empfiehlt, die Maskenpflicht in Schulen beizubehalten.
Für die Analyse wurden PCR-Proben nochmals ausgewertet, Betroffene interviewt und die Räumlichkeiten der Schule evaluiert. Der Abschlussbericht gibt einen sehr genauen Einblick in das Infektionsgeschehen, die Rede ist von „Super-Spreading-Ereignissen“.
Auslöser war demnach eine einzige Lehrkraft. Diese steckte zunächst in zwei Unterrichtseinheiten 23 Schülerinnen und Schüler sowie ein weiteres Mitglied des pädagogischen Personals an. In den beiden Einheiten trug die Lehrkraft nur einen Baumwoll-Mundschutz – und auch nur dann, wenn sie in einen nahen Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern trat. Letztere trugen „alle keinen Mundschutz“, wie es in dem Bericht heißt: Das war damals nämlich noch nicht Pflicht.
Ein Klassenraum war nur schlecht belüftet
In einem Klassenraum waren zudem die Belüftungsmöglichkeiten eingeschränkt, weil nicht alle Fenster geöffnet werden konnten und eine Querlüftung erschwert war. Auch „Mindestabstände konnten nicht immer eingehalten werden.“
Am nächsten Tag fand noch in zwei Klassen Unterricht mit besagter Lehrkraft statt – hier wurde später aber nur bei vier Schüler*innen eine Infektion nachgewiesen. Der Unterschied: An diesem zweiten Tag trug die Lehrkraft in der Schule durchgehend Mundschutz und hielt größere Abstände von mehr als 1,5 Metern ein, die Lehrkraft redete auch weniger. "Nachdem ein Krankheitsgefühl auftrat", beendete die Lehrkraft ihre Unterrichtseinheit und verließ die Schule.
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Weitere Infektionen bei Schülerinnen und Schülern, Personal und Familienmitgliedern würden zwar nicht in direktem Zusammenhang mit den Unterrichtseinheiten stehen, heißt es im Bericht des Gesundsheitsamts. Vielmehr könnten dabei „wahrscheinlich“ Pausenkontakte von Kindern zu Freundinnen und Freunden der von der Lehrkraft unterrichteten Klassen eine Rolle spielen.
Unterschiede zwischen zwei Unterrichtstagen
Auffällig sei der „signifikante Unterschied“ der Infektionsrate zwischen den zwei Unterrichtstagen, betonen die Forschenden. Sie machen für die reduzierten Infektionen am zweiten Tag die Verkürzung der Expositionszeiten und „die Veränderung des Verhaltens der infektiösen Person“ verantwortlich – also das durchgehende Tragen der Maske sowie das Einhalten des Mindestabstandes.
Das Gesundheitsamt empfiehlt als Schlussfolgerung eindeutig, die bestehenden Hygieneregeln an Schulen beizubehalten. „Eine Masken-Pflicht für alle innerhalb der Gebäude sollte aufrechterhalten werden, solange die Inzidenz und die Durchimpfungsrate keine Entspannung der Gesamtlage zulassen“, heißt es wörtlich.
Der Bericht dürfte zum Politikum werden
Räume, in denen eine ausreichende Belüftung nicht gewährleistet werden könne, sollten vorerst mit weniger Personen und/oder zeitlich begrenzt genutzt werden.
Der Abschlussbericht dürfte zum Politikum werden – wie schon das Bekanntwerden der Analyse im Dezember 2020. Damals hatte die Schulbehörde die Veröffentlichung der Befunde zunächst verhindert. Heute trifft die Empfehlung des Gesundheitsamtes, es bei der Maskenpflicht in Schulen zu belassen, auf eine politische Großwetterlage, die aktuell genau in die Gegenrichtung geht: Die Maskenpflicht zumindest an Grundschulen wird bundesweit nach und nach aufgehoben - in Berlin seit Beginn dieser Woche.
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