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Die Lage auf den Intensivstationen hat sich deutlich entspannt.
© Fabian Strauch/dpa

Bald Lockerungen für Deutschland?: So entwickeln sich wichtige Kennziffern im Kampf gegen Corona

Weniger Intensivpatienten, weniger Tote, dafür immer mehr Geimpfte: Beim Fokus auf die Sieben-Tage-Inzidenz gehen andere Zahlen unter. Ein Überblick.

Noch vor etwas mehr als einer Woche – am 14. Februar – schien die von der Kanzlerin ausgegebene Zielmarke immer mehr in Reichweite zu rücken: eine bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz von 35. Also nicht mehr als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen.

Ein Wert, ab dem Bund und Länder bei ihrem letzten Gipfeltreffen umfassende Lockerungen in Aussicht gestellt hatten. Wenn die Kitas und Schulen und ab dem 1. März schließlich die Friseure öffnen würden, dann könnten also bald Geschäfte und vieles mehr folgen. So die Hoffnung.

Diese nährte sich aus der Tatsache, dass die Zahl der Neuinfektionen und der Inzidenzwert in wenigen Wochen steil nach unten geschnellt waren. Während das Robert Koch-Institut (RKI) kurz vor Weihnachten noch eine Sieben-Tage-Inzidenz von 198 vermeldete, so lag diese schon am 27. Januar zum (vorerst) letzten Mal über 100. Am 1. Februar gab das RKI den Wert mit 91 an, am 14. Februar dann lag er nur noch bei 57.

Erste Prognosen machten die Runde: Könnte man nicht vielleicht schon die 50 am 1. März geknackt haben? Und könnte es dann mit den Lockerungen nicht auf einmal ganz schnell gehen?

Der Blick auf die Inzidenzwerte der vergangenen und der aktuellen Woche scheinen diese Hoffnung nun aber zunichte zu machen: 59, 57, 57, 58, 60, 61. Was den Wert angeht, so ist nun Stillstand angesagt. Der starke Abwärtstrend ist vorerst gestoppt.

Das Robert Koch-Institut geht in seinem tagesaktuellen Lagebericht sogar davon aus, dass die Fallzahlen wieder steigen werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die ansteckenderen Virus-Varianten der Grund dafür. Ihr Anteil an den Neuinfektionen liegt schon jetzt bei über 20 Prozent.

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Die Zielmarke rückt damit – anders als noch vor einer Woche – immer weiter in die Ferne. Daten zufolge, die der Tagesspiegel von den Gesundheitsämtern zusammenträgt, haben aktuell gerade mal 159 Landkreise oder Kreisfreie Städte eine Sieben-Tage-Inzidenz von weniger als 50. Davon liegen nur 63 unter dem Wert von 35. Der weitaus größerer Teil – nämlich 242 Landkreise oder Kreisfreie Städte – zählen mehr als 50 neue Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. In diesen lebt etwa 64 Prozent der Bevölkerung Deutschlands.

Es könnte also noch Monate dauern, bis alle Öffnungsschritte vollzogen sind – will man diese allein von der Sieben-Tage-Inzidenz abhängig machen. In der Diskussion um diesen einen Wert rücken dieser Tage andere Kennziffern in den Hintergrund, die für die weitere Entwicklung der Pandemie und möglichen Lockerungsperspektiven aber mindestens genauso relevant sind. Ein Überblick.

Die Situation in den Krankenhäusern:

„Das war die kritischste Situation seit es intensivmedizinische Behandlung gibt.“ Diesen Satz ließ Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Ende Januar auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fallen.

Er bezog sich dabei auf den 3. Januar, an dem ein trauriger Höchststand erreicht wurde. Damals befanden sich laut DIVI-Intensivregister 5762 Menschen in Deutschland in intensivmedizinischer Behandlung. Marx sprach von einer extremen Belastung für Ärzte und Pfleger – sowohl körperlich als auch seelisch.

Inzwischen ist die Situation in den Kliniken sehr viel besser als zu Beginn des Jahres, was natürlich mit der insgesamt sinkenden Zahl an Neuinfektionen in den vergangenen Wochen zusammenhängt. Aufgrund der Ansteckungsphase und der sich oft erst in der zweiten Wochen verschlimmernden Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigt sich ein Trend in den Krankenhäusern erst mit Verzug.

Am gestrigen Montag etwa waren noch 3060 Personen in intensivmedizinischer Behandlung. Davon wurden 1779 invasiv beatmet. Ein Rückgang um rund 2700 in weniger als zwei Monaten. „Die Lage hat sich im Vergleich zum Höchststand der zweiten Welle spürbar entspannt“, sagte der designierte Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, jüngst der „Welt“.

„Das bedarf immer noch eines erhöhten Infektionsschutzes und großer Aufmerksamkeit, wir sind aber von dieser Maximalbelastung weg. Das macht mich sehr zufrieden“, sagte Gaß weiter. „Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir sagen können: Wir sind nicht überlastet.“

Die Virus-Mutanten sieht Gaß gelassen: „Selbst wenn die Zahlen auch bei uns plötzlich steigen sollten – was ich nicht glaube –, könnten wir schnell reagieren“, so der DKG-Hauptgeschäftsführer. „Wir können im Notfall kurzfristig Operationen verschieben und innerhalb von drei bis sieben Tagen bis zu 5000 Intensivbetten frei machen.“

Er sprach von großen Erkenntnisgewinn der Krankenhäuser. Es sei nicht nur gelungen, das Gesundheitswesen vor Überlastung zu schützen. „Unsere Mediziner haben bei der Versorgung der Covid-Patienten eine enorme Lernkurve hingelegt. Also bei der Frage, mit welcher Medikation und welchen Therapien es gelingt, schwere Verläufe zu verhindern oder eine Beatmung abzuwenden.“

Für Lockerungen sieht Gaß daher gute Chancen: „Wir könnten in dieser Situation auch mit einer Inzidenz von 50 oder 70 leben und Lockerungen zulassen, ohne dass die Kliniken überlastet sein werden.“

Anders sieht das der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis. Er wandte sich in der „Rheinischen Post“ vom Dienstag dagegen, die Auflagen bereits im März stark zu lockern. Bund und Länder müssten jetzt aufpassen, „das Spiel in der Verlängerung nicht zu verlieren“. Er warnt vor einer dritten Corona-Welle, wenn es schon vor April eine Rückkehr zu einem nur leichten Lockdown wie im November gebe.

Corona-Todesfälle:

Parallel zur Entwicklung auf den Intensivstationen zeigt sich auch ein deutlicher Rückgang bei der Zahl der Corona-Toten. Der Höchststand von 1244 neu gemeldeten Todesfällen war am 14. Januar erreicht worden. Also kurz nachdem auch der Höchststand bei der Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen gemeldet worden war.

Noch am 3. Februar lag die Zahl der binnen 24 Stunden gemeldeten Corona-Todesfälle knapp unter 1000. Seitdem geht die Zahl jede Woche um 100 bis 200 Fälle runter. Vergangene Woche gab es Höchstwerte von rund 500 bis 600 Toten innerhalb eines Tages. Am Dienstagmorgen meldete das RKI 415 weitere Todesfälle.

So viel wurde bisher geimpft:

Fast zwei Monate ist es jetzt her, dass die ersten Impfungen in Deutschland durchgeführt wurden. Was wurde seit dem 27. Dezember 2020 erreicht? Ein Blick auf die Zahlen.

Insgesamt wurden rund 7,5 Millionen Impfdosen nach Deutschland geliefert, davon wurden rund 5,2 Millionen Impfungen verabreicht (Stand: 22. Februar). Der Großteil stammt von dem Hersteller Biontech/Pfizer. 3,4 Millionen Personen (4,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland) haben eine Erstimpfung erhalten, 1,8 Millionen Personen bereits die Zweitimpfung. Das geht aus dem Impfdashboard der Bundesregierung hervor. Demnach werden aktuell im Schnitt 129.697 Impfungen pro Tag verabreicht. Alle 0,7 Sekunden würde eine Impfung durchgeführt.

Wie ebenfalls aus dem Impfdashboard hervorgeht, sind rund 45 Prozent aller Impfdosen an Personen mit sogenannter „beruflicher Indikation“, also in Gesundheits-und Pflegeberufen, verabreicht worden. 40 Prozent entfielen auf Personen über 80 Jahre. Rund 25 Prozent der Impfdosen gingen an Alten-und Pflegeheimbewohner.

So viele Impfdosen erwartet Deutschland in absehbarer Zeit:

„Wir werden auf dem Weg raus aus der Pandemie schneller und besser.“ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angekündigt, dass Deutschland in den nächsten Wochen deutlich mehr Impfstoff erhalten soll. Das Tempo werde sich deutlich erhöhen, verspricht Spahn. Das muss es auch, denn seit Montag steht fest, dass auch Grundschullehrkräfte und Erzieher:innen früher als geplant eine Impfung erhalten sollen. Sie rücken von Priorisierungsgruppe drei in zwei.

Wie „Business Insider“ am Montag unter Berufung auf ein als vertraulich eingestuftes Regierungspapier berichtete, dürften in der laufenden Woche mehr als 2,3 Millionen Impfdosen geliefert werden.

Dazu zählen 1.080.000 Impfdosen von Astrazeneca, 924.300 von Biontech/Pfizer und 343.200 von Moderna. In der kommenden Woche würden insgesamt 1,6 Millionen Impfdosen erwartet, in der Woche darauf dann 2,2 Millionen hieß es.

Laut einem Bericht der Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) rechnet die Bundesregierung in den rund sechs verbleibenden Wochen bis zum Quartalsende insgesamt mit weiteren 10,3 Millionen Impfdosen allein von Biontech/Pfizer und Astrazeneca. Dazu käme der Impfstoff von Moderna, wofür noch keine Gesamtzahl vorliege.

Bis Ende September sollen dem Bericht zufolge nach jetzigem Stand allein von den drei Unternehmen, die bisher über eine Zulassung verfügen, insgesamt 170 Millionen Impfdosen nach Deutschland geliefert werden. Dies würde für eine Komplettimpfung der Bevölkerung ausreichen.

Die Hausärzte drängen darauf, bald in die Verabreichung der Impfdosen miteinbezogen zu werden. Alle drei derzeit in Deutschland verfügbaren Impfstoffe seien entgegen ursprünglicher Annahmen für Hausärzte verwendbar und könnten in den Praxen verimpft werden, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der „Augsburger Allgemeinen“.

„Seit Wochen stehen Hausärztinnen und Hausärzte in den Startlöchern, seit Wochen signalisieren wir der Politik: Wir sind zum Impfen in unseren Praxen bereit“, sagte Weigeldt. Impfen sei seit jeher eine hausärztliche Basisaufgabe.

Seitens des Bundesgesundheitsministeriums heißt es dazu nur: „Wir bereiten alles vor, von der Abrechnungsziffer bis zur Logistik.“ Laut Minister Spahn müssten pro Woche etwa drei bis vier Millionen Dosen geliefert werden, damit dies Sinn mache. Ein genauen Termin hat er aber noch nicht genannt.

Hoffnung, dass es bald soweit sein könnte, macht die Ankündigung des Ministers, dass in den kommenden Wochen zwei weitere Impfstoffe zur Verfügung stehen werden. Bei dem Präparat von Johnson & Johnson sei damit in zwei bis vier Wochen zu rechen, bei dem von Curevac im April oder Mai. Sollten tatsächlich in absehbarer Zeit wesentlich mehr Impfdosen zur Verfügung stehen, wäre das ein weiterer wichtiger Baustein zur Eindämmung der Pandemie.

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