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Schüler und Studierende bei einer Fridays for Future Demo in Berlin.
© John MacDougall/AFP

Students for Future: „Seit Rezo hat sich mein Denken verändert“

Wird bald auch an Berliner Hochschulen mit der Fridays-for-Future-Bewegung gestreikt? Viele machen schon mit. Sechs Studierende berichten über ihre Motivation.

Fridays for Future bald auch an den Berliner Hochschulen? Seit Monaten streiken Schülerinnen und Schüler für ihre Zukunft. Immer mehr Studierende unterstützen sie dabei. Die Klimadebatte hat jetzt auch die Hochschulpolitik erreicht. Jüngst veröffentlichte die Gruppe „Fridays For Future HU“ zusammen mit dem Referent*innenRat der Humboldt-Universität einen Katalog, in dem sie die HU auffordern, sich mit den Klimastreiks zu solidarisieren.

Zudem appellieren die Studierenden an den Berliner Senat, den Klimanotstand auszurufen. Auch an anderen Berliner Hochschulen haben sich Fridays-for-Future-Gruppen gebildet, an der TU findet am 18. Juni dazu eine Vollversammlung statt. Wir haben Studierende gefragt, was sie von den Demos halten. Die Protokolle hat Stephan Detert aufgezeichnet.

Julia Berewinkel
Julia Berewinkel
© Stephan Detert

Julia Berewinkel (22) studiert im 7. Semester Film und Fernsehen an der Hochschule Mittweida. Momentan assistiert sie bei einem Dreh in Berlin. Sie ist überzeugt von den Klimastreiks.

Die Klimastreiks sind eine gute Sache. Gerade weil sie freitags sind. Damit zieht man viel Aufmerksamkeit auf sich. Das triggert etwas in den deutschen Seelen vor allem bei den Konservativen.

Als die Streiks begannen, schrieb ich gerade an meiner Bachelorarbeit, hatte also keine Vorlesungen. Sonst hätte ich auch geschwänzt.

Als ich für die Demo Uni-Termine verschoben habe, kam wenig Verständnis. Ich fände es gut, wenn es von Seiten der Hochschule mehr Toleranz und Akzeptanz geben würde. Die finden unsere Forderungen naiv. Dabei kennen die viele nicht einmal.

Letztendlich kann man niemanden überreden, bei uns mitzumachen. Am Ende zählt die intrinsische Motivation. Aber Leute, die sagen, Vorlesungen und Anwesenheitspflicht seien wichtiger als unser Klima, die haben die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht verstanden.

Özcan Bilken
Özcan Bilken
© Stephan Detert

Özcan Bilken (22), studiert im 6. Semester Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin. Er war noch nie bei den Fridays-for-Future-Demos.

Seit dem Video von Rezo hat sich mein Denken über den Klimawandel extrem verändert. Ich hätte niemals gedacht, dass die Auswirkungen des Klimawandels so immens sein würden. Viele Freunde von mir hatten vor Kurzem noch die gleiche Einstellung. Wir fanden das Rezo-Video erst überspitzt. Darum haben wir uns die ganzen Quellen angesehen und die Statements von Wissenschaftlern gelesen. Am Ende dachten wir uns: So kann es nicht weitergehen.

Die Klimastreiks haben schon eine Auswirkung auf politischer Ebene. Das Problem ist, dass nicht nur wir als Deutsche allein agieren. Die ganze Welt müsste an einem Tisch sitzen. Allein China und Indien haben zusammen fast drei Milliarden Einwohner. Wenn die mitziehen würden, hätten wir schon sehr viel erreicht.

Myriam Rapior
Myriam Rapior
© Stephan Detert

Myriam Rapior (22) studiert Management im Master an der European School of Management and Technology. Sie ist Jugendvertreterin des Umweltverbands BUND und sitzt im Bundesvorstand der BUNDjugend.

Ich habe großen Respekt davor, wie viele Menschen die Fridays-for-Future-Demos mobilisiert haben. Doch selbst wenn wir die gesamte Bevölkerung auf die Straße bekommen würden, fehlt es uns immer noch an politischen Beschlüssen.
Wir möchten, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten wird. Dazu muss sich die Gesellschaft und Wirtschaft verändern. Dafür betreibt der BUND Lobby- und Bildungsarbeit.

Auch die Lehrpläne der Unis müssen angepasst werden. Gerade die BWL wird immer noch so konservativ gelehrt, dass man es erdschädigend nennen muss. Das ist nicht fortschrittlich.

Es ist belastend und ungerecht, dass unsere Generation fast täglich mit dystopischen Zukunftsperspektiven konfrontiert ist. Es ist so schwierig, sich an Debatten zu beteiligen, weil wir nicht gehört und ernst genommen werden. Und ich will nicht noch 20 Jahre warten, bevor ich meine Ideen in die Welt bringen kann. Da bleibt den meisten Jugendlichen keine andere Möglichkeit, als zu streiken – und damit das Gesetz zu brechen.

Thede Mehlhop glaubt, ein komplett leerer Hörsaal hätte Symbolkraft

Thede Mehlhop
Thede Mehlhop
© Stephan Detert

Thede Mehlhop (23) studiert im 6. Semester Energie- und Prozesstechnik an der Technischen Universität Berlin. Er möchte demnächst an den Klimademos teilnehmen.

Von meinen Freunden waren schon einige beim Klimastreik. Ich wäre auch fast hingegangen. Die Faulheit hat mich davon abgehalten. Dabei finde ich es wichtig, für das Klima ein Zeichen zu setzen. Wir haben viel zu spät angefangen, über das Thema zu reden. Immerhin wissen wir schon sehr lange, welche Spätfolgen es geben wird.

Das Problem ist, dass das Thema so abstrakt ist. Wenn ich sehen würde, dass sich hier direkt vor meiner Tür etwas verändert, dann würde ich mich auch betroffener fühlen. So scheint es einfach sehr weit weg. Aber demnächst will ich auch freitags streiken. Wobei ich das nicht als Streik sehe. In meinem Studiengang gibt es keine Anwesenheitspflicht. Der Uni ist es ziemlich egal, ob ich da bin oder nicht. Das bekommt sowieso keiner mit. Es sei denn, der Hörsaal wäre komplett leer, dann hätte das Symbolkraft.

Emilia Weiser (rechts) mit ihrer Tochter Livia
Emilia Weiser (rechts) mit ihrer Tochter Livia
© Stephan Detert

Emilia Weiser (28) studiert Humanmedizin an der Charité Berlin. Zusammen mit ihrer Tochter Livia (9) war sie schon viermal bei den Fridays-for-Future-Demos.

Emilia: Ich gebe meiner Tochter die Möglichkeit, sich in die Sachen einzumischen, die gerade auf dieser Welt passieren. Die nächsten Jahre werden darüber entscheiden, ob wir diesen Planeten noch in guten, gesunden Bahnen weiterführen können oder ob es die ganze Zeit ein Krisenmanagement bleiben wird.

Meine Tochter soll nicht in einer Welt aufwachsen, die zerstört ist durch meine Generation oder die Generation vor mir. Wir brauchen jetzt einen Maßnahmenkatalog, sonst verpassen wir unsere Chance, die Klimaziele bis 2020 zu erreichen.

Livia: Ich will, dass meine Kinder später in einer Welt leben, die für sie in Ordnung ist. Und nicht, dass sie entweder am Verdursten sterben oder an Überschwemmungen. Die Regierung ist wie ein Bär im Winterschlaf. Der wacht auch nur ganz selten auf – wenn überhaupt.

Mit dem Streik haben wir in der Klasse etwas angestoßen. Auch bei meinen Freunden. Die finden das alle gut. Beim ersten Mal waren nur ich und meine Freundin bei der Demo. Später wurde einmal ein Test nicht geschrieben, weil acht Leute aus der Klasse gestreikt haben. Das hat für Aufmerksamkeit gesorgt.

Jonas Ibel
Jonas Ibel
© Stephan Detert

Jonas Ibel (27) studiert Medienwissenschaft an der TU Berlin und schreibt gerade seine Masterarbeit. Er war schon mehrmals bei den Klimastreiks.

Eigentlich wäre es für meine Generation schon angebracht gewesen, etwas auf die Beine zu stellen, oder sogar für die Generation davor. Es war ja bekannt, welche Probleme der Klimawandel mit sich bringt. Dass es jetzt die Klimastreiks gibt, finde ich gut.

Trotzdem: Wenn wir demonstrieren, habe ich nicht das Gefühl, dass wir gehört werden. Das sieht man zum Beispiel daran, dass Fridays-for-Future-Aktivisten, die im Bundestag demonstriert und sich totgestellt haben, ausgebuht wurden. Denen wird kein Gehör geschenkt. Auch in Talkshows werden wir nicht ernst genommen. Wahrscheinlich auch, weil wir so jung sind. Dabei ist das kein Thema, bei dem man mit Erfahrung intelligenter wird. Die Fakten liegen auf dem Tisch und seit 30 Jahren passiert nichts. Man muss keine 40 sein, um das zu verstehen.

Jetzt ist die Zeit, grundsätzliche Dinge anzupacken. Dazu gehört auch, zu überdenken, ob Wachstum das Einzige ist, woran sich die Gesellschaft zu orientieren hat. Am 20. September ist der große Generalstreik. Das heißt, auch Leute, die arbeiten, sollen sich an den Demonstrationen beteiligen. Ich hoffe, dass dann viele kommen werden. Nur, wenn große Unternehmen und die Politik das Thema Klimaschutz mit Respekt behandeln, kann sich etwas ändern.

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