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In Bewegung. Noch wird in Berlin verhandelt, ob die Bafög-Mittel in Hochschulen, Schulen oder Kitas fließen. Die Berliner Hochschulen würden mit dem Geld gerne ihren Sanierungsstau abbauen. Sie sollten ihre Hoffnungen nicht zu hoch schrauben.
© Doris Spiekermann-Klaas

Wohin mit dem Geld aus dem Bafög-Kompromiss?: Seid umschlungen, Bafög-Millionen!

1,17 Milliarden Euro mehr können die Länder für Bildung ausgeben. In Berlin will jeder was vom Kuchen, der Kampf um die Millionen hat begonnen. Andere Bundesländer haben sich bereits entschieden, was mit dem Extra-Geld geschehen soll.

Hörsäle und Labore vergammeln: Ein großes Bauprogramm für die Berliner Hochschulen hat darum Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität, im Tagesspiegel gefordert (Tsp. vom 30. Juli). Berlin solle dafür diejenigen Mittel verwenden, die es sich vom nächsten Jahr an für das Bafög spart. Denn dann übernimmt der Bund den Anteil der Länder am Bafög. So wurde es im Mai verabredet. Welche Chancen hat Olbertz’ Vorschlag?

Im Berliner Senat wird der dramatische Sanierungsstau bei den Hochschulen anerkannt. Beziffert wird er auf eine Milliarde Euro. Die Verwaltung sei auch schon dabei, gemeinsam mit den Hochschulen den genauen Bedarf zu erfassen, erklärt Sprecher Thorsten Metter auf Nachfrage. Dann solle ein „Konzept zur Hochschulsanierung“ erstellt werden. Wie beim „Masterplan“ der Charité solle damit „die Sanierung in fest definierten und verlässlichen Schritten in Angriff genommen werden und in den nächsten Haushaltsberatungen im Fokus stehen“, also im nächsten Jahr diskutiert werden. Welchen Umfang das Programm ungefähr haben sollte, sagt Metter nicht.

Berlin kann mit bis zu 85 Millionen Euro rechnen

Mit Blick auf die Bafög-Millionen ist das sowieso unmöglich. Anders als in vielen anderen Bundesländern ist in Berlin noch nicht geklärt, wohin die Bafög-Millionen – je nach Berechnungsart zwischen 65 und 85 Millionen Euro jährlich – fließen.

Es beginnt beim Finanzsenator. Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD) will sich zwar an die Verabredung von Bund und Ländern halten: Das Geld soll in Schulen und Hochschulen fließen. Aber nicht etwa in neue Segnungen: Ab dem kommenden Jahr müsse Berlin für Bildung ohnehin schon 173 Millionen Euro mehr ausgeben, „die maßgeblich auf die Anforderungen der wachsenden Stadt und die bildungspolitischen Schwerpunkte des Senats zurückgehen“, erklärt Nußbaums Sprecher Jens Metzger auf Anfrage. „Die Bafög-Entlastung hilft dem Land also, einen Teil dieser zusätzlichen Bildungsausgaben zu finanzieren.“ Neue Spielräume gebe es durch die Entlastung des Bundes nicht.

Löwenanteil für Hochschulen?

Natürlich stellen sich die Fachpolitiker der SPD-Fraktion das anders vor. Hinter den Kulissen ringen sie darum, wie viel vom großen Kuchen jeweils neu in Kitas oder Schulen oder aber in Hochschulen fließen soll. Lars Oberg (SPD), Mitglied der Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft, meint, den Hochschulen stünde der Löwenanteil der Millionen zu. Es gehe schließlich überwiegend ums Studierenden-Bafög, nur zu einem kleineren Teil ums Schüler-Bafög. Oberg wirbt schon länger für ein großes Investitionsprogramm für die Hochschulen.

Der Arbeitskreis Bildung, Jugend, Familie, Wissenschaft und Sport der SPD-Fraktion hat laut Oberg schon empfohlen, die Mittel für Projekte auszugeben, die investiven und qualitativen Verbesserungen im Bildungswesen dienen. Aber wie die Summe auf Kitas, Schulen und Hochschulen aufgeteilt wird, steht noch nicht fest. Auch die CDU-Fraktion hat noch keine „Priorisierung“ für die jeweiligen Bereiche vorgenommen, teilt ihr Sprecher Michael Thiedemann mit.

Andere Länder sind weiter - und werden von Wanka kritisiert

Der Arbeitskreis der SPD will sich am Ende der Sommerpause mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres treffen. „Wir werden einen guten Kompromiss finden“, sagt Björn Eggert, der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. „Schließlich müssen wir gegen Nußbaum zusammenhalten.“ Eggert selbst möchte das Berliner Schul- und Sportstättensanierungsprogramm besser ausstatten. Das möchte auch der Rat der Bezirksbürgermeister, von Unis ist nicht die Rede. Und von Scheeres wird hinter den Kulissen behauptet, sie sympathisiere besonders damit, einen größeren Anteil der Bafög-Millionen in die Kitas zu leiten. Für die Berliner Hochschulen könnte also am Ende wenig übrig bleiben.

Viele Länder sind in der Entscheidungsfindung schon weiter als Berlin. So wurde bekannt, dass Niedersachsen mit dem Geld eine dritte Erzieherin für Kita-Gruppen finanzieren will – was eine heftige Diskussion auslöste, weil die Mittel eigentlich in Schulen und Hochschulen fließen sollen. Bundesbildungsministerin Wanka beschwerte sich in einem Brief an Ministerpräsident Stephan Weil: Für Kitas habe der Bund bereits genügend Geld zur Verfügung gestellt. Weil konterte Ende vergangener Woche: Die Verwendung von Haushaltsmitteln eines Landes sei „nach unserer verfassungsmäßigen Ordnung“ ausschließlich Sache des Landes, die frühkindliche Förderung halte er für besonders wichtig, berichtete die dpa. Auch Mecklenburg-Vorpommern scheint damit zu liebäugeln, zumindest einen Teil des Geldes für Kitas zu verwenden. Eine endgültige Entscheidung steht hier noch aus.

Hessen gibt die Bafög-Millionen vollständig den Hochschulen

Eine Reihe von Ländern will sich aber durchaus an die Vereinbarung halten, die frei werdenden Mittel komplett für ihre Hochschulen und Schulen zu verwenden – mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Einige stecken alles in einen der beiden Bereiche. Andere wiederum teilen das Geld auf, wobei die Schlüssel unterschiedlich sind.

Ein Land, das die gesamte Summe in seine Hochschulen investiert, ist Hessen. Die schwarz-grüne Regierung richtet mit den frei werdenden 81 Millionen Euro einen „Sonderfonds Hochschulen“ ein. Der Wissenschaftsminister kündigte an, das Geld aus dem Fonds werde ihm mehr Spielraum geben, wenn die Landeszuschüsse für die Hochschulen neu verhandelt werden. Das muss bis 2016 geschehen sein. Dann läuft der aktuelle Landeshochschulpakt aus, der die Finanzierung regelt.

Mehr als 700 neue Lehrerstellen in Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein wiederum konzentriert das gesamte Bafög-Geld (36,4 Millionen Euro) auf die Schulen. Bis 2017 sollen so 728 neue Lehrerstellen finanziert werden. Wegen des Schülerrückgangs in den kommenden Jahren sollten im Norden ursprünglich allerdings sehr viele Lehrerstellen gestrichen werden. Der geplante Abbau wird auch jetzt nicht vollständig kompensiert, was die Opposition heftig kritisierte. Die Hochschulen protestierten naturgemäß ebenfalls: Sie hatten sich die Hälfte des Betrags gewünscht. Ganz leer sollen sie aber nicht ausgehen. Schleswig-Holstein hatte bereits zehn Millionen Euro zurückgelegt, um eine Bafög-Erhöhung finanzieren zu können. Das Geld wird nun nicht mehr benötigt, es soll jetzt als Einmalzahlung an die Hochschulen überwiesen werden.

Deutlich mehr Länder wollen mit den frei werdenden Mitteln Schulen und Hochschulen gleichzeitig beglücken. Das Saarland reserviert fünf Millionen Euro für die Hochschulen, eine Million für Ganztagsangebote an Schulen. In Sachsen soll das Studierenden-Bafög (56 Millionen Euro) den Hochschulen zugutekommen, das Schüler-Bafög (27 Millionen Euro) den Schulen. Jeweils hälftig vergeben Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg das Geld. Im Südwesten speist sich aus den Bafög-Mitteln (die Hälfte für die Hochschulen entspricht 60 Millionen Euro im Jahr) teilweise eine Erhöhung der Grundfinanzierung für die Hochschulen. Diese soll bis 2020 um insgesamt 1,1 Milliarden Euro an frischem Geld steigen. Dieselbe Summe kommt noch einmal durch die Verstetigung von bisherigen Landeshochschulprogrammen hinzu, wie Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) ankündigte.

Auch Brandenburg hat sich noch nicht festgelegt

In Brandenburg ist die Sache dagegen ebenfalls noch nicht entschieden. Die Regierungsfraktionen sind sich zwar einig, das Geld nur für Schulen und Hochschulen zu verwenden. Noch wird aber diskutiert, wie die 35 Millionen Euro verteilt werden. Das Wissenschaftsministerium hat zwei Schwerpunkte identifiziert: Es will die Geowissenschaften stärken und die deutsch-polnische Hochschulkooperation ausbauen.

Anja Kühne, Tilmann Warnecke

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