Ökologie: Seebären im Klimastress
Steigt die genetische Vielfalt einer Art, galt das bislang als gutes Zeichen. Aber dem ist nicht immer so.
Einst gab es Millionen Antarktischer Seebären auf den Südlichen Shetland- und anderen Inseln nahe der Antarktis. Dann dezimierten Robbenjäger den Bestand innerhalb von nicht einmal 40 Jahren so gründlich, dass Arctocephalus gazella 1830 als ausgestorben galt. Doch hundert Jahre später tauchte eine Kolonie dieser Ohrenrobben in Südgeorgien auf. Durch strenge Schutzmaßnahmen wurden aus den wenigen Tieren bald wieder einige Millionen.
Steigt die genetische Vielfalt einer Population, die auf so wenige Tiere und damit eine sehr geringe genetische Vielfalt zurückgeht, galt das bislang als gutes Zeichen für eine Erholung der Art. Bei Antarktischen Seebären steigt diese Genvariabilität. Doch die Forscher Jaume Forcada vom Britischen Antarctic Survey und Joseph Ivan Hoffman von der Universität Bielefeld fanden heraus, dass die höhere genetische Vielfalt von Arctocephalus gazella trügerisch und eher ein Symptom für einen erneuten Rückgang der Population ist.
30 Jahre Seebären-Forschung
Dafür untersuchten Forcada und Hofmann nicht nur die Gene, sondern auch die individuellen Reproduktionsfähigkeiten und Überlebenschancen der Tiere über mehrere Generationen zwischen 1982 und 2012. Außerdem bezogen sie Informationen über die Menge von Krill, die Hauptnahrung der Robben, und die Wetterbedingungen der Region ein.
Dabei fanden sie heraus, wie sie im Fachblatt „Nature“ schreiben, dass die genetische Variabilität neugeborener Seerobben sich im Laufe des Beobachtungszeitraums nicht verbessert hatte. Die höhere genetische Variabilität der Gesamtpopulation kommt nur deshalb zustande, weil Tiere, deren genetische Variabilität gering ist, in diesem Zeitraum früher als üblich gestorben sind. Daher erreichen vor allem die Tiere mit höherer Genvariabilität das fortpflanzungsfähige Alter – allerdings spät und nicht häufig genug. Das hat Folgen: Die Forscher messen einen Rückgang der Population um 25 Prozent.
Zu wenig Krill
Die Ursache dafür liegt in der sinkenden Krill-Menge. Durch die Wetterbedingungen, Fischerei und mehr Wale in der Region wird die Nahrungsgrundlage der Tiere reduziert. Diesem Umweltstress waren Seebären mit geringer Genvariabilität weniger gut gewachsen. Hätten die Forscher nur das Erbgut der Robben untersucht, hätten sie der Art wohl fälschlich eine rosige Zukunft gezeichnet. Dabei sieht es für die Seebären wieder einmal eher düster aus.