Jahrhundertereignis Venus-Transit: Schönheitsfleck auf der Sonne
Seltenes Spektakel am Himmel: In der Nacht zu Mittwoch schiebt sich die Venus zwischen Sonne und Erde. Das nächste Mal lässt sich dieses Ereignis erst wieder im Dezember 2117 beobachten.
Wer den Venustransit im Juni 2004 verpasst hat, bekommt nun eine letzte Chance, das planetare Schauspiel zu bewundern. In der Nacht zu Mittwoch wird kurz nach Mitternacht (MESZ) unser Nachbarplanet zwischen Erde und Sonne treten und als kleiner schwarzer Fleck über die Sonnenscheibe wandern. Das Ereignis mag weniger spektakulär aussehen als eine Sonnenfinsternis, bedeckt die Venus doch nur einen Bruchteil der Sonne. Dafür ist es selten. Weil die Umlaufbahnen von Venus und Erde um 3,4 Grad gegeneinander gekippt sind, kommt ein Venustransit nur vier Mal in einem Zyklus von 243 Jahren vor. Das nächste Mal steht er erst wieder im Dezember 2117 an.
Beobachter dürfen sich in einer großen wissenschaftlichen Tradition wähnen. Bereits Anfang des 17. Jahrhunderts hatte Johannes Kepler mit den nach ihm benannten Gesetzen die Planetenbahnen beschrieben und maßstabsgerecht die räumlichen Verhältnisse des Sonnensystems geklärt. Nur eine Größe blieb im Dunkeln: der Maßstab selbst, nämlich die astronomische Einheit, welche für den mittleren Abstand der Erde von der Sonne steht. Aber wie sollte ein Erdenbürger diesen Abstand messen?
Den entscheidenden Einfall hatte 1716 der britische Astronom Edmond Halley. Er schlug vor, dass sich die Astronomen kommender Generationen über den Planeten verteilen, um die Venustransits 1761 und 1769 von ihren Positionen aus zu dokumentieren und ihre Daten zusammenzuführen. Durch trigonometrische Berechnungen, basierend auf der unterschiedlichen Dauer des Durchgangs, ließe sich dann die astronomische Einheit bestimmen. Der Grund: Vom indonesischen Jakarta aus betrachtet würde die Venus einige Minuten länger brauchen, um an der Sonne vorbeizuziehen als vom sibirischen Tobolsk aus. Der Blickwinkel auf Venus und Sonne ist jeweils ein anderer. Allerdings konnte der Venustransit von 1761 in Gänze nur von Nordskandinavien, Russland und den damaligen Kolonien in Ostasien aus beobachtet werden.
Vor allem dem Werben des französischen Astronomen Joseph-Nicolas Delisle bei den Akademien der Wissenschaften ist es zu danken, dass fast 250 Wissenschaftler bereitstanden. Die Akademien wiederum bewegten die Könige ihrer Länder dazu, die nötigen Mittel für die Expeditionen zur Verfügung zu stellen, schließlich dürfe ihr Land doch nicht zurückstehen! Sie holten die Ostindienkompanien hinzu und nutzten deren Schiffe und Infrastruktur. Während die Staaten noch bis 1763 den Siebenjährigen Krieg ausfochten, kooperierten die Astronomen über die Grenzen hinweg und scheuten keine beschwerliche Reise, um das erste internationale Forschungsgroßprojekt anzugehen.
Forscher hoffen auf neue Erkenntnisse
Der Erfolg war mäßig. Mancherorts verdeckten Wolken den Blick auf die Sonne, einige Forscher hatten infolge der Kriegswirren nicht einmal ihren Beobachtungsstandort erreicht. In Schweden wiederum wurden die wissenschaftlichen Beobachtungen von einem Public Viewing mit allerhand Prominenz begleitet. Die lärmenden Besucher machten eine genaue Aufzeichnung der Dauer des Durchgangs unmöglich. Zwar hatte in Russland der Gelehrte Michail Lomonossow unverhofft die Atmosphäre der Venus entdeckt. Er hatte die Unschärfe richtig gedeutet, die die Venusatmosphäre auf dem Rand der Sonnenscheibe verursachte und die auch andere Wissenschaftler bei ihren Aufzeichnungen irritierte. Doch das eigentliche Ziel, die Bestimmung der astronomischen Einheit, wurde verfehlt. Zwischen 124 und 159 Millionen Kilometer betrage der Abstand der Erde von der Sonne, errechneten die Wissenschaftler. Genauer ging es nicht.
Der zweite Anlauf 1769 brachte bessere Ergebnisse. Erneut beteiligten sich etwa 250 Astronomen, allein Großbritannien stellte mehr als 80 Beobachter. James Cook, selbst Kartograf und Astronom, war zu diesem Zweck zu seiner ersten Südseereise aufgebrochen. Am Tag des Transits hatten wiederum einige Wissenschaftler mit Wolken zu kämpfen. Immerhin aber waren die Forscher auf den verwirrenden Effekt der Venusatmosphäre vorbereitet. Auch die Bedingungen für die Beobachtung waren günstiger. Die Venus zog an einer anderen Stelle über die Sonne, und die Dauer des Transits variierte von Ort zu Ort mehr als 1761. Nach Auswertung der Daten wurde der Abstand zur Sonne auf 151 bis 154 Millionen Kilometer geschätzt. Was recht genau ist, der heute gültige Wert liegt bei 149,6 Millionen Kilometern.
Inzwischen spielen Venustransits in der Wissenschaft keine so große Rolle mehr. Für die Suche nach Planeten in weit entfernten Sonnensystemen erhofft man sich dennoch Hinweise, sagt Pascal Hedelt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Diese Exoplaneten werden unter anderem durch Transits über ihr Zentralgestirn erkannt. „Wir haben ja gerade ein Jahr mit hoher Sonnenaktivität und entsprechend vielen Sonnenflecken“, sagt der Forscher. „Mit den Beobachtungen des Venustransits hoffen wir, besser zwischen Sonnenflecken auf dem Zentralgestirn und tatsächlichen Planetentransits unterscheiden zu können.“