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Zu den gesuchten Lagerstätten gehören Metallabscheidungen an heißen Quellen, den "Schwarzen Rauchern".
© Nautilus Minerals

Rohstoffe: Schatzkammer Meeresboden

Bald sollen Rohstoffe aus der Tiefsee gewonnen werden. Ingenieure tüfteln an Verfahren, mit denen das gelingen kann. Welche Folgen der Abbau für die Umwelt hat, ist bisher noch kaum erforscht.

Die Rohstoffpreise steigen – und lassen so auch jene Lagerstätten lukrativ erscheinen, die lange Zeit als „nicht abbauwürdig“ galten. Längst haben die Bergbaufirmen auch die Tiefsee ins Auge gefasst. Dort lagern gewaltige Mengen an Edel- und Hightechmetallen. Aber noch fehlt es an der Technik, um diese zu bergen. Ingenieure tüfteln daher an Spezialgeräten wie autonomen Schürfrobotern und gigantischen Staubsaugern, die künftig das Erz vom Meeresgrund heraufholen sollen. Hinzu kommt: Bisher ist kaum erforscht, welche Folgen die Rohstoffgewinnung für die sensiblen Ökosysteme in den Ozeanen hat.

Gleichwohl könnte der Tiefsee-Bergbau bald beginnen. Bereits im nächsten Jahr will das kanadische Unternehmen „Nautilus Minerals“ Gold, Silber und Kupfer aus etwa 1600 Meter Tiefe vor der Küste von Papua-Neuguinea fördern. Etwa zehn Fußballfelder groß ist das „Solwara 1“-Areal, für das die Firma eine Schürflizenz hat. In diesem Gebiet der Bismarcksee sprudelt aus Unterwasserquellen seit Jahrtausenden bis zu 400 Grad heißes Wasser. Aufgeheizt wird es durch die Hitze einer Magmakammer, die unter dem Meeresboden liegt. Auf ihrem Weg nach oben lösen die heißen Schwaden Schwefel und Edelmetalle aus dem Gestein. Im Kontakt mit dem kalten Meerwasser fallen die gelösten Stoffe als Metallsulfide aus und formen bis zu 20 Meter hohe Schlote, die „Schwarzen Raucher“.

Rohstoffsuche. Mit Forschungsrobotern suchen Geowissenschaftler nach Erzvorkommen in der Tiefsee.
Rohstoffsuche. Mit Forschungsrobotern suchen Geowissenschaftler nach Erzvorkommen in der Tiefsee.
© Nautilus Minerals

Mit Probebohrungen und ferngesteuerten U-Booten konnten die Nautilus-Ingenieure erste Brocken zur Oberfläche bringen. Und die hatten es in sich. Mehr als sieben Kilogramm Kupfer, dazu 32 Gramm Silber und rund sechs Gramm Gold könnten aus jeder geförderten Tonne Gestein gewonnen werden. Diese Konzentrationen sind etwa zehnmal größer als in Erzlagerstätten an Land.

Doch wie sollen die Erze tonnenweise geborgen und an Land geschafft werden? „Wir stehen dazu an der Spitze der Entwicklung“, ist Nautilus-Chef Steve Rogers überzeugt. Geplant ist, wasserdichte und druckfeste Raupenfahrzeuge in der Bismarck-See zu versenken. Ferngesteuert von einem Mutterschiff auf dem Meer könnten sie mit hydraulisch bewegten Roboterarmen dem Tiefseegestein zu Leibe rücken. Rotierende Fräsen, angetrieben durch wasserdicht gekapselte Elektromotoren, sollen die Schlote abrasieren. Bohrer könnten die rund 200 Meter dicken, goldhaltigen Ablagerungen aufbrechen.

Über Kameras und Ortungssensoren kontrolliert werden Baggerraupen die Gesteinsbrocken zu einer speziellen Plattform schaffen. Über diese Unterwasserzentrale laufen nicht nur die armdicken Stromkabel, Druckluftschläuche und Datenleitungen bis zum 1600 Meter höher schwimmenden Mutterschiff. Angedacht ist auch ein Zerkleinerer, der wie im Bergbau an Land mit Gewalt das Gestein in kleinere Brocken aufbricht. Sonst bestünde überhaupt keine Chance, das begehrte Erz an die Oberfläche zu holen.

Können sich die Tiefsee-Pioniere für Fräsen, Bagger und Gesteinsbrecher viel aus dem konventionellen Bergbau abgucken, betreten sie für ihren Aufzug zum Mutterschiff technisches Neuland. Einfach Förderkörbe an einem Stahlseil abzulassen und prall gefüllt an die Oberfläche zu hieven, kommt nicht infrage. Zu schwer wäre allein das Seil, das von einer riesigen Winde an Bord des Schiffes abgerollt werden müsste. Alle Hoffnung liegt daher auf einer Art Tiefseestaubsauger mit kilometerlangem Saugrüssel.

Mit diesen „Airlift“-Systemen saugen heute bereits Diamantensucher vor der Westküste Afrikas ihre Funde vom Meeresboden in wenigen hundert Meter Tiefe auf. Dazu pumpen sie kleine Luftblasen in die untere Öffnung eines Stahlrüssels mit etwa einem halben Meter Durchmesser. Diese sausen darauf direkt nach oben. Mit zunehmender Höhe verringert sich der Luftdruck rapide und lässt die Luftblasen wachsen. Dadurch entwickelt sich eine starke Saugkraft, die über zusätzliche Pumpen an Bord des Förderschiffs noch verstärkt werden kann. Gesteinsbrocken von wenigen Zentimetern Durchmesser werden so mitgerissen. Größer dürfen sie nicht sein, da sie sonst zu schwer wären. An Bord ergießt sich dann ein Schwall aus Luftblasen, Wasser und Erzsteinchen.

Erste Testläufe mit dem „Airlift“ in der 1600 Meter tiefen Bismarcksee erwarten nicht nur die Nautilus-Ingenieure mit Spannung. Rohstoffsucher aus aller Welt werden das „Solwara 1“-Projekt mit Argusaugen verfolgen. Denn nicht nur Gold, Silber und Kupfer liegen in der Tiefsee. Auch Metalle der Seltenen Erden, die für die Produktion von Handys und Akkus gebraucht werden, sowie Kobalt und Tantal, Molybdän und Iridium finden sich in den schwer zugänglichen Lagerstätten.

Vor allem auf weit ausgedehnte Felder im Pazifik, die mit dunklen „Manganknollen“ bedeckt sind, haben es Industrieländer wie China, Russland, Australien, Korea, Frankreich und auch Deutschland abgesehen. Laut Schätzungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) in Jamaika summiert sich der Wert all dieser Rohstoffe auf fantastische 33 000 Milliarden Dollar.

Diese Manganknolle wurde von deutschen Wissenschaftlern vom Grund des Pazifik geborgen. Sie enthalten viel Mangan, aber auch Kupfer, Cobalt und Zink.
Diese Manganknolle wurde von deutschen Wissenschaftlern vom Grund des Pazifik geborgen. Sie enthalten viel Mangan, aber auch Kupfer, Cobalt und Zink.
© BGR Hannover

Die Ausbeutung dieser Schätze stellt die Forscher aber vor noch größere Probleme als die Goldsucher vor Papua-Neuguinea. Denn die Manganknollen liegen noch viel tiefer. Drei bis sechs Kilometer hoch steht das Wasser über den metallführenden Knollen. Schweres Gerät wie Bagger, Raupen und Steinmühlen gibt es für diese Unterwasserlandschaft, auf der ein enormer Druck von bis zu 600 bar lastet, bisher nicht. „Und rechnen wird sich das auch noch nicht“, sagt Christian Reichert, Experte für Tiefsee-Lagerstätten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover.

An Ideen, wie die Manganknollen eingesammelt werden könnten, mangelt es nicht. Ferngesteuerte Tauchboote könnten mit Greifarmen die Knollen vom Boden klauben. Laufroboter, die wie riesige Spinnen auf dem Meeresgrund spazieren sollen, entwickeln Wissenschaftler am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Bremen. Ausgestattet mit elektronischen Karten und Hochfrequenzsonar könnten sie sich fast selbstständig ohne Fernsteuerung zu den wertvollen Erzen steuern. Einsatzreif sind diese Bergbau-Automaten allerdings noch nicht.

Bis es zum Abbau der begehrten Rohstoffe kommen wird, steht derzeit die Erkundung der weitestgehend unerforschten Unterwasserwelt auf dem Plan. Denn von den rund 320 Millionen Quadratkilometern Tiefseeboden ist bisher nur ein Bruchteil genauer untersucht worden. Unerwartete Schätze fanden dabei nicht nur Rohstoffsucher, sondern vor allem Biologen. Trotz ewiger Dunkelheit, extremen Drucks und kochend heißer Schwaden rund um die Unterwasserquellen birgt die Tiefsee eine einzigartige Lebenswelt aus bisher unbekannten Mikroben, Pflanzen und Tieren. Tausende neue Arten sind allein in den vergangenen Jahren entdeckt worden. Meeresforscher schätzen, dass noch weitere hunderttausende verschiedene Lebewesen auf ihre Entdeckung warten. Sollten diese Biotope durch einen vorschnellen Tiefseebergbau zerstört werden, könnten viele Arten ausgerottet werden bevor sie überhaupt identifiziert wurden.

Um die Umweltfolgen einzudämmen, hat die ISA festgelegt: Für jede Fläche, auf der Unterwasserbergbau betrieben werden soll, müssen die Lizenznehmer ein gleich großes Areal als ökologisches Schutzgebiet ausweisen. Und beim Abbau der Erze soll möglichst wenig Schlamm aufgewühlt werden, um benachbarte Biotope nicht zu vernichten. „Jeder ist bei der Exploration gezwungen auch Umweltdaten vorzulegen“, sagt Reichert, der die ISA mit seinem Fachwissen berät.

Aber er ist sich auch bewusst, dass Umweltkontrollen in sechs Kilometer Tiefe schwer zu machen sind. Verbindliche Regeln für den Abbau der Tiefsee-Erze gibt es bisher noch gar nicht. Aber es ist angedacht, dass bei den Projekten unabhängige Beobachter das Vorgehen der Unternehmen im Auge behalten sollen.

„Anstatt sich auf das Wohlwollen einiger Firmen zu verlassen, sollte eine Schutzpolitik integraler Bestandteil der internationalen Meeresboden-Regeln werden“, fordert die Tiefseeforscherin Cindy Lee Van Dover von der amerikanischen Duke-Universität. So verfolgt die Wissenschaftlerin auch die Taten der Nautilus-Goldschürfer vor Papua-Neuguinea genau. Denn nicht nur am Meeresboden will sie die empfindlichen Ökosysteme vor einem Rohstoffabbau zumindest teilweise bewahren. Einmal an Bord des Mutterschiffs gespült, dürfen die wertlosen Anteile der geförderten Erze nicht einfach ins Meer geschüttet werden. Denn neben Gold, Silber und Kupfer sind darin Verbindungen enthalten, die die Lebewelt in den oberen Wasserschichten gefährden könnten.

Ganz verhindern lässt sich der Abbau in der Tiefsee kaum. Zu groß ist der Hunger der Industriestaaten auf die Erze – für Smartphones, Computer und Batterien.

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