DAAD hilft Griechenlands Hochschulen: Rettende Reisen nach Athen
Die griechischen Hochschulen leiden am stärksten unter der Südeuropa-Krise. Deutschland hilft mit Geld für den akademischen Austausch: Der DAAD und auch die Rektorenkonferenzen bauen Kooperationen aus.
An der Universität Köln ist das Reisefieber ausgebrochen: Griechenland steht wieder auf dem Flugplan. Seit einem Jahrzehnt arbeiten Kölner Wissenschafter eng mit Kollegen der Aristoteles-Universität in Thessaloniki zusammen, doch durch die Finanzkrise ist der Austausch ins Stocken geraten. Thessaloniki hat kein Geld, um Konferenzen zu organisieren. Umgekehrt kamen die Griechen zuletzt selten nach Köln, weil ihnen Reisemittel fehlten. Altertumsforscher, aber auch Chemiker und Linguisten beider Universitäten legten ihre gemeinsamen Projekte auf Eis. „Akademische Zusammenarbeit lässt sich nicht allein per E-Mail gestalten“, sagt Johannes Müller vom Akademischen Auslandsamt in Köln.
Nun reisen sie wieder. Denn Köln hat sich erfolgreich um Geld aus dem „Zukunftsfonds Südeuropa“ beworben. Über drei Jahre verteilt bekommt die Uni für ihre Griechenland-Projekte 270 000 Euro. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) will mit dem 2013 geschaffenen Zukunftsfonds verhindern, dass krisengeschwächte Länder wissenschaftlich isoliert werden. Der DAAD unterstützt deshalb 84 Kooperationen deutscher Universitäten mit Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern.
In den meisten Fällen finanziert der DAAD einmalige Veranstaltungen wie einen Workshop für Dolmetscher-Studenten in Rom oder eine Linguistik-Konferenz in Santiago de Compostela. Von langfristig angelegten „Hochschulpartnerschaften“ wie der zwischen Köln und Thessaloniki, wo sogar gemeinsame Studiengänge geplant sind, profitiert aber allein Griechenland. So unterfinanziert wie das dortige ist kein anderes europäisches Hochschulsystem. Nach Angaben der European University Association in Brüssel stürzte Griechenland bei den Bildungsausgaben von einem Platz im europäischen Mittelfeld im Jahr 2008 auf den letzten Platz ab, wo es seit 2012 verweilt.
Professoren verloren bis zu 50 Prozent ihres Einkommens
Die Sparmaßnahmen schränken den Hochschulbetrieb massiv ein. Professoren haben bis zu 50 Prozent ihres Einkommens verloren, Postdocs verdienen kaum mehr als 1000 Euro im Monat. Oft teilen sich mehrere Dekane eine Sekretärin. Es gibt Unis, die im Winter nicht mehr heizen, die Kopierer stehen still, und Professoren bringen ihr eigenes Klopapier mit.
Laut einer Studie des Wirtschaftsgeografen Lois Labrianidis von der Universität Makedonien haben 140 000 Wissenschaftler Griechenland verlassen. Auch viele Studierende sehen ihre Zukunft im Ausland, seit 2011 hat sich die Nachfrage der Griechen nach DAAD-Stipendien verdoppelt. Ins Informationszentrum des DAAD in Athen, wo normalerweise Studierende beraten werden, kommen immer häufiger Berufstätige, die auf Arbeit in Deutschland hoffen.
Der Zukunftsfonds soll den Braindrain aufhalten, vor allem der wissenschaftliche Nachwuchs soll wieder eine Perspektive im eigenen Land bekommen. Junge Forscher leiden am stärksten unter der Krise. Nur eine von fünf Stellen wird neu besetzt, 800 Wissenschaftler warten seit zwei Jahren auf Stellen, für die sie in einem strengen Verfahren ausgewählt wurden. Der DAAD hat bei den Förderprojekten deshalb besonders auf Angebote für Nachwuchswissenschaftler geachtet.
Gefördert werden auch Reformen der Studiengänge
Auch die Effizienz des griechischen Hochschulsystems soll der Zukunftsfonds verbessern. Griechische Hochschulabsolventen klagen, dass ihr Studium sie zu wenig auf den Beruf vorbereitet. Das liegt daran, dass Griechenland die Bologna-Reform bis auf wenige Punkte wie das Credit-Point-System nicht umgesetzt hat. Die alten Diplomstudiengänge existieren weiter. Gemeinsame Graduiertenschulen, wie es sie dank Zukunftsfonds nun zwischen Athen und Leipzig gibt, oder der binationale Bachelorstudiengang „Didaktik der Chemie“ in Köln und Thessaloniki sollen griechische Hochschulen für den internationalen Austausch fit machen.
Schon vor der Krise galt das Hochschulsystem als reformbedüftig. In den 1980er Jahren überzogen sozialistische Regierungen die Provinz mit einem Netz von Fachhochschulen – zur Stärkung der lokalen Wirtschaft und zur Sicherung von Wählerstimmen. Viele dieser Einrichtungen sind schlecht besucht. Die Fachhochschule im südgriechischen Kalamata konnte im Fach Pflanzenproduktion zuletzt nur sechs von 171 Plätzen besetzen.
Die griechische Regierung tut sich mit dem Umbau solcher Strukturen schwer. Zwar hat sie im April 2013 den „Athene-Plan“ beschlossen, eine Hochschulreform, die Verwaltungspersonal und die Zahl der Hochschulen reduzieren soll. Der Fachschulstandort Messolonghi etwa wurde mit der 40 Kilometer entfernten Fachhochschule in Patras zusammengelegt.
Standortstreichungen: In vielen Regionen fehlen Bildungsangebote
Doch gegen umfassende Reformen wehren sich viele Wissenschaftler. Kritiker verweisen auf die vielen Dörfer und Inseln, die nun ohne Bildungsangebote sind. An der Universität Athen wird seit Herbst 2013 gestreikt, weil Professoren und Studierende die Zusammenlegung von Fachbereichen als Eingriff in die universitäre Selbstverwaltung ablehnen.
Auch den Zukunftsfonds des DAAD sehen nicht alle griechischen Wissenschaftler positiv. Unterstützt werden vor allem Partnerschaften, die schon vor der Krise bestanden – wie die zwischen Köln und Thessaloniki. Denn nur die deutschen Hochschulen durften Geld beim DAAD beantragen, die Griechen mussten ihren Partnern vertrauen und sich auf die inhaltliche Gestaltung der Programme konzentrieren. Unis, die nicht ohnehin mit Deutschland kooperieren, hatten bei dem Bewerbungsverfahren kaum Chancen. Der Leiter des Athener DAAD-Büros, Alexander Roggenkamp, berichtet, dass ihn dennoch viele Hochschulen anriefen, die bisher keinen deutschen Partner hatten.
Auch die HRK will mehr Hochschulpartnerschaften
Eine griechische Wissenschaftlerin aus Berlin, die anonym bleiben will, bezweifelt zudem, dass die Probleme des griechischen Hochschulsystems „auch nur annähernd gelöst werden können, indem man ein paar Euro hineinpumpt“. Von den Kooperationen profitierten vor allem die deutschen Unis. Tatsächlich sind die Gelder nur zur Hälfte für griechische Forscher vorgesehen, die deutschen Unis gewinnen mindestens genauso wie die griechischen. Für den DAAD ist das kein Widerspruch. Er sieht es als seine Aufgabe, den Austausch zu finanzieren – nicht griechische Finanzlöcher zu stopfen.
Unterdessen haben auch die Rektorenkonferenzen Deutschlands und Griechenlands eine Kooperation vereinbart. Man will ebenfalls Unipartnerschaften ausgeweiten – und die Regierungen beider Seiten bei der angemessenen Förderung der Hochschulen beraten.
Sarah Schaschek