"Verlierer" der Exzellenzinitiative: Rette sich, wer kann
Nach der Entscheidung im Elitewettbewerb geht die Angst vor „Exzellenztrümmern“ um. Die Verlierer müssen sich ihre Millionen woanders suchen. An den Unis und in den Ländern gibt es erste Überlegungen, wer einspringen könnte.
Im Präsidium der Freien Universität Berlin (FU) drehte die Sekretärin den Queen-Song „We Are the Champions“ auf. Die Uni Bremen hisste ein Transparent mit der Aufschrift „Exzellent“. An der LMU München knallten die Sektkorken. So feiern Sieger. Doch es gibt auch Verlierer in der Exzellenzinitiative: Mit dem KIT in Karlsruhe und den Unis Freiburg und Göttingen büßten drei Hochschulen ihren Elitetitel ein. Daneben scheiterten sechs Cluster und fünf Graduiertenschulen. Was zum Scheitern geführt hat, erfahren die Betroffenen erst in den kommenden Wochen vom Wissenschaftsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Derweil beginnt die Suche nach den Ursachen, den etwaigen Schuldigen – und nach Rettungsankern.
An der FU ist das Cluster „Languages of Emotion“ (LOE) betroffen, ein gemeinsames Projekt von Geisteswissenschaftlern, Psychologen und Hirnforschern. Beteiligt sind 25 Professoren, drei Juniorprofessoren und knapp 20 weitere Nachwuchswissenschaftler. Außerdem promovieren in den Projekten des Clusters und in einer eigenen Graduiertenschule 142 Jungforscher.
Woran ist LOE gescheitert? Winfried Menninghaus, der das Cluster mit aufgebaut und bis 2010 geleitet hat, spricht von Schwierigkeiten, „die verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen“. Zudem sei das Format eines Clusters mit einem Etat von 30 Millionen Euro für fünf Jahre etwas zu groß gewesen, die Projekte teilweise „sehr ambitioniert“. War also die Zusammenarbeit der Geistes- und Lebenswissenschaftler im Cluster nicht so fruchtbar wie erhofft? Cluster-Sprecher Hermann Kappelhoff, ein Filmwissenschaftler, widerspricht. „Nach vier Jahren“ sei es durchaus gelungen, die sehr unterschiedlichen Weisen wissenschaftlichen Arbeitens zusammenzuführen. LOE habe für die Emotionsforschung „völlig neue Fragestellungen und Perspektiven“ gebracht. „Wir werden Wege finden, die begonnene Zusammenarbeit in einem anderen Rahmen fortzusetzen", sagt Kappelhoff.
FU-Präsident Peter-André Alt, selber Germanist, glaubt, dass das Cluster an der mangelnden Risikobereitschaft der Gutachter gescheitert sein könnte. „Es war ein riskanter Brückenschlag“ – und der hätte mehr Zeit zur Entfaltung seines Potenzials verdient.
Aufsehen hat in der „Rostlaube“, der Heimat der Geisteswissenschaftler, auch eine gläserne Trennwand erregt, die nur Clustermitglieder über einen Nummerncode passieren können. Wird diese Gated community jetzt aufgelöst? Alt winkt ab: Das sei sei kein Symbol der Abschottung, sondern eine Maßnahme gegen zufällige Passanten, die sich früher im komplizierten Gangsystem verlaufen hätten.
Ernsthaft kritisiert wird an der FU die Zusammensetzung der Gutachtergruppe. Die darin vertretenen analytischen Sprachphilosophen und Systemlinguisten würden durchweg mit anderen Methoden arbeiten als die Literatur-, Film- und Theaterwissenschaftler im Cluster. Geurteilt wurde gleichwohl mit einer Strenge, an der schon viele kulturwissenschaftliche Cluster gescheitert sind – zuletzt das „Tübinger Zentrum für Linguistik“.
Jetzt erwartet man in Dahlem mit Spannung das Urteil der DFG. Denn davon hängt auch ab, wie es für LOE weitergeht. Wie alle ausgeschiedenen Cluster erhält das Projekt in diesem Jahr noch bis zu 70 Prozent der bisherigen Fördersumme und im kommenden Jahr bis zu 40 Prozent. So sollen laufende Versuchsreihen zu Ende geführt sowie Dissertationen und Habilitationen abgeschlossen werden können. Doch der ursprüngliche Plan, das Cluster nach dem Ende der Exzellenzinitiative 2017 möglichst in ein „Einstein-Zentrum für Neurowissenschaften und Humanities“ zu überführen, müsse nach dem Ausscheiden kritisch überdacht werden, sagt Alt.
Aber sollte nicht die 2009 vom damaligen Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) geschaffene Einstein-Stiftung auslaufende Cluster auffangen? Geschäftsführerin Marion Müller dämpft hohe Erwartungen: „Die Einstein-Stiftung ist nicht der Hafen für alle auslaufenden Projekte.“ Denkbar sei allerdings, dass exzellente Teilprojekte Anträge im Programm „Einstein-Forschungsvorhaben“ stellen. Dass es keinen Übernahme-Automatismus gibt, gelte auch für die Projekte, die 2017 mit dem Ende des Wettbewerbs auslaufen. Grundsätzlich solle mit den Einstein-Zentren Neues geschaffen werden, sagt Müller. So werde das kürzlich bewilligte „EC Math“ (Einstein-Zentrum für Mathematik Berlin) nicht identisch mit dem bis 2014 von der DFG finanzierten Forschungszentrum Matheon sein. Hinzu kommen die Berlin Mathematical School und das Deutsche Zentrum für Lehrerbildung in der Mathematik. LOE und auch der abgelehnte Charité-Antrag „GenoRare“ zur Erforschung seltener Krankheiten müssen sich also neue Partner suchen, bevor ein Einstein-Antrag aussichtsreich wäre.
Nächste Seite: Die Einstein-Stiftung konnte auch 2011 ihr Geld nicht ausgeben, braucht aber bald einen viel höheren Etat.
Am Geld sollte die Rolle der Einstein-Stiftung bei der Verstetigung von Exzellenzvorhaben nicht scheitern. Soeben hat das Abgeordnetenhaus den Haushalt 2012/13 mit je 15 Millionen Euro für Forschungsvorhaben bewilligt. Darin enthalten sind acht Millionen Euro, die die Stiftung 2011 nicht ausgeben konnte. Und das, obwohl der Etat der Stiftung schon Anfang 2011 von 35 Millionen auf 15 Millionen Euro zusammengestrichen wurde. Viele Einstein-Programme seien erst Mitte 2011 etabliert worden, sagt Müller. Zu hören ist auch, dass die Spitzenforscher durch die Exzellenzinitiative voll in Anspruch genommen waren und nicht ausreichend gute Anträge gestellt wurden. Doch jetzt mehren sich Forderungen nach einer Etaterhöhung. Wenn die Stiftung ab 2017 Einstein-Zentren aus den Themenkreisen der Exzellenzinitiative fördern soll, brauche sie sehr viel mehr Geld, forderten die Uni-Präsidenten am Freitag nach der Entscheidung.
Für die Zeit, in der die umstrittene Stiftung endlich ihre Rolle für die Förderung der Spitzenforschung in Berlin voll ausfüllen soll, gibt es schon einen Plan: Der Bund finanziert das „Berlin Institute of Health“, in dem die Charité und das Max-Delbrück-Centrum teilweise fusionieren. Das Geld, das das Land Berlin dadurch einspart, fließt in die Einstein-Stiftung, die es an die erhaltenswerten Elitecluster- und Graduiertenschulen verteilt. Über Details wird noch verhandelt.
Wie reagieren Länder, in denen schon jetzt ganze Universitäten ausgeschieden sind? Dieses Verdikt hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Freiburg und Göttingen getroffen. Nicht nur der Ansehensverlust ist hoch, auch der finanzielle. Für seinen Modellversuch, eine Universität mit einem außeruniversitären Institut zu verschmelzen, bekam das KIT bisher das meiste Geld für ein Zukunftskonzept: 75 Millionen Euro seit 2006, also gut 15 Millionen Euro im Jahr. Göttingen und Freiburg erhielten etwas weniger.
Für das KIT wollen nun der Bund und das Land einspringen. Das gab Bundesministerin Annette Schavan bereits nach Rücksprache mit der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) bekannt. Die Summe sei noch offen, heißt es aus dem BMBF und aus Baden-Württemberg. Das Land will auch für Freiburg fehlende Elitemittel kompensieren. „Es darf keine Exzellenztrümmer geben“, sagt ein Sprecher von Ministerin Bauer. Bevor über einen Betrag entschieden werde, wolle man sich aber mit der Unileitung zu einer „klaren Analyse“ zusammensetzen, woran das Scheitern gelegen habe. Die Uni Freiburg kündigte an, ihr Zukunftskonzept „auf jeden Fall fortzuführen, auch wenn die Mittel nun nicht so reichhaltig fließen werden“.
Was fehlte in Karlsruhe, Freiburg und Göttingen? Der Sprecher Bauers bekräftigte, das KIT sei allein an den Voraussetzungen gescheitert: Es konnte das nötige Cluster nicht durchbringen. „Das Zukunftskonzept wurde mit Höchstnoten bewertet. Es lag auf der Liste förderwürdiger Konzepte ganz weit vorn.“ Freiburg und Göttingen brachten die Voraussetzungen für den Exzellenzstatus mit, gewannen also jeweils mindestens eine Graduiertenschule und ein Cluster. Beide scheiterten an ihrem Zukunftskonzept. Bisher gebe es noch keine näheren Hinweise vom Wissenschaftsrat, was in Freiburg schiefgelaufen sei, heißt es aus Baden-Württemberg. Auch die Uni will sich erst äußern, wenn ihre Beurteilung vom Wissenschaftsrat eingetroffen ist.
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