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In Städten mit baulich abgegrenzten Radwegen, etwa durch Poller wie an der Holtzmarktstraße in Berlin-Mitte, sterben weniger Menschen, zeigt eine Studie.
© Jörn Hasselmann

US-Studie: Poller erhöhen die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern

Eine Untersuchung aus den USA über 13 Jahre zeigt: Wo es geschützte Radwege gibt, reduziert sich die Unfallzahl - für Radfahrer und Fußgänger.

Bauliche Maßnahmen an Radwegen mindern das Risiko von Radfahrern für tödliche Unfälle, schreiben US-Forscher im „Journal of Transport & Health“. Radwege, die etwa durch Poller von Straßen getrennt sind, erhöhen demnach auch die Sicherheit von anderen Verkehrsteilnehmern wie etwa Fußgängern.

In Deutschland wie in den USA steigt der Anteil der Radfahrer in Städten rapide an. In den USA nahm der Anteil der Menschen, die zur Arbeit radeln, von 2010 bis 2016 um mehr als die Hälfte zu, die Zahl der geschützten Radwege verdoppelt sich den US-Forschern zufolge seit 2009 alle zwei Jahre. Wesley Marshall von der University of Colorado in Denver und Nicholas Ferenchak von der University of New Mexico in Albuquerque untersuchten nun die Zahl der Radunfälle mit tödlichen und schweren Verletzungen in zwölf großen US-Städten über einen Zeitraum von 13 Jahren. Zu den Städten zählen Portland, Dallas, Denver und Kansas City. Dort verunglückten in dem Zeitraum insgesamt rund 17.000 Radfahrer tödlich und 77.000 weitere schwer.

Statistiken aus 12 Städten

„Radfahren an sich scheint schon gefährlich zu sein“, wird Marshall in einer Mitteilung seiner Uni zitiert. „Es scheint also, dass eine Stadt mit viel Radverkehr noch gefährlicher ist, aber das Gegenteil stimmt.“ Dass die Sicherheit der Radfahrer mit steigendem Anteil am Verkehr zunimmt, liege aber nicht daran, dass ihre große Zahl Autofahrer vorsichtig werden lasse, betonen die Autoren. Stattdessen entnehmen sie ihren Statistiken, dass gezielte Infrastrukturmaßnahmen wie geschützte oder vom Autoverkehr separierte Radwege die Unfallzahlen senken.

In Portland (US-Staat Oregon) etwa sei der Anteil der Fahrräder am Verkehr von 1990 bis 2010 von 1,2 auf sechs Prozent gestiegen, schreiben sie. Gleichzeitig sei die Zahl aller tödlichen Verkehrsunfälle um 75 Prozent gefallen. Einen ähnlichen, wenn auch schwächer ausgeprägten, Trend sehen sie in Seattle, San Francisco, Denver und Chicago. „Der Bau sichererer Anlagen für Radfahrer erwies sich als einer der größten Faktoren für die allgemeine Sicherheit im Straßenverkehr“, sagt Marshall. Allerdings ist es problematisch, aus statistischen Korrelationen Kausalitäten abzuleiten.

In den USA fahren Autofahrer defensiver

In Deutschland herrschen laut Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, völlig andere Verhältnisse als in den USA – und zwar nicht nur deshalb, weil US-Autofahrer tendenziell defensiver fahren. Allein die Zahl der Radler in Deutschland lasse sich nicht mit den USA vergleichen. Während der Radanteil von sechs Prozent in Portland für US-Verhältnisse schon viel sei, liege der Anteil in Berlin bei etwa 20 Prozent, in Münster sogar bei 40 Prozent.

Besonders das Resultat der US-Studie, die Sicherheit der Radler steige mit der Dichte der Verkehrskreuzungen, kann Brockmann nicht nachvollziehen. „Verkehrskreuzungen und Einmündungen von Straßen sind die Schwerpunkte für Unfälle mit Radfahrern“, betont er. Dies sei auch das Problem von mit Pollern gesicherten Radwegen und von Hochbord-Radwegen – also auf dem Bürgersteig: Die stoßen demnach irgendwann wieder auf Kreuzungen, wo Radfahrer häufig von ab- oder einbiegenden Auto- und Lkw-Fahrern angefahren werden. „Je höher die Kreuzungsdichte und je stärker der Radverkehr, desto schwieriger wird es“, sagt Brockmann.

430 Radfahrer starben in Deutschland

Im vorigen Jahr kamen in Deutschland rund 430 Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben – rund 50 mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Todesopfer binnen zehn Jahren unter 300 zu senken, wertet Brockmann schon als sehr ambitioniert – vor allem angesichts der aktuellen Entwicklung. „Der Anteil der Radfahrer steigt rasant. Damit kann die Infrastruktur nicht mithalten, und das sorgt für Probleme“, betont Brockmann. „Wir wissen oft, wo die Probleme sind und was wir verbessern können, aber das wird nicht gemacht.“ Es fehle an Geld und Stadtplanern – und oft auch am politischen Mut, Autofahrern etwas wegzunehmen.

Brockmann betont noch einen weiteren Punkt: Selbst wenn es gelänge, Auto- und Radverkehr einigermaßen zu entkoppeln, völlig ungefährlich wäre der Radverkehr auch dann nicht: Rund ein Viertel aller Radfahrer sterben demnach ohne jegliche Fremdeinwirkung, etwa bei Stürzen. Zudem nähmen Unfälle von Radfahrern untereinander zu. (dpa)

Walter Willems

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