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Am Kopf eines Babys mit einem kleinen Kopf sind drei Elektroden befestigt.
© Nacho Doce/Reuters

Weltgesundheitsversammlung in Genf: Planvoll gegen Pandemien

Zika und andere globale Gesundheitskrisen: Um Seuchen besser zu stoppen, will die Weltgesundheitsversammlung in Genf nun Reformen beschließen.

Zika hat den Globus umrundet. Das ahnten Experten, seit der Ausbruch auf den Kapverden bekannt geworden war. Nun steht es fest. Forscher des Institut Pasteur in Dakar haben das Erbgut des Virus analysiert. Es hat nicht etwa von Westafrika aus die Inseln erreicht, meldet die Weltgesundheitsorganisation WHO. Es kam aus Brasilien und gehört damit zu jener Zikavariante, die bei einer Ansteckung während der Schwangerschaft das Gehirn des Fötus schädigen kann. Drei Babys mit Mikrozephalie wurden bereits geboren.

Mücken übertragen das Virus derzeit in 60 Ländern der Erde – von Asien bis Afrika. Bald könnte es Fälle in Südeuropa geben. „Je mehr wir über Zika wissen, desto besorgter sind wir“, sagt WHO-Generaldirektorin Margaret Chan. Neben der Mückenbekämpfung sollten gefährdete Staaten vor allem an Schwangere denken. Sie brauchen Beratung, Kondome und Insektensprays, damit sie sich nicht anstecken. Die Gesundheitssysteme sollten sich darauf einstellen, langfristig für betroffene Kinder zu sorgen.

Ein Thema ist der ungleiche Zugang zu Medikamenten

Und Zika ist nicht die einzige Gesundheitskrise. Die Nachbeben der Ebolaepidemie dauern an, Mers könnte immer noch gefährlich werden, Gelbfieber sich als Zeitbombe entpuppen. Wenn sich ab Montag 3500 Experten bei der Weltgesundheitsversammlung in Genf treffen, geht es unter anderem darum, die WHO besser für solche Notfälle zu rüsten. 21 Resolutionen stehen auf der Agenda, 76 Themen sollen diskutiert werden: die Nachhaltigkeitsziele, Antibiotikaresistenzen, Luftverschmutzung, Gewalt, Müttersterblichkeit und der ungleiche Zugang zu Medikamenten. „Viel Arbeit“, sagt Chan.

Allein zu den Lehren aus Ebola haben inzwischen vier internationale Kommissionen Empfehlungen veröffentlicht. Es gibt keine Sicherheit, wenn wir Pandemien nicht verhindern oder eindämmen können, wiederholen nun führende Forscher um Lawrence Gostin von der Georgetown-Universität in Washington. „Die Aufmerksamkeit der Politik darf nicht auf die Zeit beschränkt bleiben, wenn eine Epidemie zuschlägt“, schreiben sie im Fachblatt „Plos Medicine“. „Es wäre rücksichtslos, eine Missachtung von Menschenleben, Reformen auszuweichen.“

Bestehende Regeln durchsetzen

Um eine Seuche zu stoppen, muss man die Bedrohung erkennen. Das ist nicht trivial. Die Opfer müssen überhaupt einen Arzt oder eine Krankenschwester zu Gesicht bekommen. Diese müssen so gut geschult sein, dass sie die Symptome richtig deuten, im Zweifel Patienten isolieren und ein Labor für die Diagnostik hinzuziehen. Ungewöhnliche Ausbrüche müssen überwacht und gemeldet werden. Nicht nur national, die WHO muss schnellstmöglich alarmiert werden. Diese Voraussetzungen erfüllt nach eigenen Angaben nur ein Drittel der WHO-Mitgliedsstaaten. Seit 2016 können externe Experten überprüfen, ob das stimmt – wiederum freiwillig. Es sollten Anreize geschaffen werden, damit Staatsoberhäupter in Gesundheitssysteme und Seuchenvorsorge investieren, schreiben Gostin und seine Kollegen. Der internationale Währungsfond könne darauf achten, wenn er die wirtschaftliche Stabilität eines Landes beurteilt. Um besonders arme Staaten zu unterstützen, könnten WHO und Weltbank Finanzierungspläne erarbeiten, die internationale Geldgeber einbeziehen.

Zu den Regeln gehört ebenfalls, Transparenz nicht zu bestrafen. Denn viele Länder zögern, eine Seuche an die WHO zu melden – aus Angst vor den Folgen für Tourismus und Wirtschaft. „Leider gibt es jedes Mal Staaten, die Handel und Reisen einschränken“, sagt Chan. „Das wollen wir nicht!“ Der Einzelne solle auf Basis der WHO-Ratschläge selbst entscheiden. So würde man zum Beispiel schwangeren Frauen nicht empfehlen, nach Brasilien oder in ein anderes Zikagebiet zu reisen. Waren ihre Partner dort unterwegs, sollten sie nach der Rückkehr bis zur Geburt Kondome benutzen. Olympia abzusagen, sei aber nicht angemessen.

Koordination statt nur Ratschläge

Die WHO wird keine Feldkliniken betreiben. Sie wird sich aber auch nicht mehr nur als Ratgeber verstehen. In Gesundheitsnotfällen werde man Hilfe koordinieren, grundsätzlich als Mittler zwischen den unterschiedlichsten Organisationen, Staaten und Firmen auftreten. „Das macht uns zu einer operationalen Einheit“, sagt Chan. Ein Zentrum in Genf soll Seuchenvorsorge und -bekämpfung sowie die Zusammenarbeit mit dem humanitären Sektor bündeln und schnelle Reaktionen ermöglichen. Der Direktor wird vermutlich in dieser Woche verkündet. Um das „Programm für Gesundheitsnotfälle“ mit all seinen Elementen umsetzen zu können, braucht die WHO eine Budgeterhöhung um 160 Millionen Euro.

Bessere Waffen gegen Seuchen

Die WHO hat damit begonnen, Normen für klinische Studien während eines Ausbruchs zu schaffen, Zulassungswege für so erprobte Impfstoffe und Medikamente zu ermöglichen und Forschungsprioritäten zu setzen. Dazu zählen Diagnostika und – etwa bei Zika – Strategien der Mückenbekämpfung. Um neue Erreger aus dem Tierreich fortlaufend zu überwachen, um Waffen gegen sie zu finden, Informationssysteme und Schutzkleidung zu verbessern und Kapazitäten für die Impfstoffproduktion in einkommensschwachen Ländern zu sichern, wäre jedoch ein Forschungsfond nötig, mahnen Gostin und seine Kollegen.

Wer wird neuer WHO-Generaldirektor?

Im Mai 2017 wählt die Weltgesundheitsversammlung einen neuen Generaldirektor, in diesem Jahr stellen sich die Kandidaten erstmals vor. 15 Minuten haben sie für ihre Präsentation.

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