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Klimatreiber. Braunkohlekraftwerke stoßen massenhaft Kohlendioxid aus. Um die Erderwärmung wirksam zu bremsen, müssen Emissionen von fossilen Energieträgern deutlich sinken.
© dpa

Vor der Weltklimakonferenz: Paris wird das Klima nicht retten

Der Kohlendioxidausstoß wird weiter steigen. Wir sollten an die Zeit nach dem Paris-Protokoll denken und schleunigst ein Abkommen vorbereiten, das wirklich wirksam ist. Ein Kommentar.

Beim Gipfeltreffen in Elmau ist Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr viertes Meisterstück in Klimadiplomatie gelungen. Sie hat ihre G-7-Kollegen veranlasst, ambitionierte Ziele anzukündigen, die weit über das Ende ihrer Kanzlerschaft hinausreichen. Selbst die Umweltverbände waren begeistert. Ihre anderen Klima-Glanzstücke: Sie hat als junge Umweltministerin bei ihrer allerersten Weltklimakonferenz 1995 den gesamten Klima-Verhandlungs- und Vertragsprozess ins Rollen gebracht. In Kyoto 1997 hat Merkel durch Dauerverhandlungen fast im Alleingang das Kyoto-Protokoll gegen alle Widerstände durchgesetzt. Auf der G-8-Konferenz 2007 in Heiligendamm konnte sie den wirklich „harten Klima-Burschen“ George W. Bush und Wladimir Putin ein erstes Abnicken des 2-Grad-Ziels abringen, das dann 2010 auf der Weltklimakonferenz in Cancun tatsächlich beschlossen wurde.

Das „Paris-Protokoll“ wird weitgehend wirkungslos bleiben

Was vom G-7-Gipfel in Elmau bleiben dürfte, sind die deutlich verbesserten Chancen, dass bei der Klimakonferenz im Dezember in Paris ein Nachfolger für das Kyoto-Protokoll verabschiedet wird. Das ist eine sehr gute Nachricht. Die schlechte Nachricht lautet: Das „Paris-Protokoll“ wird im Kampf gegen den Klimawandel weitgehend wirkungslos bleiben. Denn es setzt das kontraproduktive, schon im Kyoto-Abkommen eingebaute Prinzip noch verstärkt fort: Jeder gibt so wenig, wie er kann in den „Klima-Klingelbeutel“.

Die hehren Ankündigungen einer „Dekarbonisierung“ der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts, der Reduzierung der globalen Emissionen um bis zu 70 Prozent bis 2050, die erneute Betonung des 2-Grad-Zieles und selbst das einzig wirklich greifbare Ziel, nämlich die kurzfristig realisierbare Ausweitung der Versicherung gegen Klimaschäden auf weitere 400 Millionen potenziell Betroffene in Entwicklungsländern, können nichts an folgender Notwendigkeit ändern: Ab 2016 müssen wir beginnen, ein wirksames „Beyond-Paris-Abkommen“ vorzubereiten. Diese allerletzte Klima-Chance muss ergriffen werden!

Die geplanten Ausgleichszahlungen dürften Entwicklungsländer zur Zustimmung bewegen

Es mag widersprüchlich klingen: Wir müssen alles tun, damit das Paris-Protokoll verabschiedet und anschließend durch alle Parlamente der Welt ratifiziert wird – und gleichzeitig müssen wir uns für ein Folgeabkommen einsetzen. Aber wenn wir es ernst meinen mit dem Weltklimaschutz, geht an dieser Doppelstrategie kein Weg vorbei.

Ein Paris-Protokoll – wie schwach auch immer es werden mag – ist von fundamentaler Bedeutung. Es ist die völkerrechtliche Grundlage für eine fortdauernde globale Klimapolitik. Erstmals sollen sich alle Staaten beteiligen. Das Zwei-Grad-Ziel soll bestätigt werden. Und: Arme, vom Klimawandel geschädigte Staaten sollen Ausgleichszahlungen erhalten, etwa über den Grünen Klimafonds sowie „Loss-and-Damage“-Zahlungen, die in Paris hoffentlich vereinbart werden. Diese Ausgleichszahlungen dürften die Entwicklungsländer zur Zustimmung veranlassen, auch wenn darüber noch viel gefeilscht werden wird.

Der Kohlendioxidausstoß wird weiter steigen

Allerdings – und darüber wird erstaunlich wenig diskutiert: Die möglichst hohen von den einzelnen Ländern für den „Klima-Klingelbeutel“ angekündigten Beiträge sind nahezu irrelevant. Kein Staat braucht sich an seine Absichtserklärungen zu halten. Jedes Land kann sich sogar aus der „Klima-Kollekte“ bedienen. China etwa will bis 2030 mehr Solar- und Windenergie nutzen, zugleich aber auch mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. Auch die CO2-Einsparungen, die die USA dank des Gas-Booms ankündigen, haben vor dem Hintergrund der US-Kohleexporte global gesehen einen Effekt nahe null. Letztlich werden die weltweiten Emissionsminderungen viel geringer ausfallen als die Emissionssteigerungen.

Lutz Wicke ist Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der ESCP Europe Berlin. Er war Direktor am Umweltbundesamt und Umweltstaatssekretär in Berlin.
Lutz Wicke ist Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der ESCP Europe Berlin. Er war Direktor am Umweltbundesamt und Umweltstaatssekretär in Berlin.
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Der drastische Anstieg des CO2-Ausstoßes wird durch das Paris-Protokoll praktisch nicht gebremst. Das wichtigste Ziel, die Grenze des Wachstums der globalen Emissionen zu erreichen, wird mit dem in seiner Grundstruktur nicht mehr veränderbaren Paris-Protokoll unmöglich. Der Weltklimarat hatte bereits 2007 erklärt, dass dieser Höhepunkt um das Jahr 2010 erreicht werden müsse, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Mit dieser Protokoll-Klimapolitik, die mit „beabsichtigten“ absolut freiwilligen nationalen Beiträgen arbeitet, lässt sich auch die konsequente Fortsetzung – nämlich eine drastische Reduktion der globalen CO2-Emissionen um durchschnittlich sieben Prozent im Jahr – niemals erreichen.

Es wird eher auf vier Grad hinauslaufen - wenn wir nichts tun

Und noch etwas ist sicher: Bleibt das Paris-Protokoll langfristig gültig, können wir das 2-Grad-Ziel definitiv vergessen. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird es eher auf ein Plus von vier Grad hinauslaufen. Das bedeutet, dass wir mit noch mehr und noch folgenschwereren Extremwetterereignissen rechnen müssen. Diese werden auch Deutschland hart treffen, wo die Sommer deutlich heißer als heute werden. Deshalb muss mit der Vorbereitung eines wirklich wirksamen „Beyond-Paris“-Abkommens begonnen werden. Nur so haben wir eine Chance, den „desaströsen Klimawandel“, wie die Internationale Energieagentur sagt, zu vermeiden.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der ESCP Europe Berlin. Er war Direktor am Umweltbundesamt und Umweltstaatssekretär in Berlin.

Lutz Wicke

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