Charité und Max-Delbrück-Centrum: Operation Weltruhm
Die Fusion von Charité und Max-Delbrück-Centrum soll im Januar 2013 starten. Auf einen Namen hat man sich schon geeinigt: "Berlin Institute of Health (BIH)" soll das Forschungszentrum heißen.
Das Kind hat einen Namen. Wenn die Forschung der Charité mit dem Max-Delbrück-Centrum (MDC) der Helmholtz-Gemeinschaft fusioniert, soll ein neues Institut der Spitzenforschung entstehen. Dieses soll „Berlin Institute of Health (BIH)“ heißen. Das sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan am Dienstag in Berlin vor Journalisten. Eine „Einrichtung von Weltrang“ sei das Ziel. Das neue Berliner Institut solle eine „größtmögliche Selbstständigkeit“ bekommen, damit es sich im internationalen Wettbewerb behaupten kann. Im Laufe der kommenden zehn Jahre werde das BIH bestimmt auch eine eigene Adresse in einem eigenen Gebäude erhalten. Dass der weltberühmte Name Charité in der Institutsbezeichnung nicht vorkommt, sei noch nicht entschieden, heißt es aus Schavans Ministerium.
Offen ließ Schavan weiter, wie viel Geld der Bund für die Fusion ausgeben will. In drei bis vier Monaten werde das geklärt, sagte sie im Anschluss an ihr erstes gemeinsames Gespräch mit dem beteiligten Leitungspersonal: dem Helmholtz-Präsidenten Jürgen Mlynek, Charité-Chef Karl Max Einhäupl, MDC-Chef Walter Rosenthal, den Uni-Präsidenten Peter-André Alt (FU) und Jan-Hendrik Olbertz (HU), Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres und Forschungssenatorin Sybille von Obernitz sowie den Staatssekretären Knut Nevermann (Berlin) und Georg Schütte (Bund).
Annette Schavan hat Berlin auserkoren, um das große Thema ihrer zweiten Amtszeit anzuschieben: den Einstieg des Bundes in die dauerhafte Finanzierung von universitären Einrichtungen. Darum geht es um mehr als um ein lokales Projekt, wenn jetzt die Charité mit dem überwiegend bundesfinanzierten MDC in Berlin-Buch fusioniert. Es ist der Versuch der Bundesforschungsministerin, die bisherige Wissenschaftspolitik von Bund und Ländern mit einem tiefen Eingriff neu zu ordnen. Sie spricht von der „künftigen Architektur des Wissenschaftssystemes“. Die Berliner Fusion ist erst der Anfang. Der Wissenschaftsrat soll bald weitere Institute von Universitäten ausgucken, die eine so große nationale Bedeutung haben, dass der Bund sie finanziell unterstützt. Wird bald die Verfassung geändert, wie Schavan hofft, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Bislang darf der Bund universitäre Einrichtungen nicht dauerhaft fördern.
Sehr aufmerksam beobachten Experten in Wissenschaft und Politik darum, was in Berlin geschieht. Natürlich freut sich der Berliner Senat über Schavans Finanzspritze. Und die Leitungen von Charité und MDC erwarten von der Ehe neue Impulse für die Forschung. Doch Schavans Umbau der bisherigen Forschungsfinanzierung schürt auch Sorgen. Schavan schafft Fakten, bevor die Experten im Wissenschaftsrat erklären dürfen, wie sie sich die Strukturen der Forschung im nächsten Jahrzehnt vorstellen – sie sind erst im Frühsommer 2013 mit ihrer Empfehlung fertig. Wie ist also zu verhindern, dass der Bund willkürlich durch die Republik nach Uni-Instituten shoppen geht? Und: Bleibt die Forschung thematisch unabhängig, wenn der neue Geldgeber Deutschlands „Leuchttürme“ ausruft? „Alle gucken sehr genau hin, das ist uns klar“, sagte Jürgen Mlynek im Anschluss an die Runde. Ihm gehe es jedenfalls nicht um Hilfen für Berlin, sondern um nationale Forschungsinteressen.
Bis zur Sommerpause soll eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Staatssekretäre Nevermann und Schütte einen Entwurf für eine Vereinbarung erarbeitet haben. Die Fusion soll in zwei Etappen vorbereitet werden, sagte Schavan. Die erste Phase, die ab dem 1. Januar 2013 beginnen soll, besteht darin, dass das MDC und die Charité ihre bestehenden Kooperationen in der Erforschung von Krebs, von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Nervensystem intensivieren. Dafür sollen schon zusätzliche Mittel fließen. So könnten MDC und Charité weitere Professoren gemeinsam berufen oder zusätzliche Nachwuchsgruppen einrichten. Ab dem 1. Januar 2014 werden die beiden Einrichtungen dann auch strukturell miteinander vernetzt.
Schavan stellte klar, das neue Institut werde nicht als medizinische Hochschule neben der Freien Universität und der Humboldt-Universität etabliert werden: „Die Universitäten sind das Herzstück des Wissenschaftssystems“, sagte sie. „Sie müssen es auch bleiben, wenn neue Kooperationen zustande kommen.“ Die Charité bleibt darum die medizinische Fakultät der beiden Universitäten.