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Teilchenfalle. Das Foto aus dem Jahr 2007 zeigt den CMS-Dektor während des Aufbaus.
© dpa

LHC: Neues Teilchen? Nee, doch nicht

Wurde am Cern ein neues Teilchen entdeckt? Diese Frage treibt Physiker seit Monaten um - es hätte eine Revolution bedeuten können. Die fällt jetzt aber aus. Vorerst.

Seit Monaten diskutieren Teilchenphysiker über ungewöhnliche Messwerte am Teilchenbeschleuniger LHC in Genf. Dort waren Abweichungen festgestellt worden, die möglicherweise auf ein bisher unentdecktes Teilchen zurückzuführen sind. Erhärtet wurde der Verdacht, weil diese Auffälligkeiten an zwei unterschiedlichen Messgeräten der "Weltmaschine" detektiert wurden, dem CMS- sowie dem "Atlas"-Detektor. Die Masse des mysteriösen Partikels sollte 750 GeV (Gigaelektronenvolt, eine in der Teilchenphysik übliche Einheit für Energie beziehungsweise Masse) betragen - ein ganze Menge. Denn das schwerste bisher bekannte Teilchen, das Top-Quark, hat nur 173 GeV. Vor allem aber hätte ein solches Teilchen dramatische Konsequenzen für die gesamte Zunft: Bisher erklärt das Standardmodell der Teilchenphysik das Zusammenspiel der Partikel ziemlich gut. Mit der Entdeckung des Higgs-Bosons vor vier Jahren ist das Standardmodell jedoch "komplett", es hat keinen Platz für weitere Zugänge. Ein neues Teilchen hätte das Gedankengebäude der Forscher tief erschüttert.

Statistische Ausreißer

Die Theoretiker grübelten, die Praktiker maßen weiter. Falscher Alarm, so scheint es jetzt. Am heutigen Freitag sollten auf einer Fachkonferenz in Chicago neue Resultate vorgestellt werden. Vorab sind jedoch Information an die Öffentlichkeit gedrungen, wonach sich der Verdacht nicht bestätigt habe und die vermeintlichen Signale lediglich statistische Ausreißer waren. Davon berichten unter anderem der "New Scientist" und "Wired". Bereits früher hatte es Gerüchte gegeben, wonach die "Buckel bei 750 GeV" wieder verschwunden wären.

Auch wenn die Revolution fürs Erste abgewendet ist, bleibt doch das Bestreben, "Neue Physik" zu entdecken. Denn auch das etablierte Standardmodell ist nicht perfekt. Forscher suchen deshalb nach sinnvollen Erweiterungen. Diese wollen sie unter anderem mit Hilfe des LHC finden. Der Beschleuniger arbeitet unterdessen mit höheren Energien als zu Beginn und kann damit auch schwere Teilchen aufspüren. Zumindest bei 750 GeV - so scheint es derzeit - ist jedoch keines zu finden.

Ralf Nestler

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