Verhütung: Neue Hoffnung auf „Pille für den Mann“
Ein Wirkstoff, der ursprünglich als Krebsmedikament entwickelt wurde, macht Mäuse vorübergehend unfruchtbar.
Auf dem Weg zur „Pille für den Mann“ sind amerikanische Wissenschaftler einen wichtigen Schritt vorangekommen. Zumindest bei Mäusen funktionierte der Wirkstoff namens JQ1 als sicheres Verhütungsmittel, berichten Martin Matzuk vom Baylor College of Medicine in Houston und Kollegen im Fachmagazin „Cell“.
JQ1 wurde am Dana-Farber Cancer Institute in Boston entwickelt, eigentlich als Medikament gegen Krebs. Es legt das Protein BRD4 in Krebszellen lahm. Der Stoff kann aber auch einen engen Verwandten von BRD4 blockieren: Das Protein BRDT, das hauptsächlich im Hoden vorkommt und dort offenbar die Produktion von Spermien steuert. „Mäuse, die BRDT wegen eines Gendefekts nicht richtig herstellen können, sind unfruchtbar“, sagt James Bradner vom Dana-Farber Cancer Institute. Deshalb kamen er und seine Kollegen auf die Idee, dass JQ1 – benannt nach einem Chemiker aus Bradners Labor – auch ein geeignetes Verhütungsmittel für Männer sein könne.
In der Vergangenheit hat es immer wieder Versuche gegeben, eine Antibabypille für den Mann zu entwickeln. Alle sind gescheitert. Zuletzt hatte die Weltgesundheitsorganisation eine Hormonspritze an tausenden Männern getestet, die Studie aber vor einem Jahr abgebrochen. Manche Probanden hatten Gewichtsprobleme bekommen oder gar Depressionen. Außerdem hatte die Antibabyspritze eine Schwangerschaft nur in 90 Prozent der Fälle verhindern können.
Der neue Ansatz, der zumindest bei Mäusen einen hundertprozentigen Schutz vor einer Schwangerschaft zeigte, kommt ohne Hormone aus. JQ1 passiert die „Blut-Hoden-Schranke“ – ein Schutzmechanismus, der schädliche Stoffe zurückhalten soll – und bringt die Spermienproduktion in den Zellen zum Erliegen. „Die Zellen vergessen einfach, wie man Spermien herstellt“, erläutert Bradner.
Für ihre Tests haben die Forscher täglich JQ1 in die Bäuche der Mäuse injiziert. Nach ein bis zwei Monaten waren die Mäusehoden deutlich geschrumpft. Die Männchen haben immer weniger Spermien produziert, die sich auch nur noch langsam fortbewegen konnten. Nach zwei bis drei Monaten waren dieMäuse unfruchtbar. Ihre Paarungsbereitschaft blieb aber ungebrochen, und auch sonst haben die Wissenschaftler keine Nebenwirkungen bei den Tieren beobachtet. Das Wichtigste aber: Der Effekt war reversibel. „Als wir das Mittel wieder abgesetzt haben, hat es ein bis zwei Monate gedauert, und dann gab es wieder regelmäßig Nachwuchs“, berichten die Forscher.
Beim Menschen kann JQ1 in seiner jetzigen Form aber noch nicht zum Einsatz kommen. „Dafür müsste der Wirkstoff so verfeinert werden, dass er ausschließlich BRDT im Körper angreift und nicht etwa verwandte Proteine wie BRD4“, sagt Bradner. Er hofft, dass Universitäten und Pharmafirmen die Idee aufgreifen und JQ1 entsprechend weiterentwickeln. Erst dann könne man Studien mit Menschen machen und herausfinden, wie wirksam und vor allem wie sicher das Mittel tatsächlich ist. Der Weg zur Antibabypille sei also noch weit und berge genug Stolpersteine.
So ist das Protein BRDT nicht nur im Hoden, sondern offenbar auch in einigen Hirnarealen aktiv. „JQ1 kann die Blut-Hirn-Schranke problemlos überwinden und ins Gehirn gelangen“, sagt Bradner. Bei den Mäusen habe man zwar keinerlei Verhaltensauffälligkeiten feststellen können. „Mäuse sind aber auch kein Maßstab, sie können ja nicht mit uns kommunizieren.“ Der Wissenschaftler hält es für möglich, dass JQ1 noch weitere Effekte habe. Im Moment könne das aber noch keiner sagen.
Übrigens muss JQ1 nicht unbedingt injiziert werden. Mäuse, die den Wirkstoff geschluckt haben, hatten immer noch genug davon im Blut. Sollte sich der Ansatz bewähren, stehen die Chancen für eine echte Pille für den Mann also gar nicht schlecht.
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