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In dem Dorf Mangina in der Provinz Nord-Kivu der Demokratischen Republik Kongo werden die Menschen mit einem neuen Impfstoff gegen Ebola versorgt. Wegen militärischer Konflikte in der Region ist das nicht überall möglich.
© Olivia Acland/Reuters

Ausbruch im Kongo: Neue Ebola-Epidemie fordert bereits mehr als 70 Tote

Das tödliche Virus ist erneut im Kongo ausgebrochen – diesmal im Osten des Landes. Dort bedroht die Seuche nun eine der bevölkerungsreichsten Regionen Afrikas.

Nur wenige Tage, nachdem der Ausbruch von Ebola-Fieber in der Provinz Equateur offiziell für beendet erklärt worden war, versetzt das tödliche Virus die Bevölkerung des Kongo erneut in Angst und Schrecken. Nachdem Mitte Juli mehrere Mitglieder einer Familie aus Mangina in der Provinz Nord-Kivu an dem hämorrhagischen Fieber verstorben waren, stellte das kongolesische Gesundheitsministerium am 28. Juli offiziell fest, dass es sich um einen neuen Ebola-Ausbruch handelte. Als die Weltgesundheitsorganisation WHO drei Tage später informiert wurde, war bereits ein Dutzend Menschen einen qualvollen Tod gestorben. Es ist bereits der zehnte Ausbruch der Krankheit im zweitgrößten Land Afrikas.

Die Region um Nord-Kivu gilt als instabilste Ostafrikas

Derzeit sind 111 Erkrankungsfälle bekannt, sechs weitere Patienten stehen unter Beobachtung. 72 Menschen sind bereits verstorben. Die Zahl der Erkrankungen hat sich in den vergangen zwei Wochen nahezu verdreifacht. Damit ist der Ausbruch deutlich explosiver als der vorherige in der rund 1800 Kilometer entfernten Provinz Equateur. Da es sich um eine andere genetische Variante des Virus handelt, sind die Ausbrüche in Equateur im Westen des Landes und in Nord-Kivu im äußersten Osten mit Sicherheit unabhängig voneinander entstanden.

Die Provinz Nord-Kivu gehört mit rund acht Millionen Einwohnern zu den am dichtesten besiedelten Regionen südlich der Sahara. Sie grenzt sowohl an Uganda und Ruanda als auch an vier kongolesische Provinzen und ist seit Langem ein Schauplatz bewaffneter Konflikte. Sie gilt als die instabilste Region in Ostafrika. Nahezu ein Dutzend militärische und paramilitärische Gruppierungen kontrollieren weite Landesteile, terrorisieren die Bevölkerung und finanzieren sich durch Raub und Erpressung.

Seit Monaten grassiert schon die Cholera

Sowohl für die sesshafte Bevölkerung also auch für eine Million Flüchtlinge ist die Sicherheitslage prekär. Neue Gewaltausbrüche können rasch zu großen Bevölkerungsbewegungen führen. Es ist bezeichnend, dass die ersten Erkrankungsfälle im Distrikt von Mangina auftraten, wo die Dichte von Flüchtlingen besonders hoch ist.

Die technische und die Gesundheitsinfrastruktur der Provinz ist marode. Straßen sind unpassierbar, Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes warten häufig Monate auf die Auszahlung ihres Lohns. Seit Monaten grassiert eine Cholera-Epidemie. Selbst die Kinderlähmung tritt wieder gehäuft auf. Wenn in einer solchen Gemengelage das Ebola-Fieber ausbricht, ist die Gefahr groß, dass die tödlichste aller Seuchen rasch außer Kontrolle gerät, wie es die Epidemie in Westafrika zwischen 2014 und 2016 gezeigt hat.

Schnelle Einsatzteams sollen das Schlimmste verhindern

Im Gegensatz zu 2014 hat die WHO dieses Mal prompt reagiert und umgehend das Global Outbreak Alert and Response Network (GOARN) aktiviert. Dieses Netzwerk von Gesundheitsbehörden, medizinischen Nichtregierungsorganisationen und Staaten beginnt dann umgehend, einen Masterplan umzusetzen, der im Anschluss an die desaströse Ebola-Epidemie in Westafrika entwickelt worden war. Der Plan beinhaltet, dass innerhalb von Stunden "schnelle Einsatzteams" (rapid response teams) sowohl in das Epizentrum des Ausbruchs wie auch in die angrenzenden Regionen entsandt werden.

Aufgabe dieser Teams ist es, Patienten zu identifizieren und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in Behandlungszentren zu transportieren. Gleichzeitig müssen alle Kontaktpersonen des Patienten ausfindig gemacht und eine Panik in der lokalen Bevölkerung verhindert werden. Auch muss die gesamte Infrastruktur – mobile Labore, Behandlungszentren, Einsatzzentralen und ein digitales Meldesystem – innerhalb von wenigen Tagen aufgebaut werden. Man kann sich vorstellen, mit welchen medizinischen und logistischen Schwierigkeiten die Teams in einem Gebiet wie Nord-Kivu zu kämpfen haben.

Die große Hoffnung: ein neuer Impfstoff

Das haben auch die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen erfahren, die in Nord-Kivu ein mobiles Behandlungszentrum und eine Isolationseinheit errichtet haben. "Der Transport von Patienten, die Identifizierung, Impfung und Nachkontrolle von Kontaktpersonen und das Aufspüren neuer Erkrankungsfälle werden durch die desolaten Zustände in Nord-Kivu sehr behindert", sagt Stefan Dold, Sprecher von Ärzte ohne Grenzen in Berlin. Auch im benachbarten Uganda ist ein Team von Ärzte ohne Grenzen präsent und bereitet sich auf eine Ausweitung der Epidemie vor.

Die Einsatzkräfte setzen ihre Hoffnung vor allem auf einen neu entwickelten Impfstoff. Noch gibt es für die Vakzine, die erstmals am Ende der Ebola-Epidemie in Westafrika getestet wurde, keine Zulassung. Bei ihrem zweiten Einsatz in der Equateur-Provinz trug sie allerdings schon dazu bei, dass der Ausbruch in Rekordzeit beendet werden konnte. In Nord-Kivu kann das schützende Mittel aufgrund der Umstände derzeit allerdings nur mit Verzögerung eingesetzt werden.

In einer anderen Provinz gelang die Eindämmung in acht Wochen

Schaut man sich die Chronologie der Neuerkrankungen bei dem Ausbruch in der Equateur-Provinz an, so sieht es zwar auf den ersten Blick so aus, als sei der Impfstoff die entscheidende medizinische Trumpfkarte gewesen: Mit den Impfungen wurde am 21. Mai begonnen, also rund fünf Wochen nach dem sogenannten Indexfall, der ersten Ebola-Erkrankung. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 49 Menschen am Ebola-Fieber erkrankt. Nach Durchführung der Impfung traten tatsächlich nur noch zwei Erkrankungsfälle auf. Dann kam die Epidemie zum Stillstand.

Die Epidemiekurve zeigt aber auch, dass die Zahl der Neuerkrankungen bereits deutlich rückläufig war, bevor der erste Impfschutzring eingerichtet war. Die Epidemie wäre also möglicherweise auch ohne Schutzimpfung in den nächsten Tagen "ausgebrannt".

Tatsächlich war die rasche Auslöschung der Ebola-Epidemie in der Equateur-Provinz eine medizinische und logistische Meisterleistung. Vom Ausbruch der Seuche bis zum letzten Erkrankungsfall vergingen gerade einmal acht Wochen. Möglich wurde der Erfolg durch eine neue Strategie. Zum einen wurden in Windeseile 57 Millionen US-Dollar von Sponsoren akquiriert und in Form von Material und Personal auf den Weg in das Hinterland des Kongo gebracht.

Eine neue Begräbniszeremonie soll die Verbreitung des Virus eindämmen

Zum anderen wurde auf die psychosozialen Aspekte besonderer Wert gelegt, die in der Bevölkerung durch eine Massenerkrankung entstehen können. Speziell ausgebildete Risikokommunikatoren klärten die Menschen in den lokalen Sprachen und allen Medien über die Ausbreitungswege des Ebola-Virus auf und darüber, und wie man sich vor einer Ansteckung schützt. Sozialarbeiter und regionale Führungspersönlichkeiten erarbeiteten gemeinsam Konzepte, wie man die Menschen in den betroffenen Gemeinden zur Mitarbeit an den Bekämpfungsmaßnahmen motiviert. Und das kongolesische Gesundheitsministerium twitterte täglich die neuesten Entwicklungen.

Vertreter der Religionsgemeinschaften entwickelten zusammen mit Infektionsmedizinern eine Begräbniszeremonie für an Ebola-Fieber Verstorbene, die sowohl kulturell akzeptabel als auch hygienisch sicher war. Bei früheren Epidemien trugen traditionelle Beerdigungsrituale häufig zur Verbreitung des Virus bei, weil die Verstorbenen dabei berührt werden.

"Wir haben Lehren aus Westafrika gezogen"

Offensichtlich hatte die Impfung neben einem medizinischen auch einen psychologischen Effekt. "Durch die Verfügbarkeit einer wirksamen Vakzine wussten die Mitarbeiter des Gesundheitswesens, dass sie nicht an Ebola-Fieber erkranken würden", ist Jean-Jacques Muyembe-Tamfun, der Direktor des Institut National de Recherche Biomédicale in Kinshasa, überzeugt. "Sie waren voller Zuversicht, dass ihre Arbeit erfolgreich sein würde, und trugen dieses Momentum auch in die betroffenen Gemeinden."

"Wir haben Lehren aus Westafrika gezogen und umgehend ein umfassendes Bekämpfungsprogramm mit einer zentralen Koordination eingerichtet", sagt Matshidiso Moeti, Regionaldirektorin der WHO. Für Ärzte ohne Grenzen heißt das, dass auch die allgemeine Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gewährleistet sein muss, sagt Stefan Dold. Bei der Epidemie in Westafrika wurden viele Gesundheitsstationen geschlossen und Krankenhäuser versorgten nicht einmal mehr Notfälle.

Die Schutzimpfung

Der bei der Ebola-Epidemie in der Equateur-Provinz eingesetzte Impfstoff namens "rVSV-ZEBOV" wurde von der US-amerikanischen Pharmafirma Merck, Sharp & Dohme entwickelt. Es handelt sich um eine gentechnisch hergestellte Vakzine. Dabei wurde das Gen für ein Oberflächeneiweiß des Ebola-Virus in das Erbgut des (für Menschen harmlosen) Vesicular stomatitis Virus eingebracht. Der Impfstoff enthält also keine vermehrungsfähigen Ebola-Erreger, sondern nur ein Bruchstück, auf das die Immunzellen reagieren, sodass die Körperabwehr bei einer Infektion mit Ebola binnen kurzer Zeit gegen die Viren vorgehen kann.

Entwickelt wurde der Impfstoff ursprünglich von dem deutschen Virusforscher Heinz Feldmann bereits Ende der 1990er Jahre. In Studien zur Vakzinsicherheit wurden gegen Ende der Ebola-Epidemie in Westafrika zwischen 2014 und 2016 über 16 000 Freiwillige geimpft. Gegen einen Einsatz des Impfstoffs sprechende, schwerwiegende Komplikationen traten nicht auf. Da der Impfstoff aber bei minus 80 Grad gekühlt werden muss, ist die Anwendung bei einer Ebola-Epidemie eine logistische Herausforderung.

Hermann Feldmeier

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