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Wärmefalle Wald. Während helle Ackerflächen (im Hintergrund) die Sonnenstrahlen gut reflektieren, nehmen dunkle Bäume sehr viel Wärmestrahlung auf. Deshalb ist der Einfluss neu gepflanzter Wälder auf das Klima kleiner als bisher gedacht.
© AFP

Klimaschutz: Neue Bäume bringen wenig

Das Aufforsten großer Flächen bremst die Erderwärmung kaum. Das behaupten zwei Forscher aus Kanada - und stellen damit ein wesentliches Element der Klimapolitik infrage.

Bäume pflanzen rettet das Klima. Diese Formel ist ein zentrales Element der Klimapolitik. Die Idee dahinter: Jeder Hektar, der wieder zu Wald gemacht wird, nimmt über die Pflanzen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft auf und fixiert es im Holz. So sinkt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre, die Erderwärmung wird gebremst.

Doch der Effekt der Wiederaufforstung wird offensichtlich stark überschätzt. Zu diesem Schluss kommen Vivek Arora von der Universität Victoria in Kanada und sein Kollege Alvaro Montenegro. Die Wissenschaftler berechneten, wie sich die Temperatur bis zum Zeitraum zwischen 2081 und 2100 entwickelt, wenn in den nächsten Jahrzehnten landwirtschaftliche Flächen in Wald umgewandelt werden. Im weltweiten Durchschnitt könnte der Temperaturanstieg um gerade 0,25 Grad Celsius gebremst werden, wenn die Hälfte aller Äcker und Wiesen mit Bäumen bestückt würde, berichten sie online in „Nature Geoscience“.

Selbst im utopischen Fall, dass alle Flächen zu Wald würden, würde die Erwärmung um nur 0,45 Grad geringer ausfallen, als im „A2-Szenario“ zu erwarten wäre. Mit „A2“ wird eine Entwicklung beschrieben, bei der die Wirtschaft im Wesentlichen so weiterwächst wie bisher – einschließlich der damit verbundenen Kohlendioxidemissionen – und nur wenige Klimaschutzmaßnahmen greifen. Für diesen Fall rechnen die Experten mit einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur um zwei bis fünf Grad bis zum Ende des Jahrhunderts.

Warum aber kann die Wiederaufforstung diese Steigerung kaum aufhalten? Die neu gepflanzten Bäume beeinflussen das Klima nicht nur, indem sie Kohlendioxid aufnehmen, begründen Arora und Montenegro. Wälder verändern auch die Oberfläche der Erde. Dazu gehört zum einen das Reflexionsvermögen, „Albedo“ genannt. Wüsten, Gletscher und helle Getreidefelder werfen Sonnenlicht sehr effektiv zurück in Richtung Weltraum. Dunkle Wälder hingegen nehmen viel Sonnenstrahlung auf und erwärmen sich deshalb. Selbst Rasen und unbestellte Äcker haben noch eine höhere Albedo als Wälder, werden die eingestrahlte Wärme also besser los als baumbestandene Flächen.

Wälder beeinflussen das Klima außerdem, indem sie die Oberfläche „rauer“ machen, was beispielsweise den Wind bremst. Diese Zusatzeffekte der Aufforstung seien in den Analysen der Vereinten Nationen nicht berücksichtigt worden, schreiben die Forscher. Ihr Klimamodell jedoch habe das getan, zumindest für das unterschiedliche Reflexionsverhalten.

Sie rechneten fünf Varianten durch: Neben einer 100-prozentigen Wiederaufforstung der Landwirtschaftsflächen simulierten sie mehrere 50-prozentige Aufforstungen in verschiedenen Teilen der Welt. Zwar zeigten die Berechnungen, dass die gepflanzten Bäume die globale Durchschnittstemperatur senkten, doch der Effekt sei „marginal“, wie es heißt. Da die Aufforstungen in der Realität kaum in diesem großen Umfang erfolgen dürften – schließlich benötigen die bald neun Milliarden Menschen genügend Fläche, um Nahrungsmittel herzustellen – werde der Einfluss auf die Temperatursteigerung vermutlich noch geringer ausfallen, schreiben Arora und Montenegro.

Am stärksten zeigte sich der positive Effekt der neuen Bäume in den Tropen. Zwar gibt es auch dort einen Wärmestau durch die schlechte Rückstrahlfähigkeit der Wälder. Aber in den warmen Gebieten wachsen Pflanzen naturgemäß schneller und können mehr CO2 fixieren als etwa in den Nadelwäldern des hohen Nordens. „Die Aufforstung in den Tropen ist drei Mal effektiver als in den gemäßigten und hohen Breiten“, schreiben die Wissenschaftler. Sie weisen allerdings darauf hin, dass ihre Resultate teilweise mit großen Unsicherheiten behaftet sind. So wurde die Albedo von Wäldern und Äckern von verschiedenen Forschergruppen recht unterschiedlich eingestuft. Ebenfalls unklar sei, wie der positive Einfluss eines erhöhten CO2-Gehalts auf das Pflanzenwachstum genau zu beziffern ist.

Auch wenn neu geschaffene Wälder die Erderwärmung kaum aufhalten, haben sie doch weitere positive Einflüsse aufs Klima, betonen die Forscher: Sie seien wichtig für den Artenschutz, produzieren den nachwachsenden Rohstoff Holz, schützen den Boden vor Erosion. Nicht zuletzt nehmen die Bäume viel Kohlendioxid auf, was der Versauerung der Ozeane entgegenwirkt.

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