Kuschelhormon: Nasenspray hilft gegen Stress
Vertrauen versprühen: Ein Nasenspray, das das „Kuschelhormon“ Oxytocin enthält, könnte gegen soziale Ängste und Stress helfen. Paaren hilft es zumindest, Konflikte positiver anzugehen, wie eine Studie zeigt.
Paarbeziehungen halten besser, wenn in der Kommunikation der Partner positive, freundliche Botschaften überwiegen. Das hat der amerikanische Psychologe John Gottman nachgewiesen, wobei der Befund nicht wirklich überraschend ist. Gewöhnungsbedürftig ist dagegen die Vorstellung, dass zwei Menschen ausgerechnet ein Nasenspray helfen könnte, ihren Gesprächen jene positive Ausstrahlung zu verleihen.
Noch ist das Zukunftsmusik. Doch eine Studie von Psychologen um Beate Ditzen von der Universität Zürich und Markus Heinrichs, der inzwischen an der Uni Freiburg forscht, zeigt: Paare gehen Konflikte positiver an, wenn sich jeder von ihnen zuvor eine Dosis des Neuropeptids Oxytocin in die Nase gesprüht hat. Jedenfalls galt das für 47 heterosexuelle Paare zwischen 20 und 50 Jahren, die unter „Laborbedingungen“ zehn Minuten lang über ein für sie besonders brisantes Thema stritten. Die Diskussion wurde gefilmt und anschließend analysiert, außerdem wurden mehrfach Speicheltests zur Kontrolle des „Stresshormons“ Cortisol vorgenommen. Nach dem Streit waren die Werte bei den Paaren, die Oxytocin bekommen hatten, deutlich niedriger als bei der Vergleichsgruppe, die ein Spray ohne Wirkstoff bekommen hatte, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Biological Psychiatry“. Allerdings gaben alle Versuchsteilnehmer in der anschließenden Befragung an, dieser Streit zu wissenschaftlichen Zwecken sei vergleichsweise harmlos ausgefallen.
Auch wenn die Studie also keine völlig „naturgetreuen“ Paarkonflikte abbilden sollte: Es ist nicht die erste, die den Einfluss von Oxytocin-Spray auf das soziale Verhalten von Versuchspersonen belegt. Besonderes Aufsehen hatte im Jahr 2005 eine in „Nature“ veröffentlichte Untersuchung erregt, für die Heinrichs mit dem Ökonomen Ernst Fehr zusammengearbeitet hatte. Die Forscher konnten zeigen, dass Oxytocin Teilnehmer eines Gewinnspiels vertrauensvoller gegenüber unbekannten Mitspielern macht.
Oxytocin ist das körpereigene Hormon mit den vielen Beinamen: Es ist als Wehen- und Still-, aber auch als „Kuschel“- und Bindungs-Hormon bekannt geworden. Als Medikament wird es heute in der Geburtshilfe eingesetzt, um die Wehentätigkeit zu fördern und um den Milchfluss anzuregen. Inzwischen interessiert es aber zunehmend auch Psychologen und Psychiater. „Oxytocin ist für uns interessant, weil es im weitesten Sinne mit Wohlbefinden assoziiert ist; außerdem sind Untersuchungen relativ einfach durchzuführen, weil der Stoff leicht applizierbar ist“, sagt die Psychiaterin Isabella Heuser von der Berliner Charité. Sie ist Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für das Fachgebiet mit dem komplizierten Namen Psychoneuroendokrinologie, deren Jahreskonferenz am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand.
Die Wissenschaftler untersuchen die Wirkungen von hormonellen Substanzen und Regelkreisen im Gehirn auf die Psyche. Auf dem Treffen ging es unter anderem auch um das „Kuschelhormon“.
Der Psychologe Rainer Düsing von der Universität Osnabrück stellte eine Studie vor, für die er 36 Freiwillige zunächst in zwei Gruppen einteilte – je nachdem, wie gut sie ihren Gefühlshaushalt nach Misserfolgen regulieren konnten. Nach dem Zufallsprinzip bekamen Teilnehmer aus beiden Gruppen dann entweder das Oxytocin-Spray oder ein Placebo. Anschließend mussten sie sich dem „Trier Social Stress Test“ unterziehen: Sie sollten Kopfrechenaufgaben lösen und frei eine kleine Ansprache halten, wobei sie gefilmt wurden. In Abständen wurde danach der Cortisol-Spiegel gemessen, außerdem wurden die Teilnehmer nach ihrem Befinden gefragt.
Es zeigte sich, dass die Cortisol-Werte bei den Anwendern des echten Nasensprays deutlich niedriger ausfielen. Die Personen, die den Tests zufolge dazu neigen, auf Misserfolge eher schicksalsergeben als zupackend zu reagieren, profitierten nach eigenem Eindruck am meisten von dem Spray mit dem synthetisch hergestellten Oxytocin.
Düsing glaubt, dass solchen leicht zu entmutigenden Menschen eine Langzeitgabe des Neuropeptids viel helfen kann. Allerdings nur, wenn sie sich unter dem Schutz des Wirkstoffs den Anforderungen des Alltags stellen: „Wenn man wieder und wieder Gelegenheit bekommt zu erfahren, dass man besser mit Stress umgehen kann, kann man auf Dauer ein günstigeres Verhalten erlernen“, sagt er. Langfristig könnte es womöglich gelingen, schwierige Situationen ohne das Nasenspray zu meistern.
Sein Freiburger Kollege Markus Heinrichs schlägt vor, die Oxytocingabe mit einer Psychotherapie zu kombinieren. „Allein kann das Hormon nämlich gar nichts bewirken“, sagt er. Die Kombi-Behandlung sei dagegen besonders bei sozialen Phobien, unter Umständen auch bei bestimmten Formen von Autismus denkbar. Derzeit laufe dazu eine Reihe von Studien. Spannend sind auch erste Ergebnisse zu genetischen Unterschieden in der körpereigenen Produktion des Hormons. „Wir wissen inzwischen, dass es in der Bevölkerung mehrere Gruppen gibt, die unterschiedlich viel Oxytocin ausschütten“, sagt Heinrichs.
Der Psychologe warnt davor, die Substanz auf eigene Faust einzunehmen. In Deutschland ist sie rezeptpflichtig und für diese Anwendungsgebiete gar nicht zugelassen. Im Ausland kann man sie jedoch relativ einfach besorgen. „Dagegen spricht, dass es noch keine einzige abgeschlossene klinische Studie gibt.“ So wissen die Forscher bisher nur sehr wenig über Nebenwirkungen und darüber, wie das Hormon andere Medikamente beeinflusst.
Auch die Wissenschaftler selbst sind in dieser Hinsicht offensichtlich sehr vorsichtig: Als auf dem Kongress die Frage aufkam, wer unter den Teilnehmern aus aller Welt denn selbst schon Erfahrung mit dem Nasenspray gesammelt habe, meldeten sich nur drei der Anwesenden.
Adelheid Müller-Lissner
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