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Gammaschleuder. Bei einer Sternenexplosion werden unter anderem Gammastrahlen ins Universum abgestrahlt. Die Abbildung zeigt den Krebsnebel, den Rest einer Supernova im Sternbild Stier.
©  AFP/Nasa

Astronomie: Nachrichten von den extremsten Orten

Ein neues Gammateleskop in Namibia soll spektakuläre Objekte im All genauer erforschen. Es spürt Lichtblitze auf, die nur wenige Milliardstelsekunden lang sind.

Gammastrahlen gehören zweifelsohne zu den eigensinnigsten Zuträgern der Astronomen. Im Gegensatz zu Licht- und Radiowellen, die von den Himmelsforschern schon länger detektiert werden, lässt sich kosmische Gammastrahlung auf der Erdoberfläche allenfalls indirekt nachweisen. Oder die Wissenschaftler nutzen spezielle Observatorien, die ins All geschossen werden. Wenn sie allerdings ein Signal registrieren, können sie sicher sein, Zeugen der spektakulärsten Ereignisse im Universum zu sein.

„Gammastrahlung enthält sehr viel Energie, sie kann nur an den extremsten Orten im Kosmos entstehen“, sagt Werner Hofmann vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Er ist Sprecher der „Hess“-Kollaboration, die mit besonders konstruierten Teleskopen des High Energy Stereoscopic System – daher die Abkürzung – solche Orte aufspürt. Vor Kurzem haben Hofmann und seine Kollegen im Hess-Antennenpark in Namibia ein neues, größeres Teleskop in Betrieb genommen, mit dem sie Quellen von Gammastrahlung noch genauer erforschen wollen. Wie zum Beispiel superschwere Schwarze Löcher oder Sternenexplosionen.

Bei ihrer Arbeit stützen sie sich auf eine Himmelskarte, in der rund 100 Gammastrahlungsquellen innerhalb und außerhalb der Milchstraße verzeichnet sind. Sie entstand in den letzten zehn Jahren, als die Hess-Teleskope in rund 9500 Stunden Beobachtungszeit den Himmel systematischer durchmustert haben.

„Gammastrahlen werden nicht durch Magnetfelder abgelenkt, sondern strahlen ab ihrem Entstehungsort perfekt geradlinig und geben damit Auskunft über ihre Quelle“, nennt Hofmann einen wichtigen Vorzug der Strahlung. „Allerdings wird sie in der Erdatmosphäre absorbiert.“ Das macht eine direkte Beobachtung am Boden unmöglich. Es gibt aber zwei Wege, der Strahlung dennoch auf die Spur zu kommen. Der eine sind spezielle Satellitenobservatorien wie die Nasa-Sonde „Fermi“ oder der europäische Detektor „Integral“, die auf Gammastrahlung spezialisiert sind. „Das Problem solcher Satellitenobservatorien ist, dass die Detektorfläche nur einen Quadratmeter misst“, sagt der Heidelberger Wissenschaftler. Dementsprechend gering ist ihr Sehvermögen.

Der andere Weg ist, die indirekten Wirkungen der Gammastrahlung zu beobachten – und das geht auch auf dem Erdboden. Trifft ein Gammaquant auf Luftmoleküle der Atmosphäre, entstehen „Sekundärteilchen“, die einen extrem kurzen und mit dem menschlichen Auge nicht wahrnehmbaren Lichtblitz erzeugen. Dieses „Tscherenkow-Licht“ breitet sich kegelförmig zur Erdoberfläche hin aus und wird mit schüsselförmigen Spiegeln am Erdboden aufgefangen und abgebildet (siehe Grafik). „Man sieht diesen Teilchenschauer wie eine Meteorspur am Himmel, fotografiert sie und verfolgt sie am Himmel zurück, um auf die Quelle zu schließen“, erläutert Hofmann. Vorausgesetzt, das Teleskop befindet sich innerhalb des einige Fußballfelder umfassenden Lichtspots. Andernfalls bleibt der Gammaquant den Forschern verborgen.

Um das Tscherenkow-Licht zu detektieren, stehen nahe dem Gamsberg in Namibia vier Einzelteleskope des Hess-Observatoriums mit je 12 Metern Durchmesser. Das neue Teleskop misst sogar 28 Meter und ist damit das größte derartige Messgerät auf der Welt. Hinzu kommen noch zwei 17-Meter-Spiegel des Magic-Teleskopsystems (Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkow Telescope) auf der Kanareninsel La Palma.

Es sind im Prinzip normale Spiegelteleskope, wie sie vielerorts zu sehen sind. Allerdings gibt es gegenüber den optischen Instrumenten zwei Unterschiede. Einmal ist es die deutlich geringere Abbildungsqualität, weil das beobachtete Tscherenkow-Licht eher diffus ist, und zum anderen die Belichtungszeit: „Optische Teleskope belichten sehr lange“, sagt Hofmann. „Doch der von uns beobachtete Lichtblitz dauert nur einige Milliardstelsekunden.“ Daher seien diese Teleskope darauf getrimmt, extrem kurze Belichtungszeiten zu erreichen, um den Lichtblitz optimal einzufangen.

Gammateleskope spüren dramatische kosmische Ereignisse auf. Die meisten Strahlungsquellen in unserer Galaxie sind Sternexplosionen, fanden die Hess-Forscher heraus. Die beim Tod eines sehr massereichen alten Sternes frei werdende Schockwelle, die mit bis zu einigen Prozent der Lichtgeschwindigkeit läuft, beschleunigt Teilchen auf enormes Tempo und ist somit eine Gammastrahlungsquelle. „Noch dramatischer ist es bei extragalaktischen Quellen. Da sie weiter weg sind, können wir nur Quellen sehen, die eine sehr viel höhere Energieumsetzung haben“, sagt Hofmann. „Das sind typischerweise supermassive Schwarze Löcher von Millionen bis Milliarden Sonnenmassen, in die Materie einfällt, wobei erhebliche Energie umgesetzt wird.“

Ein noch viel spannenderes Forschungsfeld ist allerdings der Nachweis der Dunklen Materie, sagt der MPI-Forscher. Wenn Teilchen der Dunklen Materie tatsächlich sogenannte supersymmetrische Teilchen sind, wie in vielen Modellen angenommen, dann können sie sich mit den jeweiligen Teilchen der sichtbaren Materie ausgleichen, wobei Gammastrahlung frei wird. So verwenden die Gammaobservatorien einen beträchtlichen Teil der Beobachtungszeit zur Suche nach solcher Gammastrahlung, die möglicherweise auf Teilchen der Dunklen Materie verweist. „Mittlerweile hat auch das Fermi-Teleskop Hinweise auf solche Gammastrahlung aus dem Galaktischen Zentrum geliefert“, sagt Hofmann. Sie seien aber noch unbestätigt. „Vielleicht werden wir mit dem neuen Hess-Teleskop mehr darüber erfahren.“

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