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Rätselhaft. Das überzählige Chromosom 21 hat - je nach Patient - ganz unterschiedliche Auswirkungen. Warum das so ist, verstehen Forscher noch nicht genau.
© dpa

Trisomie 21: Molekulare Nachrichtensperre

Wie genau die vielfältigen Symptome beim Down-Syndrom entstehen, ist noch immer weitgehend unbekannt. Mit einem neuen Werkzeug können Forscher das nun untersuchen: Sie schalten das überzählige Chromosom einfach ab.

Das überzählige Chromosom 21, das die Trisomie 21 (oder: Down-Syndrom) verursacht, kann in einer Zellkultur stillgelegt werden. So behandelte Zellen entwickeln sich dann ähnlich wie gesunde, berichten Jeanne Lawrence von der Universität von Massachusetts und ihre Kollegen im Fachblatt „Nature“. Ein ganzes Chromosom wurde vorher noch nie künstlich abgeschaltet.

„Das heißt nicht, dass es bald eine Chromosomentherapie für Menschen mit Trisomie 21 gibt“, sagt Boris Fehse, der am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf Zell- und Gentherapien erforscht. Für die Anwendung im lebenden Körper sei die Technik zu anspruchsvoll, viele Schäden könne man außerdem nach der Geburt nicht mehr so rückgängig machen. „Aber es ist eine sehr elegante Methode, um die Auswirkungen des überzähligen Chromosoms im Labor zu untersuchen und so möglicherweise neue Therapieansätze zu finden.“

Ein Chromosom zu viel kann alles durcheinanderbringen. Normalerweise ist das Erbgut des Menschen in 23 Chromosomenpaare verpackt. Ist Nummer 13 oder 18 dreimal in jeder Körperzelle vorhanden, sterben die Kinder entweder im Mutterleib oder bald nach der Geburt.

Eine dreifache Kopie von Nummer 21 dagegen hat vielfältige Folgen: von Herzfehlern über Bewegungsstörungen bis hin zur geistigen Behinderung. Wie stark das jeweils ausgeprägt ist, variiert von Patient zu Patient. Bisher ist jedoch weitgehend unbekannt, welche biologischen Mechanismen dazu führen – zumal einzelne Symptome auch andere Ursachen haben können und durch gute Förderung abgemildert werden. „Außerdem ist es wahrscheinlich bei einigen Genen auf dem Chromosom 21 nicht weiter schlimm, wenn es dreifach vorliegt. Bei anderen ist es katastrophal“, sagt Peter Robinson vom Institut für Medizinische Genetik der Berliner Charité.

Das Team um Lawrence hat nun ein Werkzeug entwickelt, mit dem Forscher die Auswirkungen von Trisomien auf die Entwicklung untersuchen können. Dazu programmierten sie zunächst Hautzellen eines Menschen mit Trisomie 21 zu pluripotenten Stammzellen um. An eine bestimmte Stelle im Chromosom 21 dieser Stammzellen bauten sie dann mithilfe eines Enzyms das Gen XIST ein. Normalerweise ist XIST dafür zuständig, dass eines der beiden X-Chromosomen von Frauen stillgelegt wird und sich ein weiblicher Embryo gut entwickeln kann. Lawrence nutzte diese molekulare Nachrichtensperre, um das überzählige Chromosom 21 auszuschalten, und versah es gleichzeitig mit einem „An-Schalter“: Der Wirkstoff Doxycyclin hebt die Sperre wieder auf. Eine geniale Idee, findet Robinson.

Die Forscher konnten so die Entwicklung sonst genetisch identischer Zellen vergleichen: War das dritte Chromosom aktiv, teilten sich die Zellen zum Beispiel weniger schnell und konnten schlechter zu Nervenzellen reifen. Viele weitere Experimente werden folgen, sagt Fehse. „Für die Forschung ist das ein enormer Fortschritt.“

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