zum Hauptinhalt
Ein Kiefer aus einer Höhle in Rumänien mit fünf Backenzähnen.
© Svante Pääbo, Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig

Anthropologie: Moderner Mensch, mit einem Schuss Neandertaler

Erbgutanalyse eines 40.000 Jahre alten Kieferknochens überrascht Forscher: Der Homo sapiens könnte zugleich Ur-Urenkel eines Neandertalers sein. Offenbar hatten beide Arten gemeinsame Nachkommen.

Neandertaler und moderne Menschen haben einst in Europa gemeinsame Nachkommen gezeugt. Das belegen Analysen eines Kieferknochens aus Rumänien, über den Forscher im Fachblatt „Nature“ berichten. Demnach stammen sechs bis neun Prozent der DNS dieses Menschen vom Neandertaler. Das ist mehr als bei jedem anderen bisher sequenzierten Erbgut eines modernen Menschen, wie David Reich von der Harvard Medical School betont. Die Autoren schätzen, dass der untersuchte Vorfahr der Ur-Urenkel eines Neandertalers gewesen sein könnte.

„Wir haben sie fast in flagranti erwischt.“

Der Knochen war 2002 in der Oase-Höhle im Südwesten Rumäniens gefunden worden und ist 37 000 bis 42 000 Jahre alt. Damit gilt er als einer der ältesten Funde eines modernen Menschen in Europa. Die kürzlich vorgenommene Erbgutanalyse überraschte die Forscher. „Es ist so ein fantastischer Glücksfall, eine Person zu finden, die so nah mit einem Neandertaler verwandt war“, sagt der Studienleiter Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Wir haben sie fast in flagranti erwischt.“

Bisher war den Angaben zufolge vermutet worden, dass sich der moderne Mensch (Homo sapiens), als er sich aus Afrika über Asien, Europa und den Rest der Welt ausbreitete, im Nahen Osten mit Neandertalern vermischte. Die Analyse zeigt nun, dass sich das nicht auf die ersten Kontakte zwischen den beiden verwandten Arten beschränkte, sondern es dazu höchstwahrscheinlich auch noch später und auch in Europa kam. Zumindest hatte der Mensch aus der Oase-Höhle einen Neandertaler als Vorfahren in vier bis sechs Generationen zuvor.

Europäer tragen ein bis drei Prozent Neandertaler-DNS

Die Vermischung zwischen Neandertaler und Homo sapiens hat Spuren bis in die heutige Zeit hinterlassen. Demnach tragen Menschen mit Wurzeln außerhalb Afrikas noch immer zwischen einem und drei Prozent Neandertaler-DNS in sich. Dass die Vermischung damals der Normalfall war, glaubt Pääbo aber nicht. Dann wäre der Anteil an Neandertaler-Erbgut heute höher. „Wie häufig solche Vermischung vorkam, können wir nicht genau sagen, sondern nur, dass es tatsächlich passiert ist“, sagt er.

„Wir wissen auch nicht, ob die Vorfahren dieses Menschen aus der Oase-Höhle zusammengelebt haben oder es nur ein One-Night-Stand war.“ Die Forscher hoffen nun, weitere Belege für solche Kontakte zwischen den modernen Menschen und Neandertalern zu finden. Dabei wollen sie auch Überreste von Neandertalern untersuchen, die in dieser Zeit gelebt haben. (dpa)

Zur Startseite