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Stoppzeichen. Mit einer Sitzblockade störten Studierende in Magdeburg jetzt den Besuch des Ministerpräsidenten.
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Proteste gegen Kürzungen in Sachsen-Anhalt: Mitteldeutsche Unis in Not

Tausende Studienplätze seien gefährdet, sagen Studierendenvertreter. Sie protestieren gegen Kürzungen - zum Beispiel, indem sie das Dienstfahrzeug des Ministerpräsidenten blockieren.

Sie protestieren „gegen engstirnige Sparmaßnahmen“ und bejubeln ironisch die „Beste Uni wo gibt“. Tausende Studierende sind in der vergangenen Woche in Sachsen-Anhalt gegen drohende Sparmaßnahmen der Landesregierung auf die Straße gegangen. An der Universität Halle-Wittenberg demonstrierten gut 6000 Studierende und Mitarbeiter gegen die geplante Streichung etlicher Studiengänge, betroffen sind unter anderem Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Geowissenschaften und Informatik. Insgesamt seien dadurch mehr als 1000 Studienplätze gefährdet, erklärte die Studierendenvertretung.

In Magdeburg störten etwa 150 Studierende den Besuch des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), an der Universität. Unter anderem blockierten sie nach Berichten von Regionalzeitungen Haseloffs Wagen, zu weiteren Terminen musste er zu Fuß gehen. An der Uni Magdeburg sollte ursprünglich die Fakultät für Humanwissenschaften gestrichen werden, 3500 Studienplätze drohten damit wegzufallen. Der Plan ist zwar nach früheren Protesten und Verhandlungen zwischen Unileitung und Land vom Tisch, aber die Uni soll jetzt eigene Sparvorschläge machen.

Weniger Geld für die Hochschulen

Sachsen-Anhalt diskutiert seit einem guten Jahr heftig über die Zukunft seiner Wissenschaftslandschaft. Hintergrund sind die Schuldenbremse, das Auslaufen des Solidarpakts und die schrumpfenden Bevölkerungszahlen, durch die die ostdeutschen Länder Geld aus dem Länderfinanzausgleich verlieren. In Sachsen-Anhalt sollten die Zuschüsse für die wissenschaftlichen Einrichtungen deshalb ursprünglich bis 2025 Jahr für Jahr um fünf Millionen Euro sinken. Kumuliert hätten die Hochschulen so über den gesamten Zeitraum 275 Millionen Euro verloren. Die damalige Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff protestierte dagegen und wurde entlassen. Dass ihr mit Hartmut Möllring ausgerechnet ein Finanzpolitiker nachfolgte, wirkte auf viele eher bedrohlich. Schon damals gingen Zehntausende auf die Straße.

Ende vergangenen Jahres wurde allerdings zwischen Hochschulen und Land der „Bernburger Frieden“ geschlossen. Es bleibt bei Kürzungen, aber auf einem niedrigeren Niveau. Die Rektoren verzichten 2015 auf 1,5 Prozent ihrer aktuellen Zuschüsse von 320 Millionen Euro (ohne Medizin). Das entspricht einem Minus von 4,7 Millionen Euro. Bis 2019 bleiben die Zuschüsse dann auf diesem Niveau von 315 Millionen Euro eingefroren, insgesamt müssen die Hochschulen so im Vergleich zum heutigen Niveau gut 24 Millionen Euro sparen. Ab 2020 soll es dann durch Strukturveränderungen acht bis zehn Millionen Euro jährlich weniger als derzeit geben.

Die Lehrerbildung könnte teilweise in andere Bundesländer verlegt werden

Dafür hat Minister Möllring unlängst einen Hochschulstrukturplan vorgelegt, der die Proteste wieder befeuert hat – auch wenn der Minister betont, das Papier sei eine Diskussionsgrundlage und er sei für Vorschläge aus den Hochschulen offen. Laut Möllrings Plan sollen Fächer, die im Land an mehreren Hochschulen vorkommen, möglichst an einem Standort konzentriert werden. So erklären sich die für Halle-Wittenberg geplanten Institutsstreichungen. Zur Disposition stehen aber auch Teile der Lehrerbildung. Es soll geprüft werden, ob die Unis in Leipzig und Jena die Bereiche Sport und Geografie übernehmen können.

In Magdeburg sollen unter anderem ingenieurwissenschaftliche Fakultäten fusionieren, gleichzeitig will das Land dort aber die Technikfächer wie auch die Medizin stärken und die Wirtschaftswissenschaften ausbauen. Das hatte auch der Wissenschaftsrat im Juli vergangenen Jahres empfohlen. Vor „sofortigen Einsparungen“ hatte das Gremium allerdings gewarnt. Sachsen-Anhalt brauche ein gut ausgebautes Hochschulsystem, um dem demografischen Wandel zu begegnen.

Hochschulen sollen mehr EU-Geld einwerben

Ministerpräsident Haseloff hat die Universitäten unterdessen aufgerufen, sich verstärkt um Mittel aus Fördertöpfen der Europäischen Union zu bemühen. Der Drittmittelanteil der Landeshochschulen sei noch zu gering, sagte Haseloff nach einem Bericht der „Volksstimme“ an der Uni Magdeburg. „In Europa ist noch mehr zu holen.“ Mit einer Mischfinanzierung des Landes, des Bundes, aus Europa und aus der Wirtschaft sei eine hervorragende Finanzierung möglich.

Die Studierenden wollen ihre Proteste fortsetzen. In Wittenberg hatte sich Anfang April der „Bildungsstreik 2014“ formiert, dem sich auch die Humboldt–Universität zu Berlin angeschlossen hat. Zu ersten bundesweiten Demonstrationen ruft das Bündnis für den 20. Mai auf.

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