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Berauschend. „Zauberpilze“ gedeihen überall auf der Welt. Foto: Wikimedia
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Depression: Mit Magic Mushrooms aus dem Seelentief

Rettender Rausch: Das aus psychedelischen Pilzen gewonnene Psilocybin kann Menschen mit schweren Depressionen helfen.

Die „Magic Mushrooms“ (Zauberpilze) der Hippie-Ära könnten bald zurückkehren. Aber nicht als psychedelische Drogen, sondern als Heilmittel. Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass das in den Pilzen enthaltene Psilocybin Angst (etwa bei Krebskranken im Endstadium) und zwanghaftes Verhalten verringern und beim Bekämpfen von Alkoholismus oder Tabakabhängigkeit helfen kann. Londoner Forscher haben Psilocybin nun auch bei Patienten mit hartnäckiger Depression getestet – mit Erfolg.

Der Psychologe Robin Carhart-Harris vom Imperial College London und sein Team behandelten zwölf Patienten, die seit durchschnittlich knapp 18 Jahren unter Depressionen litten, mit Psilocybin. Zunächst schluckten die Versuchsteilnehmer eine Kapsel mit niedrig dosiertem Wirkstoff, eine Woche später bekamen sie eine weitere Kapsel mit höher dosiertem Psilocybin.

Während die Droge wirkt, liegen die Patienten im Bett

Die Patienten ruhten nach der Einnahme auf einem Bett in einem abgedunkelten Raum und hörten Musik. Nach 30 bis 60 Minuten setzte die psychedelische Wirkung ein (etwa intensivere und übersteigerte oder halluzinatorische Wahrnehmung von Farben, Formen und Klängen) und erreichte nach zwei bis drei Stunden ihren Höhepunkt. Sechs Stunden später konnten die Teilnehmer nach Hause gehen. Ernste Komplikationen traten nicht auf, doch waren alle Versuchspersonen bei Einsetzen der Drogenwirkung vorübergehend beunruhigt.

Eine Woche nach der Behandlung war bei sämtlichen zwölf Teilnehmern eine Besserung der Depression festzustellen. Nach drei Monaten hielt diese bei sieben Patienten an, bei fünf war ein Rückfall eingetreten. Die im Fachblatt „Lancet Psychiatry“ veröffentlichte Studie erlaubt keine weitreichenden Schlüsse, da sie nur wenige Teilnehmer umfasste. Aber das Ergebnis rechtfertigt aus Sicht der Wissenschaftler, den Behandlungsansatz weiter zu erforschen. Das ist auch deshalb plausibel, weil Psilocybin, genauer: dessen Abbauprodukt Psilocin, im Gehirn auf die Andockstellen für den Botenstoff Serotonin wirkt. Damit hat Psilocin einen ähnlichen Ansatz wie moderne Medikamente gegen Depressionen.

Depressive fühlen sich oft in ihrem Leiden wie eingemauert. Ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Psilocybin hat das Potenzial, Betroffene aus dieser psychischen Kerkerhaft zu befreien. Das jedenfalls glaubt der Studienleiter Carhart- Harris. Allerdings sollten die Patienten nicht allein sein. Zwei Psychiater waren ständig anwesend, so lange die Droge wirkte.

Hartmut Wewetzer

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