Fleiß, Durchhaltevermögen, Sturheit: Mit 35 Dollar an die Elite-Uni
Drei Chemiker von drei Kontinenten mit drei Lebenswegen bekommen den Chemie-Nobelpreis. Wie haben sie das erreicht?
Sicher braucht es einen überdurchschnittlichen Geist, um Nobelpreisträger zu sein. Aber Genie allein reicht nicht. Dass Fleiß, Hingabe, Durchhaltevermögen und mitunter auch Sturheit dazu gehört, verkörpert wohl niemand besser als der Mathematiker, Chemiker und Physiker John Goodenough. Geboren 1922 in Jena habe er zu seiner US-amerikanischen Familie ein – wie er später selbst sagte – „lausiges“ Verhältnis gehabt. Aus Gründen: „Hier, Junge, du kannst zur Universität gehen“, habe sein Vater, der Religionswissenschaftler Erwin Goodenough zu ihm gesagt und ihm 35 Dollar in die Hand gedrückt. Das war selbst in den 1940ern bei weitem zu wenig für ein College-Studium an der Elite-Universität Yale in New Haven, Connecticut. Dort war er wegen seiner besonderen Leistungen in Mathematik auf dem Internat einer Episkopal-Kirche, wohin ihn der Vater geschickt hatte, angenommen worden.
Aufgeben? John Goodenough hatte seinen Stolz und beschloss, „nie wieder einen Penny von zuhause zu nehmen“. Er arbeitete und gab Nachhilfe, um die 900 Dollar Schulgeld und genug für Essen und Unterkunft zusammenzubekommen. Und er schaffte es: 1944 schloss er sein Mathematikstudium mit Auszeichnung ab. Als der 24-Jährige dann – zurück aus Portugal, wo er bis Ende des Zweiten Weltkriegs stationiert war – Physik an der Universität Chicago studieren wollte, blaffte ihn der Angestellte im Registrierungsbüro an: „Wissen Sie nicht, dass alle, die etwas Interessantes in Physik erreicht haben, in Ihrem Alter längst fertig damit waren?“
Dann folgte ein 32-stündiges Auswahlexamen über vier Tage. Auch das überstand Goodenough, jedenfalls beim zweiten Anlauf. Danach konnte seine akademische Laufbahn beginnen – angefangen bei der Physikerin und Materialforscherin Clarence Zener bis zu seiner Berufung 1986 an die Universität Texas in Austin. Dort forscht er noch immer an der „Superbatterie“. Dass er der bislang älteste Nobelpreisträger ist, also selbst der Langsamkeit des Nobelkomitees getrotzt hat, passt zu seinem Lebenslauf.
Von Supraleitern zur Akkuforschung
Für den Briten Stanley Whittingham (77) kam das Schlüsselereignis auf dem Weg zum Nobelpreis während seiner Zeit beim Ölkonzern Exxon, der damals, in den 1970ern, noch Esso hieß. Dort forschte der Chemiker, der 1967 an der Universität Oxford seinen Abschluss gemacht und für vier Jahre nach Kalifornien an die Stanford Universität gewechselt hatte, gerade an Batterien, Brennstoffzellen und vor allem an Supraleitern. Dabei fiel dem Forscher, der inzwischen wieder an einer Universität in den USA arbeitet (Binghamton New York State University), auf, dass sie sich nicht nur zum Leiten von Strom, sondern auch zum Speichern von Energie nutzen lassen.
Die Idee der Lithium-Ionen-Batterie war geboren, die dann von Goodenough und Akira Yoshino perfektioniert wurde, dem dritten Preisträger. Welche Auswirkungen der Nobelpreis auf ihn haben werde, wisse er nicht, sagte er in einem Interview. „Meine Frau würde wohl grummeln, weil ich dann noch mehr reisen müsse als ohnehin schon.“
Riesige Eisenkugeln auf Akkus schmeißen
Akira Yoshino (71) reagierte sichtlich glücklich auf die Nachricht aus Schweden: „Ich freue mich“, sagte er in einem Interview und strahlte auch auf einer Pressekonferenz seiner Universität, der Meijo University Nagoya in Tokio, als er einen Anruf von Japans Premierminister Shinzo Abe entgegennahm. Seine Reise in die Chemie begann mit einem Buch, das ihm sein Grundschullehrer gab: Michael Faradays „Naturgeschichte einer Kerze“. Seitdem habe er Kerzen mit anderen Augen gesehen, seine Faszination für Chemie war geboren.
Er studierte an der Universität Osaka und wechselte in die Industrie, wo er bis heute, bei Asahi Chemical, forscht und wo er die Materialien testete, die bessere Akkus versprachen. Mit durchaus ungewöhnlichen Methoden: So ließ er auf einem Parkplatz riesige Eisenkugeln auf Prototypen fallen, um zu überprüfen, ob sie explodieren würden. Ein Schritt auf dem Weg zum Nobelpreis, aber „damit kämen wir heute nicht mehr durch“, sagt Yoshino und lacht.