Frauen in der Wissenschaft: Mehr Druck bei der Gleichstellung
Es geht zu langsam voran mit Frauen in der Wissenschaft - da sind sich SPD und Union einig. Über feste Quoten gehen die Meinungen aber auseinander
Mit der Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft geht es nicht schnell genug voran, die bestehenden Initiativen wirken zu wenig – darin sind sich SPD und Union im Bundestag einig. Im EU-Vergleich liegt Deutschland mit seinem Anteil von forschenden Frauen und Forscherinnen auf Führungspositionen in der Schlussgruppe. Zu einem gemeinsamen Antrag konnten sich die Fraktionen der Koalition aber zum Ende der Legislaturperiode nicht durchringen. Zwar überlappen sich manche Vorstellungen. Aber die SPD-Fraktion hält weiterreichende Maßnahmen für geboten als die CDU/CSU-Fraktion sie mittragen möchte, vor allem feste Quoten.
„Wir waren zu Kompromissen bereit, aber die Union will nichts machen“, sagt die zuständige SPD-Abgeordnete Marianne Schieder. Die CDU-Abgeordnete Claudia Lücking-Michel bedauert, dass kein gemeinsamer Antrag zustande gekommen ist. Die Unionsfraktion hat stattdessen nun ein Positionspapier vorgelegt, das laut Lücking-Michel „eine klare Aussage für mehr Chancengerechtigkeit in der Wissenschaft“ darstellt.
"Sonst dauert es bis zum Sankt Nimmerleinstag"
Auch die Arbeitsgruppe Bildung und Forschung SPD-Fraktion geht nach dem gescheiterten Antrag mit einem Positionspapier in den Wahlkampf. Die Fraktion will für die Stellenbesetzungen an Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen verbindliche Quoten einführen, um „die Beteiligung von Frauen mittelfristig“ zu erhöhen, wie es in dem Papier heißt. Das bisherige Vorgehen, wonach die Einrichtungen sich selbst „flexible Zielquoten“ setzen, hält die SPD-Fraktion für zu ineffektiv: „Es muss mehr Druck geben, sonst dauert es bis zum Sankt Nimmerleinstag“, sagt die Abgeordnete Schieder. Die Wissenschaft orientiert sich mit ihren flexiblen Quoten am Kaskadenmodell – dem die SPD-Fraktion nun eine Absage erteilt: „Unserer Auffassung nach werden bestehende Probleme auch langfristig nicht allein dadurch zu lösen sein, wenn der Kaskade entsprechend der Frauenanteil einer Qualifikationsstufe als Maßstab für die nächsthöhere Stufe festgelegt wird“, erklärt die Fraktion. „Denn auch in Disziplinen, in denen Frauen durchweg kaum vertreten sind, müssen neue Chancen für Wissenschaftlerinnen eröffnet werden.“ Auf der Entscheidungsebene der Wissenschaft und in Evaluationsgremien sollen Männer und Frauen mit mindestens jeweils 40 Prozent vertreten sein, lautet das Ziel der SPD-Fraktion. Schieder sieht auch die Industrie in der Pflicht: Wenn sie den Frauen zeige, dass sie gefragt sind, würden sie auch häufiger technische Fächer studieren. Als neues Instrument will die SPD einen Rat für Gleichstellung in der Wissenschaft auf Bundesebene einrichten. Er soll den „relevanten Akteuren“ aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft als Forum dienen, in dem „aus unterschiedlichen Perspektiven“ „Lösungswege“ diskutiert werden können.
Das Professorinnenprogramm soll auf die unteren Qualifikationsstufen ausgeweitet werden
Übereinstimmungen mit der Union gibt es beim Professorinnenprogramm. Im Jahr 2008 ins Leben gerufen, finanziert es Hochschulen für Berufungen von Frauen einen fünfjährigen Anschub. Sowohl die Union als auch die SPD wollen das Programm auf andere Qualifikationsstufen ausweiten.
Und sowohl die Unions- wie die SPD-Fraktion wollen keine Bund-Länder-Programme mehr in der Wissenschaft fördern, bei denen die Qualität von Gleichstellungs- und Personalentwicklungskonzepten nicht ein entscheidendes Kriterium bei der Förderentscheidung ist. Als Negativbeispiel nennt die SPD-Abgeordnete Schieder das Programm „Innovative Hochschule“, in dem verbindliche Regelungen fehlten. Das Programm fördert Fachhochschulen und kleine Unis.
Außerdem will die SPD-Fraktion im Unterschied zur Union die wissenschaftliche Arbeitswelt über Nachjustierungen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz familienfreundlicher gestalten. Schieder ist überzeugt, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, mehr feste Stellen zu schaffen, selbst wenn Drittmittelprojekte eine hohe Flexibilität verlangen. Außerdem sollen in einem Modellversuch „Lebensphasenarbeitszeitmodelle" erprobt werden, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehr Freiräume zu gewähren. Letzteres steht auch im Positionspapier der Union.
Dort nicht enthalten ist allerdings ein Bekenntnis zur Genderforschung, wie es im SPD-Papier steht: „Wir stehen fest zur Geschlechterforschung. Mit uns wird es keine Abwicklung eines anerkannten Wissenschaftszweiges geben“, heißt es mit dem Papier als Reaktion auf Forderungen der AfD, Geschlechterforschung zu unterbinden.