Bildungsmonitor 2016: Mehr Bildung für Flüchtlinge - Berlin wieder letzter
Der Bildungsmonitor fordert mehr Geld für eine bessere Integration von Flüchtlingen ins Bildungssystem. Berlin liegt hinten, in Sachsen ist die Bildung am besten.
Um geflüchtete Kinder und Jugendliche angemessen ins deutsche Bildungssystem zu integrieren, werden jährlich zusätzlich 3,5 Milliarden Euro gebraucht. Das fordern die arbeitgeberfinanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), wie zuvor bereits in einem Teil unserer Ausgabe berichtet. „Das klingt erst mal teuer. Es ist aber humanitär geboten – und wird sich auch fiskalisch lohnen“, sagte Axel Plünnecke vom IW am Donnerstag in Berlin. Die Berechnung findet sich im neuen „Bildungsmonitor“, der die Bildungssysteme der Bundesländer vergleicht und jährlich von INSM und IW herausgegeben wird.
Von den 3,5 Milliarden Euro werden laut Plünnecke 700 Millionen Euro für Kitas benötigt, 1,3 Milliarden für Schulen und 1,2 Milliarden Euro, um Flüchtlinge auf eine Ausbildung vorzubereiten. Die Summe bezieht sich auf die Flüchtlinge, die bis 2016 nach Deutschland gekommen sind. Plünnecke sagte, möglichst alle Flüchtlingskinder im entsprechenden Alter sollten eine Kita besuchen. Dafür müssten im Jahr 2017 rund 98.500 Plätze geschaffen werden. Für die Schulen würden Lehrkräfte für rund 200 000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler gebraucht. Je nach Betreuungsschlüssel handele es sich also um 15.000 bis 30.000 Lehrkräfte, sagte Plünnecke: „Das ist kaum zu schaffen.“ Die Kultusministerkonferenz geht von rund 20.000 zusätzlichen Lehrkräften und Kosten von 2,3 Milliarden Euro allein für die Schulen aus.
Aus der Studie geht hervor, dass 2017 zudem 121.000 Flüchtlinge einen Platz in der Ausbildungsförderung und 34.000 direkt in der dualen Ausbildung benötigen. Durch eine bessere Arbeitsmarktintegration könnten „bereits in naher Zukunft“ Kosten in Höhe von 3,1 Milliarden Euro auch wieder eingespart werden. INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr appellierte an die Länder, angesichts der Integrationsaufgaben mehr in die Bildungssysteme zu investieren: „Wer das nicht tut, kann auch nicht die Wirtschaft dafür kritisieren, dass sie zu wenig tut.“
Kritik an "ideologischen Refomkatalogen"
Pellengahr forderte die Länder zudem auf, nicht nach jedem Regierungswechsel mit neuen „ideologisch motivierten Reformkatalogen“ für das Schulsystem aufzuwarten. Insbesondere die Bestrebungen vieler Länder, vom achtjährigen Gymnasium wieder zum neunjährigen zurückzukehren, nannte er „großen Quatsch“ und „schlicht verantwortungslos“. IW-Studienleiter Plünnecke beurteilt das deutsche Bildungssystem insgesamt aber als „gut bis befriedigend“. Die Länder hätten in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht, jetzt drohe jedoch Stagnation. Plünnecke sieht eine „Spitzengruppe“ von fünf Ländern (Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg), denen die anderen Länder als relativ dichtes Hauptfeld folgten.
Diese fünf Länder liegen im Länderranking des Bildungsmonitors vorne. Berlin nimmt dagegen den letzten Platz ein. Die Reihenfolge hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nur marginal verändert: Auch 2014 und 2015 lagen Sachsen, Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg vorne. Berlin war schon damals Letzter. Auf Platz 14 und 15 liegen unverändert NRW und Brandenburg.
Berlin liegt in der Bildung hinten
Dass in dem Ranking wenig Bewegung herrscht, dürfte auch daran liegen, dass einige zugrunde liegende Daten seit Jahren nicht erneuert werden konnten. So wird die Schulqualität komplett und andere Felder wie Bildungsarmut, Integration und Internationalisierung teilweise auf der Basis der Schulländervergleiche des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) bewertet. Die IQB-Vergleiche wurden allerdings schon 2011 und 2012 durchgeführt. Neue Ergebnisse werden erst wieder in diesem Herbst vorgestellt.
Die im Bildungsmonitor genannten Problemzonen Berlins sind altbekannte: Es schneidet im Vergleich der Schülerleistungen schlecht ab, zu viele Jugendliche verlassen die Schulen ganz ohne Abschluss. Pellengahr forderte Berlin auch auf, mehr für Sanierungen zu tun: „Der Zustand vieler Schulen in Berlin ist erbärmlich“. Tilmann Warnecke