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Medizinstudierende und ihr Professor stehen in der Pathologie an einem Präparationstisch.
© picture-alliance / dpa

Privates Medizin-Studium: Medical Schools ärgern deutsche Unis

Hochschulmedizinische Verbände zweifeln an der Qualität der schnellen Arztausbildung, die neue Medical Schools in Deutschland anbieten. Deren Niveau drohe deutlich unter dem an Universitätsklinika zu liegen.

Noch bis Ende März läuft die Bewerbungsfrist auf fünfzig Studienplätze für Humanmedizin im Nürnberg. Der Anbieter, die Paracelsus-Privatuniversität aus Salzburg, rechnet mit mindestens zehn mal mehr Kandidaten – trotz Studiengebühren von 13 500 Euro im Jahr. Das ganze Studium dauert nach EU-Recht fünf Jahre, eins weniger als bislang hierzulande vorgeschrieben. Maßgeblich für die Studienzulassung sind nicht die mitgebrachten Abiturnoten, sondern aktuelle Tests, auf die man sich vorbereiten (lassen) kann. Dabei kommt es etwa auf „soziale Kompetenz“ an, die Fähigkeit zur persönlichen Zuwendung zum Patienten.

Das Studium endet mit dem österreichischen Titel eines Doktors der allgemeinen Heilkunde (Dr. med. univ.), der damit im gesamten EU-Raum als Arzt zugelassen ist. Das haben die Partnerländer so vereinbart. Gleichwohl zeigen sich der deutsche Medizinische Fakultätentag (MFT), der Verband der Universitätsklinika und die Hochschulrektorenkonferenz empört. So findet es der Dekan der Medizinischen Fakultät der staatlichen Uni Erlangen-Nürnberg unerträglich, „dass auf deutschem Boden eine Ausbildung stattfindet, die sich außerhalb der Kontrolle der deutschen Behörden bewegt“.

"Quasi auf Fachhochschulebene"

Volker Hildebrandt, Generalsekretär des MFT, spricht von einer Ausbildung „quasi auf Fachhochschulebene“. Denn die vorklinische Lehre in Grundlagenfächern wie Biologie, Chemie und Physik übernehmen Dozenten der Nürnberger Technischen Hochschule, die keine Universität ist. Zwei weitere private Medical Schools in Deutschland, Asklepios in Hamburg und KSM in Kassel, kooperieren immerhin mit Universitäten im Ausland. Demgegenüber liege zumindest das beabsichtigte Nürnberger Theorie-Niveau deutlich unter den Ansprüchen deutscher medizinischer Fakultäten, heißt es beim MFT. Das um ein Jahr verschlankte Studium führe zu einem reinen Paukstudium, bei dem die persönliche wissenschaftliche Arbeit zu kurz komme.

Beim Nürnberger Modell lehren Ärzte am Kommunalkrankenhaus die Praxis. Über die Universitätsreife dieses Studiums gutachteten die Freiburger und Mannheimer Medizinprofessoren Brigitte Volk-Zeiher und Harald Klüter im Auftrag der österreichischen Agentur für Qualitätssicherung (AQ Austria). Ihr Ergebnis war negativ, vor allem wegen Zweifeln an der Qualität der Ausbildung am Krankenbett. Lediglich ein studentischer Gutachter war mit dem neuen Angebot einverstanden. AQ Austria setzte sich in ihrem Endbericht von Anfang dieser Woche über die Bedenken der Fachgutachter hinweg und verpflichtet diese sogar zum Schweigen.

Die Agentur selber betont, dass die Kritik der Gutachter sich „vornehmlich auf Rahmenbedingungen“ beziehe. Doch diese Bedenken sind aus der Sicht des deutschen MFT zu erheblich, als dass man sie ignorieren dürfte. Der Fakultätentag hat ein eigenes Rechtsgutachten zu den neuen Medical Schools in Auftrag gegeben. Mitautor Max-Emanuel Geis vermisst gerade in Nürnberg Regelungen für die Konkurrenz und möglichen Konflikte zwischen der akademischen Ausbildung und dem normalen Geschäftsbetrieb eines Krankenhauses.

Reicht die bloße Weitergabe konventionellen Wissens?

Woher sollen die hauptberuflichen Klinikärzte und nebenamtlichen Hochschullehrer noch Zeit zur Forschung nehmen? Oder reicht die bloße Weitergabe von konventionellem Wissen? Über solche Fragen gehe AQ Austria mit leeren Formelkompromissen hinweg – „als ob alles schon von selbst gut wird“, sagte Geis dem Tagesspiegel. Wenn im Sommer dieses Jahres in Nürnberg die ersten Studierenden antreten, müsse man beobachten, wie es tatsächlich um die Qualität der Ausbildung bestellt ist.

Hermann Horstkotte

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