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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
© Privat

Wiarda will's wissen: Macht schneller beim Bildungsrat

Noch ist offen, wann der Bildungsrat zusammentritt - die Länder bremsen. Dabei könnten auch die Kultusminister vom Gremium profitieren, meint unser Kolumnist.

Da war doch was. Der Nationale Bildungsrat. Die Große Koalition versprach Anfang 2018 seine Gründung, verbunden mit vielen Verheißungen, die er bringen soll. Mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen etwa. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen „allen beteiligten politischen Ebenen“, vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen, eine neue Einigkeit über „die zukünftigen Ziele und Entwicklungen“ in der Bildungspolitik. Wenn der Bildungsrat nur die Hälfte dessen erreichte, was der Koalitionsvertrag angekündigt hat, die Bildungsrepublik Deutschland wäre auf einen Schlag verwirklicht.

Doch inzwischen naht die Halbzeit der Legislatur, und wann das neue Gremium zusammentritt, ist offen. Dabei haben sich Bund und Länder hinter den Kulissen bereits bei fast allen Details zu Zusammensetzung, Mandat und Arbeitsweise geeinigt. Selbst bei der heißesten Frage – wer hat wie viel zu sagen, ausgedrückt in der Stimmenverteilung – wäre ein Kompromiss wohl möglich. Klar ist, dass der Rat nur Empfehlungen abgeben wird, die Kulturhoheit der Länder also nicht beschneidet. Die Länder wie der Bund sollen noch dazu gegen alle Beschlüsse ihr Veto einlegen können. Warum also dauern die Verhandlungen so lange?

Eine Trotzreaktion der Länder

Ganz einfach: Weil die auch durch den GroKo-Vertrag hochgejazzten Heilserwartungen zu einer Trotzreaktion der Länder geführt haben. Die meisten Bildungsminister haben den Bildungsrat deshalb am Anfang abgelehnt; sie fürchteten, er könnte das neue Zentralgestirn werden neben einer selten brillant herüberkommenden Kultusministerkonferenz (KMK). Der Rat, der neben der Politik und Wissenschaft weitere Persönlichkeiten einbinden soll, könnte sich mit politisch unrealistischen, dafür aber umso schöneren Visionen profilieren, während die Kultusminister als die vermeintlichen Bürokraten und Verhinderer dastehen und schuld sind, wenn die Umsetzung schiefgeht.

Dem öffentlichen Erwartungsdruck folgend haben sie sich dann zwar für Verhandlungen geöffnet, ließen den Fuß aber auf dem Bremspedal: Wenn es nach ihnen geht, werden Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten das nötige Verwaltungsabkommen erst Mitte 2020 abschließen. Das Bundesbildungsministerium dagegen will noch dieses Jahr durch sein. Das Zeitspiel der Länder würde bedeuten, dass der Rat sich erst im Frühjahr 2021 konstituiert und sein erstes Arbeitsprogramm möglicherweise Ende 2022 steht.

Es könnte etwas Neues aus dem Bildungsrat wachsen

Das Kalkül der Kultusminister: Sie wollen erstmal die Reform ihres eigenen Gremiums voranbringen, die – dank der drohenden Konkurrenz durch den Bildungsrat – ambitioniert auszufallen scheint: Die KMK diskutiert unter anderem zusätzliche bundesweite Bildungsstandards, plant eine erstmals wirklich vereinheitlichte Bildungsstatistik und will möglicherweise sogar die verwirrende Vielfalt bei der bundesweiten Bezeichnung der Schularten beseitigen. Nach dem Motto: Wer braucht noch ein neues Gremium, wenn wir die KMK derart ertüchtigen?

Die Länder haben ja Recht: Es kann sein, dass der Bildungsrat scheitert. Aber vielleicht wächst ja auch etwas Neues, das die Kulturhoheit der Länder eben nicht kaputt macht, sondern belebt. Wenn schon die einzige Macht des neuen Gremiums eine symbolische ist, dann können im besten Falle gerade die Kultusminister von ihr profitieren – wenn der Rat ihnen bei schwierigen Reformen den Rücken stärkt. Doch um herauszufinden, ob es so kommt, muss man ihn erstmal zulassen.

Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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