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In speziellen Materialien werden Lichtimpulse beinah völlig zum Stillstand gebracht.
© Tsakmakidis

Laser: Lichtstrahlen, so schnell wie ein Motorroller

Neue Materialien bremsen Lichtstrahlen fast bis zum völligen Stillstand ab. Das könnte die Lasertechnik verbessern.

Nichts ist schneller und so schwer zu fassen wie das Licht. Im Grunde ist es nicht mehr als elektromagnetische Felder, die in winzigen, masselosen Wellenpaketen dahergeflogen kommen. Nach Einsteins Relativitätstheorie ist die Lichtgeschwindigkeit sogar die größte Geschwindigkeit, die überhaupt möglich ist. Körper mit Masse, gleich ob Raumschiffe oder Elementarteilchen, können sich dieser Geschwindigkeit nur annähern, sie aber niemals erreichen.

Wie aber kann man Licht abbremsen, wie die rasanten Wellen einfangen? Zwar ist seit Jahrhunderten bekannt, dass lichtdurchlässige Medien mit einem hohen Brechungsindex wie bestimmte Gläser Licht auf die Hälfte oder gar ein Drittel seines ursprünglichen Tempos bremsen können. Darauf basiert die gesamte Optik, wie wir sie von Brillen, Lupen, Kameras und Teleskopen kennen. Doch auch mit maßgeschneiderten Materialien lässt sich Licht kaum stärker als um einen Faktor 100 verzögern. Dies ist zwar beachtlich, angesichts der enormen Geschwindigkeit von Licht für viele Anwendungen aber bei Weitem nicht ausreichend.

Das Licht wurde um den Faktor 15 Millionen gebremst

Weltweit arbeiten daher Forscher daran, Licht immer stärker abzubremsen und möglichst nahe an den Stillstand zu bringen. Ein Team von Wissenschaftlern am Imperial College in London hat nun ein besonderes Material entworfen, das sozusagen den Anker wirft und Licht gleich um einen Faktor 15 Millionen bremsen soll. Dann würde es sich mit nur noch 20 Metern in der Sekunde bewegen, etwa so schnell wie ein Motorroller. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Physical Review Letters“ berichten, ersannen sie dafür ein eigenes Medium, einen „nanoplasmonischen Wellenleiter“. Dieser besteht aus verschiedenen Schichten und ist in der Lage, Lichtwellen einzufangen. Dies gelingt aber nicht mit allem Licht, sondern nur mit Lichtwellen, die in einer bestimmten Frequenz schwingen.

„Der Kniff bestand darin, den nanoplasmonischen Wellenleiter so zu entwerfen, dass nur die gewünschten Lichtwellen erlaubt sind“, sagt Ortwin Hess, Leiter der Londoner Forschergruppe. „Das erreichen wir durch eine entsprechende Abfolge der verschiedenen Schichten.“ Bislang haben die Physiker das Material aber nur theoretisch erforscht. Im nächsten Schritt soll die „Lichtbremse“ im Labor gebaut werden, dazu arbeiten die Forscher mit anderen Gruppen zusammen.

Das Medium besteht aus drei hauchdünnen Lagen: In der Mitte befindet sich eine Siliziumschicht, die von zwei Lagen Indiumoxid umgeben ist. Diese Schichten messen nur einige hundert Nanometer und sind damit nur etwa so dick wie ein Zweihundertstel eines menschlichen Haares. Das Medium ist für infrarotes Licht ausgelegt, wie es etwa auch Fernbedienungen aussenden. Wenn solches Licht in den Wellenleiter eintritt, verhält sich das Medium dank der unterschiedlichen Materialeigenschaften widersprüchlich: An den Rändern wird die Lichtwelle zurückgelenkt, während sie in der Mitte des Mediums vorwärtslaufen will.

Hess vergleicht das mit einer Wasserleitung, die die ungewöhnliche Eigenschaft besitzt, Wasser an den Rändern zurücklaufen zu lassen, während es in der Mitte vorwärtsströmt. „Dadurch fließt das Wasser praktisch im Kreis, die Flüssigkeit bewegt nicht mehr von der Stelle.“ Was man sich bei Wasser nur schwer vorstellen kann, lasse sich mit Lichtwellen durchaus machen, sagt der Forscher.

Die Indiumoxid-Silizium-Kombination ist unempfindlich gegenüber Rauheiten der Oberfläche, was sonst häufig eine Schwierigkeit bei optischen Komponenten ist. Außerdem hält es die Lichtwellen so fest, wie sie sind, ohne sie aufzuweiten oder ihre Frequenz zu verändern.

Physiker hoffen auf neuartige Nanolaser

Auch der Physiker Ulf Kleineberg von der Universität München findet diese Materialkombination vielversprechend: „Besonders interessant ist es, dass die unvermeidlichen Verluste von Licht bei der Wechselwirkung mit der Nanostruktur den Effekt nicht zerstören und dass die simulierten Nanostrukturen bereits heute hergestellt werden können.“

Noch funktioniert der Trick aber nur mit kurzen Laserpulsen. Außerdem geht bei dem Bremsmanöver ein großer Teil des Lichts verloren. Für Anwendungen, die besonders effizient ablaufen sollen, müsste man deshalb passende Verstärkermedien finden. Die Lichtwellen überleben auch nicht allzu lange in dem Medium, sondern sind schon nach Sekundenbruchteilen wieder verschwunden. Die Lebensdauer ist aber groß genug für mögliche Anwendungen in der Optoelektronik. Die Forscher denken dabei an die nächste Generation der Kommunikationstechnik, bei der die Datenverarbeitung in Nanodimensionen erfolgt.

Gestopptes Licht beeinflusst die Materie enorm. Mit ihm könnte man deshalb neuartige Nanolaser bauen oder chemische Reaktionen starten, die sonst nicht oder nur uneffektiv stattfinden. „Wir stehen allerdings noch ganz am Anfang“, sagt Hess. „Langsam verstehen wir, was es bedeutet, wenn Licht so langsam wird – und was wir damit anfangen können.“

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