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Grüne Apotheke. Aus dem Chinesischen Beifuß (Artemisia annua) wird Arteminisin gewonnen. Es bildet die Grundlage für ein sehr gut wirksames Mittel gegen Malaria.
© dapd

Chemie: Licht an für ein Malariamittel

Der Berliner Wissenschaftler Peter Seeberger hat eine Methode entwickelt, um Artemisinin herzustellen - dem Grundstoff für Medikamente gegen Malaria.

Es ist nur ein unscheinbarer grauer Kasten mitten in einem Chemielabor in Berlin-Dahlem. Aber für den vielfach ausgezeichneten Chemiker Peter Seeberger ist er „das wichtigste, das ich jemals in meinem Leben gemacht habe“. Denn in dem Kasten stellt er mit einem neuen Prozess das Malariamedikament Artemisinin her. Mit weniger als 1500 dieser Kästen könnte der Weltbedarf dieses wichtigen Medikaments gedeckt werden, schreibt er im Fachblatt „Angewandte Chemie“. Und das einfacher und billiger als bisher.

Artemisinin ist eines der letzten bedeutenden Pharmaka, die direkt aus einer Pflanze hergestellt werden, dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua). Schon vor 2.000 Jahren wurde die Pflanze von chinesischen Heilern gegen Malaria eingesetzt. Auf Befehl von Mao Zedong begannen chinesische Wissenschaftler in den 60er Jahren, traditionelle Heilpflanzen nach einem Malariamittel zu durchsuchen. Der chinesische Führer wollte damit die malariageplagten Genossen im kommunistischen Norden Vietnams unterstützen. Der Wissenschaftlerin Tu Youyou gelang 1972 der Durchbruch: Sie machte Artemisinin als den entscheidenden Stoff aus und bewies seine Wirkung gegen den Malariaparasiten.

Seit 2001 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO Kombinationstherapien mit Artemisinin als die beste Behandlung gegen Malaria. Die Kombination mit anderen Mitteln soll die Entstehung resistenter Erreger verzögern. Doch die pflanzliche Herkunft bringt Probleme. So lassen sich aus einem Kilogramm getrockneter Blätter nur etwa acht Gramm Artemisinin gewinnen. Große Anbauflächen für Beifuß sind also nötig, um selbst geringe Mengen des Medikaments zu gewinnen.

"Wir sind ganz zufällig darauf gekommen"

Die Pflanze produziert allerdings auch einen verwandten Stoff, Artemisininsäure. Er dient Seeberger als Ausgangspunkt. Er möchte den Abfall wertvoll machen. „Wir sind ganz zufällig darauf gekommen“, sagt der Chemiker, der am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung arbeitet. „Eigentlich war es reine Grundlagenforschung, um herauszufinden, wie man Singulett-Sauerstoff einfacher herstellen kann.“

Im Gegensatz zu normalen Sauerstoffmolekülen, die als Triplett-Sauerstoff bezeichnet werden, ist Singulett-Sauerstoff energiereicher und reaktionsfreudiger. In diesen Zustand kann gewöhnlicher Sauerstoff durch Anregung mit Lichtteilchen gebracht werden. Das Problem: In große Gefäße dringt nur ganz außen genügend Licht ein, um den Sauerstoff anzuregen. Unter anderem deswegen wird die Methode in der Industrie selten verwendet. Seebergers Idee: Er wickelte einfach einen dünnen Schlauch um eine Lichtquelle. „So wird eine viel größere Fläche dem Licht ausgesetzt und wenn Chemikalien durch den Schlauch gepumpt werden, kann kontinuierlich Singulett-Sauerstoff erzeugt werden.“

Seeberger, der auch an einem Malaria-Impfstoff forscht, fiel auf, dass die Methode für die Herstellung von Artemisinin geeignet sein könnte. Er baute mit dem kanadischen Post-Doktoranden Francois Levesque seine Maschine: An einem Ende werden die bereits leicht veränderte Artemisininsäure und Sauerstoff hineingepumpt, dann windet sich das Gemisch an der Lampe entlang durch den Schlauch. Hier wird der Sauerstoff durch die Lichtstrahlen angeregt und reagiert mit der Artemisininsäure, hinterher kommt noch eine weitere Säure hinzu. Am Ende kommen knapp 40 Prozent Artemisinin heraus.

„Inzwischen können wir so 800 Gramm Artemisinin am Tag herstellen“, sagt der Chemiker stolz. Und rechnet vor, dass so nur einige hundert kleine Reaktoren den Weltbedarf decken könnten. Durch weitere Verbesserungen, etwa indem die Quecksilberdampflampe durch eine LED ersetzt wird, hofft er sogar auf zwei Kilogramm pro Tag zu kommen. Knapp 50.000 Euro habe die Apparatur gekostet, sagt Seeberger. Inzwischen könne er sie vermutlich auch für 10.000 Euro bauen. „Das könnte von den Hauptproduzenten China und Vietnam ohne Weiteres eingesetzt werden“, sagt er.

Es dauert fast 14 Monate, den einjährigen Beifuß anzubauen und aufzuziehen und hinterher Artemisinin daraus zu gewinnen. „Sie müssen den Bedarf also mehr als ein Jahr im Voraus vorhersagen", erklärt der Chemiker Jack Newman von der kalifornischen Biotech-Firma Amyris. Dadurch schwanken Verfügbarkeit und Preis. Amyris hat deshalb Hefezellen so verändert, dass sie zu kleinen Artemisininfabriken werden. Auch diese getunten Zellen können allerdings nur Artemisininsäure herstellen. Erst in Kombination mit diesem Verfahren wäre Seebergers Methode auch von den Preisschwankungen befreit.

Kai Kupferschmidt

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