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Streuwürze. Die Weltgesundheitsorganisation will den Salzkonsum der Weltbevölkerung bis 2025 um 30 Prozent drosseln.
© Mike Wolff/Tsp

Gesundheitsrisiko Salz: Leise rieselt das weiße Gift?

Neue Runde im Kampf gegen das Kochsalz: Warum Alarmismus nicht angebracht ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

Anfang des Monats schlug die ansonsten eher zurückhaltende Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Alarm. „Speisesalzgehalt in Lebensmitteln senken“ lautete die apodiktische Forderung der Ernährungswissenschaftler. Drei von vier Deutschen würden zu viel Salz essen, meint die DGE. Dabei seien die Zusammenhänge zwischen Speisesalzzufuhr und Blutdruck „eindeutig“. Wer reichlich Salz esse, dessen Risiko für Bluthochdruck steige. Dieser ist eine wichtige Ursache für Herz-Kreislauf-Krankheiten, die wiederum mit knapp 40 Prozent die häufigste Todesursache in Deutschland sind. Fazit dieser scheinbar wasserdichten Argumentationskette: Den Deutschen gehört der Salzstreuer weggenommen, wenn nötig mit leichtem Druck von oben.

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO ist dieser Ansicht. Sie weist darauf hin, dass ihre Mitgliedsländer sich darauf geeinigt haben, bis 2025 die Salzzufuhr um 30 Prozent zu senken – ein ambitioniertes Planziel. 2,5 Millionen Todesfälle könnten jedes Jahr verhindert werden, wenn die Menschen sich an die Richtlinien hielten und nur die empfohlene Menge konsumierten, argumentiert die WHO.

Naht ein fades Zeitalter? Wer vorhat, mehr oder minder die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung umzustellen, sollte einen solchen Schritt nur wagen, wenn das wissenschaftliche Fundament felsenfest ist. Aber so eindeutig, wie DGE und WHO behaupten, ist die Sachlage keineswegs. Die Wirklichkeit ist, wie so oft, komplizierter. Das zeigt sich schon daran, dass die Wissenschaftlergemeinde zu diesem Thema seit Langem gespalten ist. In den USA ist die Fehde unter dem Namen „Salzkriege“ bekannt geworden.

Für oder gegen Salz: Die Wissenschaft ist gespalten

Nach einer vor Kurzem im Fachblatt „International Journal of Epidemiology“ erschienenen Studie amerikanischer Gesundheitsforscher findet sich in gut der Hälfte der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema eine Position, die vom Sinn der Salzreduktion überzeugt ist; ein beträchtliches Drittel ist dagegen, der Rest unentschieden. Man ist nicht zimperlich und wirft sich gegenseitige Befangenheit vor. Salzgegner behaupten, ihre Kontrahenten seien von der Industrie bezahlt, und vergleichen diese mit Skeptikern, die am menschgemachten Klimawandel zweifeln. Die andere Seite hält Salzfeinde für verbohrt und voreingenommen.

Zu hoher Blutdruck ist vor allem eine Frage der Veranlagung und des (höheren) Alters. Trotzdem ist unstrittig, dass man nicht übermäßig viel Salz zu sich nehmen sollte. Vor allem Personen mit Bluthochdruck sollten ihren Konsum verringern, um so den Überdruck zu senken. Doch längst nicht allen nützt das. Die Mehrheit ist nicht „salzempfindlich“, ihr Blutdruck bleibt gleich.

Ob sich der Salzverzicht tatsächlich günstig auf Herz-Kreislauf- Leiden auswirkt – und das Risiko, an ihnen zu sterben –, ist nicht klar und eindeutig belegt.

Salz-Zweifler fordern daher eine große Studie, die jeden Zweifel ausräumt. Salzabstinenzler halten dagegen, diese sei nicht zu finanzieren, man müsse sofort handeln. Dass Organisationen wie die WHO trotz ungesicherter Datenbasis mit Schätzungen von Millionen Todesopfern durch Salz argumentieren, hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Solche Hochrechnungen grenzen an Spekulation. Auf ihrer Basis der ganzen Welt eine Salzdiät zu verordnen, ist umso zweifelhafter.

Ob Salzdiät wirklich nützlich ist, ist umstritten

Die DGE empfiehlt, allenfalls sechs Gramm Salz am Tag zu essen, etwa ein Teelöffel voll (wobei viel Salz in Fertignahrungsmitteln verborgen ist). Manche Fachgesellschaften gehen noch weiter und fordern ein Maximum von knapp vier Gramm. Ob das der richtige Rat ist, ist jedoch umstritten. Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre mahnen eher zur Zurückhaltung.

2011 kam eine im Fachblatt „Jama“ veröffentlichte Studie mit fast 29 000 Teilnehmern zu dem Schluss, dass sowohl zu niedrige als auch zu hohe Kochsalzzufuhr die Gefahr von Herz-Kreislauf-Leiden erhöht. Allerdings kam es erst bei einem Konsum von 17 Gramm oder darüber zu einem merklichen Anstieg des Risikos. In die gleiche Kerbe schlug 2014 eine im „New England Journal of Medicine“ abgedruckte Untersuchung mit mehr als 100 000 Teilnehmern. Auch sie zeigte, dass die „Komfortzone“ beim Salz offenbar größer ist als gedacht, sie liegt demnach bei 7,5 bis 15 Gramm. Wer nach der Entlarvung des Tabaks nun im Speisesalz den neuen Hauptfeind der Volksgesundheit sieht, sollte noch einmal nachdenken. Trägheit und Bewegungsmangel sind weitaus gefährlicher.

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